(...)
Er wollte hinab in den Park, um so manchen Gedanken nachzuhängen,die ihn
durchkreuzten; doch als er schon die Treppe hinabgestiegen war, hörte er
hinter sich herrufen: "Domine, domine Capellmeistere, paucis te volo!" -
Es war Pater Hilarius, welcher versicherte, daß er mit höchster Ungeduld
auf das Ende der langen Konferenz mit dem Abt gewartet. Soeben habe er
sein Kellermeisteramt verrichtet und den herrlichsten Leistenwein
abgezogen, der seit Jahren im Keller gewesen. Ganz unumgänglich nötig
sei es, daß Kreisler sogleich einen Pokal davon leere zum Frühstück, um
die Güte des edlen Gewächses zu erkennen und sich zu überzeugen, daß es
ein Wein sei, der feurig, geist- und herzstärkend, für einen tüchtigen
Kompositor und echten Musikanten geboren.
Kreisler wußte wohl, daß es vergeblich sein würde, dem begeisterten
Pater Hilarius entgehen zu wollen, und es war ihm selbst recht, bei der
Stimmung, in die er sich versetzt fühlte, ein Glas guten Weines zu
genießen, er folgte daher dem fröhlichen Kellermeister, der ihn in seine
Zelle führte, wo er auf einem kleinen, mit einer sauberen Serviette
bedeckten Tischchen schon eine Flasche
des edlen Getränks sowie frisch gebackenes Weißbrot und
Salz und Kümmel vorfand. - "Ergo bibamus!" rief Pater Hilar, schenkte
die zierlichen grünen Römer voll und stieß mit Kreisler fröhlich an.
"Nicht wahr", begann er, nachdem
die Pokale geleert, "nicht wahr, Kapellmeister, unser hochwürdiger Herr
will Euch gern in den langen Rock hineinvexieren? - Tut`s nicht,
Kreisler! - Mir ist wohl in der Kutte, ich möchte sie um keinen Preis
wieder ablegen, aber distinguendum est inter et inter! - Für mich ist
ein gut Glas Wein und ein tüchtiger Kirchengesang die ganze Welt, aber
Ihr - Ihr! Nun, Ihr seid noch zu ganz andern Dingen aufgehoben, Euch
lacht noch das Leben auf ganz andere Weise, Euch leuchten noch ganz
andre Lichter als die Altarskerzen! - Nun, Kreisler, kurz von der Sache
zu reden - stoßt an! - Vivat, Euer Mädel, und wenn Ihr Hochzeit macht, so soll Euch der Herr
Abt, alles Verdrusses uneracht, durch mich von dem besten Wein senden,
der nur in unserm reichen Keller befindlich!"
Kreisler fühlte sich durch Hilarius` Worte berührt auf unangenehme
Weise, so wie es uns schmerzt, wenn wir etwas Zartes, Schneereines
erfaßt sehn von plumpen, ungeschickten Händen. "Was", sprach Kreisler,
indem er sein Glas zurückzog, "was Ihr nicht alles wißt, nicht alles
erfahrt in Euern vier Mauern."
"Domine", rief Pater Hilarius, "Domine Kreislere, nicht für ungut, video
mysterium, aber ich will das Maul halten! Wollt Ihr nicht auf Euer -
Nun! Laßt uns frühstücken in Camera et faciemus bonum cherubim - und
bibamus, daß der Herr uns hier in der Abtei die Ruhe und Gemütlichkeit
erhalten möge, die bisher geherrscht."
(....)
(aus "Lebensansichten des Kater Murr" von E.T.A. Hoffmann)