Rudolf Herfurtner: "Ohne Musik ist alles nichts"

Geschichten über die Musik. Illustriert von Hildegard Müller.


"Musik ist überall. Und alles ist Klang. Man muss nur genau hinhören."

"Jeder weiß irgendwie, was Musik ist: ein Spiel mit Tönen, Klängen, Rhythmen. Aber wie Musik in die Welt gekommen ist, das wissen wir nicht so genau", stellt Rudolf Herfurtner in seinem klingenden Buch "Ohne Musik ist alles nichts" fest. Nur, wie ihre Entstehung am besten einem jungen Publikum vermitteln? Warum nicht in Geschichten? Denn "Es gibt keine Musikgeschichte ohne Musikgeschichten. Und die kann keiner packender und einfühlsamer erzählen als Rudolf Herfurtner", schreibt der Komponist Wilfried Hiller im Auftakt zu diesem Buch, welches für Kinder ab 10 Jahren geeignet ist. Und damit umreißt er gleichzeitig den Grundtenor des vorliegenden Buches.

Was gibt es Schöneres als Musik?
Schon seit Menschengedenken wird musiziert. Du hörst sie, wenn du Freude empfindest, sie kann dich aber auch zum Weinen bringen, wenn du traurig bist. Vielleicht bist du gar mit Anderen zusammen "in Musik" und singst in einem Chor: "Dein Klang und mein Klang im Einklang", wie es Rudolf Herfurtner treffend ausdrückt. Oder aber du spielst selbst ein Musikinstrument.
Möglicherweise hast du auch schon mit deinen Eltern eine Oper oder ein Konzert besucht und den Dirigenten bewundert, der viele Leute mit lauter verschiedenen Stimmungen vereint, so dass sie einen gemeinsamen Klangkörper bilden und in Einklang mit dem Publikum aufgehoben sind.

Herfurtner lässt Musik erleben
"All das ist das Wunder der Musik.
Mehr müsste man eigentlich gar nicht sagen; denn über Musik sollte man ja nicht reden, Musik muss man hören (...). Musik fängt da an, wo die Worte aufhören oder nicht mehr weiterwissen oder noch gar nicht angefangen haben, weil man verschiedene Sprachen spricht. Musik kann leicht die gemeinsame Sprache der Menschen sein. Musik kann man schwer beschreiben, man muss sie erleben"
, schreibt der Autor. Und trotzdem versucht er es. Vorab: Er tut es großartig!
Das Erfolgskonzept dieses originellen, unterhaltsamen und äußerst informativen Kinderbuches, dem eigentlich keine Alterobergrenze gesetzt werden kann, ist ein vom Autor wirkungsvoll verankertes Rahmengerüst: die Geschichte. Denn Kinder hören gerne Geschichten, spannende, lustige, gruslige, mythische und vielleicht auch traurige. Und weil es eben solche auch von der Musik zu erzählen gibt, ist diese Form der lockeren Wissensvermittlung einfach ideal gewählt.

Trotz alledem lebt Musik vom Hören. Auch hier setzt Rudolf Herfurtner Maßstäbe. Eine im Buch integrierte CD enthält 22 ausgewählte Hörbeispiele, welche die gesamte Bandbreite der Musikgeschichte zwar nicht abdecken, aber immerhin erstaunlich weitreichend und treffend ausgewählt wurden und vielleicht gar Lust machen, einmal Musik wahrzunehmen, von der man noch nie etwas gehört hat, oder einen Komponisten kennenzulernen, den man noch nicht kannte. Von frühen Gregorianischen Chorälen, dem "Erfinder" der ersten Oper ("L'Orfeo") - Monteverdi, über Händel, Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Mendelssohn und Wagner bis zu Bizet, Respighi, Cage und Elvis Presley ist alles vertreten, was Rang und Namen hat in der Welt der Musikheroen. Entsprechende Anmerkungen im Buch verweisen auf ihren "taktgenauen Einsatz".

Den Aufbau des Buches hat der Autor selbst treffend beschrieben: "... wie ein Musikstück des russischen Komponisten Modest Mussorgsky: 'Bilder einer Ausstellung'. Maurice Ravel, ein französischer Komponist, hat dann das Klavierstück seines Kollegen für großes Orchester bearbeitet. Bei Mussorgsky/Ravel gibt es Stücke, in denen die Musik Bilder beschreibt. Dazwischen wird man wie ein Ausstellungsbesucher im Museum durch eine immer wiederkehrende Promenaden-Musik von einem Bild zum anderen geführt.
Die 'Bilder' in unserem Buch sind natürlich die Geschichten. Dazwischen gibt es auch hier eine Art Promenade. Nur wird man nicht durch ein Museum geführt, sondern durch die Musikgeschichte. Von der ersten Knochenflöte führt unsere Geschichten-Ausstellung über Erzählungen aus dem klassischen griechischen Sagenkreis bis in die Popmusik unserer Tage, vom uralten Märchen bis zum 'King of Rock'n'Roll' Elvis Presley."


