Michael Zaremba: "Christoph Martin Wieland"
Aufklärer und Poet. Eine Biografie
Wieland: Brückenbauer
zwischen Rokoko und Klassik
Michael Zaremba studierte Germanistik und Politikwissenschaften und promovierte
über Herders humanitäres Nations- und Volksverständnis. 2002 erschien seine
Herder-Biografie und 2007 eine Festschrift über das Wieland-Grab in Oßmannstedt.
Der 1733 geborene Christoph Martin Wieland war ein Schriftsteller, der im Rokoko
verwurzelt war. Nach seiner Schweizer Zeit, die im Wesentlichen unter dem
Einfluss des unsäglichen Puritaners Bodmer stand, änderte sich der Schreibstil
Wielands grundlegend. Auf Seite 141 schreibt der Autor so treffend: "Die
humoristische Grundstimmung seiner Biberacher Schriften ist auf seine befreite
Sexualität zurückzuführen [...]." Dieser Satz bietet reichlich Stoff
für philologisch-historische Studien, findet der Rezensent.
Nach einer Zeit als Professor für Philosophie in Erfurt wurde Wieland 1792 als
Prinzenerzieher nach Weimar berufen, wo er bis zu seinem Tod 1813 blieb - von
1798 bis 1803 wirkte er als poetischer Landjunker auf dem nahe
Weimar gelegen
Gut Oßmannstedt. Das dortige Wielandgut ist heute Museum und Bildungsstätte.
Es befindet sich auch Wielands Grab auf diesem Gut im Nordosten Weimars.
Wieland hinterließ ein gewaltiges Oeuvre. Es reicht von seinen unnachahmlichen
Erzählungen wie die "Geschichte des Agathon" oder "Die
Geschichte der Abderiten" über seine Verserzählungen wie etwa
"Oberon" bis zu "Der Teutsche Merkur", einem erfolgreichen
literarischen Periodikum, das von 1773 bis 1789 erschien und als "Der Neue
Teutsche Merkur" von 1790 bis 1810 weiterlebte. Daneben übersetzte er
Cicero und
Lukian aus dem Lateinischen bzw. Griechischen. Auch die erste
Shakespeare-Übertragung
geht auf Wieland zurück.
Bedauerlich ist, dass Wieland und auch Herder etwas im Schatten von
Schiller und
vor allem
Goethe stehen. Eine Wieland-Ausgabe sucht man derzeit vergebens, der
Deutsche Klassiker Verlag wird die drei vorliegenden Bände (3, 4 und 9) nicht
fortführen. Einzig die bei Greno erschienene 14-bändige Faksimile-Ausgabe der "wohlfeile[n]
Ausgabe letzter Hand (Leipzig; Göschen, 1794 - 1811)" ist antiquarisch
noch zu erwerben, ebenso wie die vierbändige Ausgabe der Bibliothek Deutscher
Klassiker. Der Verlag btb winkt hinsichtlich einer Neuausgabe ab, der Aufbau
Verlag ebenfalls. Einzig De Gruyter wird zusammen mit der
Wieland-Forschungsstelle der Universität Jena zwischen 2008 und 2019 eine 36-bändige
Ausgabe edieren, deren erster Band etwa 168 Euro kosten wird. Liebe
Verlagsplaner, in sechs Jahren ist Wieland-Jahr, sein 200. Todestag steht an.
Das wäre doch zumindest eine Göschen-Ausgabe in modernen Typen wert.
Auch mit Biografien sieht es derzeit nicht rosig aus, und so freut man sich als
Verehrer des Wieland über jedes neue Buch. Das vorliegende Werk ist flüssig
geschrieben, und man erhält ein gutes Bild des Christoph Martin Wieland und
seiner Zeit, auch wenn man in Details durchaus Fehler finden kann, wie man noch
sehen wird. Neue Akzente setzt der Autor aber dadurch, dass er Wielands Rolle
des Aufklärers beleuchtet, der so nebenher eine ganze Reihe politischer
Schriften verfasste, die insbesondere im "Merkur" erschienen. Positiv
zu vermerken ist, dass der Autor viele Werke Wielands inhaltlich präsentiert
und auch hinsichtlich ihrer Wirkung einordnet. Hierbei beschränkt er sich nicht
auf die bedeutenden Erzeugnisse, er stellt hingegen auch viele
kleinere Beiträge
aus dem "Merkur" vor, die Wielands Rolle als Bote der Aufklärung
zurechtrückt. Das ist das große Verdienst dieser Biografie.
