Karl-Wilhelm Weeber: "Die Weinkultur der Römer"
Nulla
placere diu nec vivere carmina possunt,
quae scribuntur aquae potoribus. ¹
(Horaz Epist. I 19, 2 f.)
Mit diesem Buch widmet sich Karl-Wilhelm Weeber, der sein umfassendes Wissen über die "alten" Römer bereits in "Alltag im alten Rom. Ein Lexikon", "Decius war hier. Das Beste aus der römischen Graffiti-Szene" und "Flirten wie die Römer" lebendig und abwechslungsreich aufbereitet unter Beweis gestellt hat einem wahrhaft identitätsstiftenden Element des Imperium Romanum: der Weinkultur der Römer. Am Beginn steht eine einleitende Einführung in das Reich des Bacchus, wo Wein als Grundnahrungsmittel galt, gefolgt von einem "kleinen Lexikon zur römischen Weinkultur": vom "Anbaugebiet" zum "Zungenlöser", welches gängige Begriffe eines antiken Lebensgefüges (Amfore, Bleibelastung, Falerner, Harzwein, Mänade, Opfer, Panscherei, Rausch, Satyr, Trinkkönig, usw.) erläutert und anhand überlieferter Zeugnisse dokumentiert.
Alle Bevölkerungsschichten, ob arm, ob reich, delektierten sich am Rebensaft, von dem bereits damals mehr als 185 Sorten bekannt waren! Als der Rausch noch gleichsam "Kavaliersdelikt" war, genossen die Wohlhabenden im Verlauf zahlloser Gelage im privaten Rahmen beispielsweise Falerner, Massiker oder Caecuber aus Prunkgläsern und Schalen, bisweilen auch aus Bechern mit derben Aufschriften, die nicht immer nur die Freuden des Weintrinkens zum Thema hatten. Ein rex bibendi bestimmte u.a. das Mischverhältnis von Wein und Wasser (z.B. ergaben zwei Teile Wein auf fünf Teile Wasser einen "kräftigen Trunk") - denn es galt als barbarisch, Wein pur zu trinken. Dies hatte die durchaus erwünschte Nebenwirkung, dass jedermann mehr und länger trinken konnte. Jedermann? Schlagen Sie unter "Weinverbot für Frauen" nach! Das gemeine Volk zechte in Wirtshäusern, die - so man dem Autor zu glauben geneigt ist - übel beleumundet waren.
Im Kapitel "Ohne Bacchus friert Venus - Wein und Liebe in der römischen Literatur" präsentiert Karl-Wilhelm Weeber eine gelungene Auswahl klassischer römischer Texte von Ovid, Properz, Horaz, Juvenal, Tibull u.a. die nichts an Freizügigkeit zu wünschen übrig lassen und deren unverblümte Erotik möglicherweise manch einem Leser sehnsüchtige (und/oder intensive)Träume von weniger zwangskorrekten Zeiten beschert ...
Im Abschnitt "So viel Geld steckt in den Weinkellern! -2000 Jahre alte Ratschläge für den Winzer" finden sich Textpassagen aus Werken von Plinius, Columella und Vergil. Mehltau, Ameisen, Mäuse und Raupen wurden als Schädlinge bekämpft, es gab Regeln für die korrekte Durchführung des Rebschnittes sowie der Weinlese. Und sogar "Anleitungen zum Panschen"!
Man muss nicht so weit gehen wie der im Kapitel "Und voll des Bacchus jauchzt es mir stürmisch auf - Kostproben römischer Weinpoesie" zitierte Schriftsteller Horaz, für den ein lebenswertes Leben ohne Wein nicht vorstellbar war - allerdings schätzt man die lösende und befreiende Wirkung des Weins seit vielen Jahrhunderten, und das nicht nur in Künstlerkreisen, wo die inspirierende Kraft des Bacchus unbestritten eine Hauptrolle spielte und spielt. "Nunc est bibendum" beginnt eine nach dem Sieg Oktavians über die ägyptische Königin Kleopatra und Marc Anton entstandene Ode, ein Gedicht richtet sich "An den Weinkrug", und Catull schrieb "Doch du, Wasser, geh fort, wohin du Lust hast / Du Verderben des Weins, und geh zu den Muckern! / Hier gibt´s jetzt nur noch reinen Dionyser." Auch für Vertreter der satirischen Dichtung, welche in ihren Werken das Alltägliche und Lächerliche aufs Korn nahmen, gab es in der Weinkultur der Römer ein reiches Betätigungsfeld abseits der carpe-diem-Stimmung! Dennoch bekannte selbst Martial, von dem folgender Spott-Spruch über eine trinkfeste Dame stammt "Wer da glaubt, dass Acerra noch riecht nach dem Weine von gestern, / Irrt sich, Acerra trinkt stets bis zum helllichten Tag": "Nichts vermag ich, solange ich nüchtern bin; trink´ ich, so erstehen in mir gleich fünf Dichter" ...
Den Abschluss bildet "In vino veritas" - 35 lateinische Sprichwörter und Sentenzen zum Wein". Kostproben daraus? "Vina parant animos" ("Wein macht das Herz bereit"), "Vina bibant homines, animantia cetera fontes" ("Die Menschen sollen Wein trinken, die übrigen Lebewesen Wasser") und - vielleicht als kleine "Ermutigung":
"Quando bibo vinum, loquitur mea lingua latinum" ("Wenn ich Wein trinke, spricht meine Zunge Latein". Ein Vers aus dem 17. Jahrhundert n. Chr.!)
Der Inhalt des vorliegenden Buches ist nämlich keineswegs nur Gelehrten zugänglich, die ihre Anrufbeantworter mit Begrüßungsansagen in lateinischer Sprache beladen! Sämtliche Textpassagen sind durchgehend in deutscher Sprache gehalten, gelegentlich eingestreute lateinische oder griechische Ausdrücke werden gut erklärt. Lediglich das letzte Kapitel enthält sowohl die lateinischen Originaltexte als auch die deutschen Fassungen.
"Die Weinkultur der Römer" ist ein unterhaltsames Sachbuch zum Lesen und Verschenken!
(kre; 03/2002)
Karl-Wilhelm Weeber:
"Die Weinkultur der Römer"
Artemis & Winkler, Neuausgabe 1999.
189 Seiten. ISBN3-7608-1211-2. ca. EUR 14,95.
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Keine Gedichte können lange gefallen und überleben, die von Wassertrinkern geschrieben
werden.
Bacchus als den Dichter inspirierende
Kraft ist für das Altertum eine ganz selbstverständliche Vorstellung. (Aus
dem besprochenen Buch.)
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