Kakophonie und ein liederlicher Beethoven
Nun steht der griechische Sagenkreis nicht gerade für legere Unterhaltung. Doch weit gefehlt. Herfurtner erzählt völlig respektlos und voller Humor. So lässt er den "Erfinder" der Leier, den Gott Hermes - zwar noch ein kleiner Pimpf mit Windel, aber völlig aufsässig und durchtrieben - gar allerlei Unfug in der Nähe des Olymps und mit seinem Bruder Apoll treiben. Man erfährt etwas über die Herkunft des Wortes Musik (griech.: Mousiké = Musen), dass Pythagoras (genau: der alte Mathematiker) das Monochord erfunden haben soll und über den traurigen Faun Pan und seine Erfindung der gleichnamigen Flöte.
Hier ist auch gleich das erste Musikstück auf der CD als gefühlvoller Einstieg zu hören. Debussys "Prélude à l'après-midi d'un faune" - "Nachmittag eines Fauns" zählte für mich neben Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur, KV 622 zu den schönsten Titeln.

Herfurtner schneidet den Aufbau der Tonleiter an, erklärt Oktave, Quinte und Quart, reist von den alten Griechen über die Bibelgeschichte bis ins Mittelalter auf die Wartburg nach Eisenach. Dort lernt man beim Wettstreit der Minnesänger den gefährlichen Zauberer Klingsohr kennen, trifft später im Händel-Museum in London auf die böse Opernhexe Alcina und weiß am Ende der Geschichte, warum alte Kamine ganz schön abenteuerlich werden können.

Dem Autor gelingt es auf unterhaltsame Art und Weise, dich in einen permanenten Sog zu ziehen, sodass du gar nicht mehr zu lesen aufhören willst. Und so ganz nebenbei erfährst du, wie und warum sich die Musik im Laufe der Zeit verändert hat. Du bekommst erklärt, was Kakophonie oder auch eine Pferdegeige ist, dass der junge Johann Sebastian Bach Notenpapier stahl, um heimlich eine Sammlung von Stücken des Komponisten Johann Pachelbel kopieren zu können, dass der kleine Mozart früher bei Trompetenmusik weinend davonlief, und der Kopf seiner Schwester Nannerl einfach auf einen anderen Körper aufgesetzt wurde. Dass Beethoven eher ein liederlicher Zeitgenosse als ein ordentlicher Hausherr war, dürfte dich vielleicht besonders interessieren.

Neben der wunderbaren Geschichtenwelt müssen aber auch die liebevollen Illustrationen von Hildegard Müller erwähnt werden. Ihre lustigen Bleistiftzeichnungen regen so manches Mal zum Schmunzeln an und heben die würdevollen Musikheroen von ihrem ehrfurchtsvollen Thron. In Hildegard Müllers allerliebsten Zeichnungen werden sie als Menschen "wie du und ich" wahrgenommen, und man schließt sie sofort ins Herz.

Fazit:
"Jeder weiß irgendwie, was Musik ist: ein Spiel mit Tönen, Klängen, Rhythmen. Aber wie Musik in die Welt gekommen ist, das wissen wir nicht so genau", stellt Rudolf Herfurtner in seinem klingenden Buch "Ohne Musik ist alles nichts" fest. Nach der Lektüre kann man mitreden und geht das Thema Musik wahrhaft sensibler an. "Ein Buch ist keine CD", stellt Herfurtner fest, " ... aber es kann auch einen Ton haben. Denn natürlich gibt sich ein Schriftsteller Mühe, dass seine Texte einen Klang bekommen, eine Melodie haben, einen Sprachrhythmus. Und er hofft, dass er ein Publikum findet, das dabei ähnlich angenehme oder aufregende Gefühle spürt wie in der Musik."
Dies kann ihm uneingeschränkt bestätigt werden.
Ein sehr empfehlenswertes Buch für Kinder ab 10 Jahren.

(Heike Geilen; 03/2008)


Rudolf Herfurtner: "Ohne Musik ist alles nichts. Geschichten über die Musik"
Illustriert von Hildegard Müller

Hanser Kinderbuch, 2008. 272 Seiten. (Ab 10 J.)
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