Hinsichtlich der Bewertung des "Teutschen Merkurs" widerspricht der
Autor Friedrich Sengle energisch, der in seiner 1949 erschienenen Biografie
diesem "Merkur" wenig und eher merkantile Bedeutung beimaß (Sengle S.
407). Doch diese Kritik ist nicht ganz neu, denn sie kann bereits in der
Wieland-Biografie Irmela Brenders nachgelesen werden (Brender S. 94). Michael
Zaremba hingegen sieht im "Merkur" zu Recht ein bedeutendes Medium der
Aufklärung. Doch wenn man bei Sengle ein paar Seiten weiterliest, (was der
Rezensent getan hat), so stellt man fest, dass dieser seine Aussage selbst
relativiert. Aber zumindest muss man Sengle hier Widersprüchlichkeit vorwerfen,
insofern hat der Autor mit seiner Kritik im Grundsatz recht.
Die Aussage aber, dass Kleist bis Frühjahr 1803 noch nichts veröffentlicht
hatte, als er bei Wieland weilte, ist nicht ganz korrekt, denn "Die Familie
Schroffenstein" war im November 1802 zumindest in Druck, wenn nicht gar
schon erschienen; die Ankündigung des Schweizer Verlages Geßner erfolgte nämlich
bereits am 30. November 1802. Einzelne Kleist-Kenner, wie
Gerhard Schulz, nehmen
an, dass dieses Stück zur Zeit von Kleists Oßmannstedter Aufenthalts bereits
erschienen war. Auch Roland Reuß nennt November 1802 in der Brandenburger
Kleist Ausgabe Band I/1. Heinrich von Kleist im Register als "Kleist, Bernd
Heinrich Wilhelm von" zu führen, ist zumindest ungewöhnlich. Wenn es nur
um die Korrektheit ginge, dann müsste seine Stiefschwester auch Ulrike
Philippine mit beiden Vornamen notiert sein, doch diese wird nun "Kleist,
Ulrike von" genannt.
Johanna Schopenhauer war neben
Sophie
von La Roche eine der ersten deutschen Frauen, die ihren Lebensunterhalt
durch Schreiben verdienten, und so ist es etwas stark verkürzt, nur zu erwähnen,
dass Johanna Schopenhauer 1806 nach Weimar kam und dort von dem Vermögen ihres
verstorbenen Gatten lebte. Im Übrigen kam sie auch nicht aus Danzig, wie der
Autor schrieb, sondern aus Hamburg, wo sie seit dem Wegzug aus Danzig im Jahre
1795 lebte.
Stilistisch ist das Werk nicht immer ganz auf der Höhe, wie der folgende
problematische Komparativ zeigt: "Die Charaktere sind jedoch [...]
eindimensionaler gezeichnet." Eindimensional oder nicht? Das "Duovirat"
auf Seite 216 ist zumindest gewöhnungsbedürftig, "Duumvirat" wäre
korrekt gewesen, findet auch die "Gesellschaft für Deutsche Sprache",
die Ersteres in keinem Fremdwörterverzeichnis finden konnte, Letzteres hingegen
schon.
Den Wieland bis ins hohe Alter mit Christoph Martin anzureden, findet der
Rezensent unpassend, wiewohl zurzeit anscheinend üblich. Konsequenterweise trifft
denn Christoph Martin auch auf den Johann Wolfgang.
Es finden sich viele Übersetzungen und Erläuterungen im Text, die auch jenen
Lesern die Lektüre erleichtert, die noch nicht viel Kontakt zur literarischen
Sprache des 18. Jahrhunderts haben. Anmerkungen und Quellenhinweise befinden
sich im Text, woran man sich aber schnell gewöhnt. Ein einfarbiger
Abbildungsblock auf Hochglanzpapier ist in der Buchmitte zu finden.
Positiv wurden die aktuellen kulturellen Bezüge zu Biberach vermerkt, wie etwa
das vom "Dramatischen Verein" bespielte Kleintheater am historischen
Ort.
(Klaus Prinz; 09/2007)
Michael Zaremba: "Christoph
Martin Wieland. Aufklärer und Poet. Eine Biografie"
Böhlau Verlag Köln, 2007. 314 Seiten.
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