Armin Strohmeyr: "Die Frauen der Brentanos"
Porträts aus drei Jahrhunderten
Faszinierende
Frauen
Diese "Porträts aus drei Jahrhunderten" (Untertitel) enthalten
"Außergewöhnliche Lebensläufe kluger Frauen, die ihrer Zeit oft voraus waren und
auch heute an Faszination nicht verloren haben" (Klappentext). Elke
Heidenreich bemerkt in ihrem Vorwort zu dem Buch "Frauen, die schreiben, leben
gefährlich" (Hrsg. Stefan Bollmann, 2006), dass viele Autorinnen daran
zerbrochen sind, Selbstmord begingen oder an schlimmen Krankheiten starben, weil
sie den Widerspruch ihrer Rollen als Künstlerin einerseits und Partnerin eines
Mannes andererseits nicht aushalten konnten. Vielen schreibenden Frauen mangelte
es entweder an Selbstbewusstsein oder sie litten an Einsamkeit. Ähnliches hatte
bereits Marcel Reich-Ranicki in seinem Sammelband "Frauen dichten anders" 1998
konstatiert: "Die den Frauen in der von Männern beherrschten Welt zugewiesene
Rolle hat ihnen die Beschäftigung mit allem Geistigen und Künstlerischen in
hohem Maße erschwert , ja unmöglich gemacht." Jürgen Serke hatte in seiner
weiblichen Literaturgeschichte "Frauen schreiben" 1979 bemerkt: "Die abtrünnigen
Einzelgängerinnen sind zwar auch heute noch eine Minderheit, aber sie haben
inzwischen Millionen von weiblichen Sympathisanten."
In diesem Zusammenhang erscheint es sowohl mutig als auch längst überfällig,
dass Strohmeyr die Geschichte einer Frauendynastie entfaltet. Ach ja, was fällt
auf? Es ist ein männlicher Autor, der dies tut! Er hat im übrigen auch schon
über Erika
Mann, Annette Kolb und George Sand
veröffentlicht. Die Genealogie der Brentanos lässt sich bis ins 13. Jahrhundert
an den Comer See zurückverfolgen. Ursprünglich waren es Winzer, dann verzweigte
sich die Familie und verbreitete sich im deutschsprachigen Raum. Im 18. Jahrhundert
vollzieht sich mit den Frankfurter Brentanos die Umorientierung vom Kaufmännischen
zu den Künsten. Die Verzweigungen der Familie sind äußerst vielfältig und die
Zugehörigkeit wird manchmal erst ein zwei Generationen später festgestellt.
Gewürdigt werden hier Frauen der Brentanos, die "schreibend oder forschend zur
deutschen Kultur- und Geistesgeschichte beitrugen" und diejenigen, die sich
bemühten, "dieses Erbe zu bewahren und der Allgemeinheit zugänglich zu machen"
(vgl. Vorwort).
Strohmeyr liefert jeweils lebhafte Darstellungen in seinen 17 Kapiteln zu insgesamt
19 Frauen. Wir erfahren, wie C.M. Wieland 1771 den ersten erfolgreichen Roman
("Geschichte des Fräuleins von Sternheim") für Sophie von La Roche (1730-1807)
herausgab - und wie trotz Goethes Werben um die älteste Tochter Maximiliane
diese einen gewissen Peter Anton Brentano heiraten wird. Sie stirbt 37jährig
und hinterlässt insgesamt 12 Kinder - darunter Clemens und Bettine (spätere
Arnim). Die La Roche war zweifelsohne die bedeutendste der hier porträtierten
Frauen - und sie gehörte doch eigentlich nur indirekt zur Brentano-Familie.
Sophie Mereau-Brentano (1770-1806) veröffentlicht - von Schiller
ermutigt - Gedichte in mehreren Zeitschriften und tritt mit ihrem Roman "Das
Blütenalter der Empfindung" (1794) für Freiheit und Unabhängigkeit der Frau
ein. Sie pflegt Verhältnisse mit Clemens Brentano und Friedrich Schlegel - Ersteren
heiratet sie im November 1803. Bettine Brentano bzw. von Arnim (1785-1859) wird
als widersprüchliche Person geschildert, während sie ihr Bruder Clemens in seinem
Roman "Godwi" verklärt. Sie wiederum verehrt Karoline von Günderrode als Verkörperung
eines poetischen Lebens in der Romantik - nach
deren Selbstmord widmet sie ihre Verehrung Goethe - heiratet zwischendurch 1811
Achim von Arnim (die Ehe scheitert). Bettines Salon in Berlin, in dem Demokraten,
Liberale und Sozialisten verkehrten, wurde von der preußischen Polizei bespitzelt
- sie war bekannt mit Bakunin, Turgenjew, Marx und George Sand. Sie legte sich
mit der Bürokratie und der Justiz an und schrieb gegen den sich damals schon
verstärkenden Antisemitismus.
Emilie Brentano
(1810 -1882) hatte sich bemüht, das schriftstellerische Erbe ihres Schwagers
Clemens zu bewahren. Gisela (1827-1889), die jüngste Tochter Bettines und
Achims, heiratet 1859 Hermann Grimm - sie schreibt selbst Märchen und Dramen, in
Letzteren kommt ihr emanzipatorisches Weltverständnis zum Ausdruck. Die Enkelin
von Bettine und Achim, Elisabeth von Heyking (1861-1925) hat mit dem Roman
"Briefe, die ihn nicht erreichten" einen der größten Bucherfolge im beginnenden
20. Jahrhundert. Ihre Schwester Irene Forbes-Move (1864-1946) schreibt Gedichte
und Prosa, sie veröffentlicht bei den damals größten deutschen Verlagen und
zählt u.a. Hermann Hesse zu ihren Bekannten. Schon 1934 kommen ihre Werke auf
die Liste verbotener Bücher und sie flieht ins Exil. Ihre Nichte Sophie
("Sissi") Brentano (1875-1956) bildhauert und malt - und sympathisiert mit der
Sozialdemokratie. Sie wird schließlich die wichtigste Bewahrerin des
handschriftlichen Nachlasses der Brentanos. Sie ist bekannt mit wichtigen
Schriftstellern, Künstlern, Verlegern und Germanisten.
Das vorliegende
Buch macht uns mit der weitverzweigten Familiengeschichte der Brentanos in
wesentlichen Grundzügen bekannt und hat im Anhang auch ein ausführliches
Quellenverzeichnis. Freilich betont Strohmeyr, dass er kein wissenschaftliches
Werk im strengen Sinne vorlegen wollte. Und so ist ihm auch ein sehr lesbares
Buch gelungen über eine Anzahl recht faszinierender Frauen.
(KS; 06/2006)
Armin Strohmeyr: "Die Frauen der Brentanos"
Claassen bei Ullstein, 2006. 413
Seiten.
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