Von der Selbstherrlichkeit mancher Autoren
Das Internet wird von Texten durchflutet. Es gibt Abertausende von Autoren, die irgendwo mehr oder weniger Bücherln verlegt haben, und mit stolzgeschwellter Brust ihrer Wege gehen. Nichts ist dagegen zu schreiben, ein Glück über eigene literarische Leistungen zu verspüren. Doch das Entscheidende ist nicht das Endergebnis, sondern die Anfertigung des Werkes. Der Weg ist das Ziel.
So mancher Autor schießt weit übers Ziel hinaus, indem er jede Winzigkeit des eigenen Lebens aufplustert und schriftlich konserviert. Er stellt Beziehungen her zu Ereignissen des Weltgeflechts, und onaniert geistig: "Ich bin das Alpha und Omega. Alles hängt von mir ab, und ich hänge von allem ab. Mein Leben ist eingebunden in die Herrlichkeit der Welt, und die Welt nimmt Anteil an meiner Herrlichkeit." Gegen Onanie ist an und für sich nichts einzuwenden; es ist nur grausam, wenn der Leser diesen Prozess mit ansehen muss. Er kann freilich den Text bald sanktionieren, aber ein schaler Nachgeschmack bleibt zurück.
Das Leben als immerwährenden Text zu sehen, der sich zügig fortentwickelt, widerspricht haarklein dem Ansatz von Hermann Hesse. Der gar nicht selbstherrliche Autor Hesse meinte seinerzeit, dass jedes (menschliche) Leben ein ungemein dickes Buch ergäbe, sollte dieses geschrieben werden. Es gibt ja die sogenannten autobiographischen Texte, die meist in die Falle der Selbstherrlichkeit hineintappen. Rühmliche Ausnahme sind erstaunlicherweise etwa die Memoiren von Marcel Reich-Ranicki, und weniger erstaunlich die Erinnerungen von Elisabeth Kübler-Ross. Der Autor (und damit schließe ich freilich automatisch immer die Damen ein!) springt oft in das Fahrwasser des Hedonismus und verstärkt diesen noch durch unnötige Aufmerksamkeit auf sein ach so ereignisreiches Leben. Der mündige Leser kann sich nicht immer dieser Fahrlässigkeit entziehen. Er möchte Geschichten lesen, in die er hineingezogen wird, sodass er Anteil nehme an den Möglichkeiten des Lebens. Die Hinweise mancher Autoren, was sie denn schon alles geleistet haben, und wie sie in der Schule brillierten, und wodurch sie sich von jeher von der Allgemeinheit unterschieden, ist nur dann interessant, wenn dies in einem Kontext steht, der eine satirische, nicht bloß selbstbeweihräuchernde, Komponente hat. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang "Stephen, der Held" von James Joyce, ein sowohl satirisches als auch selbstbeweihräucherndes Werk von höchster literarischer Qualität.
Die eigentliche Aufgabe des Autors ist es, vom Leben der Menschen so zu erzählen, dass etwas Besonderes entsteht, an dem sich der Leser voll und ganz festsaugen kann. Es spricht gegen den Autor, wenn er nur darauf bedacht ist, sich selbst ins Rampenlicht stellen zu wollen. Das Schreiben sollte nicht der Sublimierung des eigenen Lebens dienen, sondern der Aufarbeitung des eigenen Lebens in Kontext mit der Umwelt. Der Autor lernt sich durch das Schreiben selbst besser kennen. Max Frisch meinte anno dazumal, er schriebe sich selbst. Dem will ich gar nicht widersprechen, nur sollte kein Autor dies dem Leser vorsätzlich auf die Nase binden. Selbstreflexion sollte nicht, wie oben geschrieben, in Onanie ausarten.
Wenn schon Pathos, dann für eine Sache, die es wert ist, aber nicht für sich selbst.
(Al Truis-Mus)