Der berühmteste Magier der deutschen Literatur des Mittelalters war wohl Klingsor. Eingeführt wird der Name Clinschor in Wolframs Parzival, der die Figur aus dem namenlosen und anders akzentuierten Zauberer in Chrétiens Conte de Graal entwickelt hat. Wolfram führt ihn im zehnten Buch ein und lässt ihn im dreizehnten verschwinden. Gawan entdeckt eine wunderbare Burg, an deren Fenstern 400 Frauen stehen, erst später erfahren wir, dass Clinschor der Landesherr ist (Pz. 548,3-10 f.). Gawan besteht die bekannten Abenteuer: das fahrende Bett, die selbsttätigen Steinschleudern und den Kampf mit dem Löwen. Diese Wunderwerke, als Tapferkeitsproben für ihn gedacht, stammen von Clinschor, genauso wie seine Wundersäule, von der aus man alles, was im Umkreis von sechs Meilen geschieht, beobachten kann (Pz. 590,5-14). Gawan entdeckt Orgeluse von der Säule aus und eilt zu ihr, die über Clinschor sagt:

Clinschore ist staeteteclîchen bî
der list von nigrômanzî,
daz er mit zouber twingen kan
beidiu wîb unde man (v. 617, 11-14).

Weiter erfährt man über den Burgherrn des Schastel marveile, dass dieser aus Terre de Lâbûr stamme (v. 656,14) und ein Nachkomme des Zauberers Virgil sei (v. 656,17). Zuerst lebte er als ein vorbildlicher Landesherr, bis er zu Iblis, der Gemahlin des Königs von Sizilien, in sündiger Liebe entflammte. Der König rächt sich für den Ehebruch, indem er Clinschor entmannt: "ze eim kapûn mit eim snite wart Clinschor gemachet" (v. 657,8-9).
Diese Schande versucht er auszugleichen, indem er sich dem Studium der magischen Künste widmet:

ein stat heizet Persidâ,
dâ êrste zouber wart erdâht.
dâ fuor er hin und hât dan brâht
daz er wol schaffet swaz er wil,
mit listen zouberlîchiu zil (v. 657,28-32).

Die misanthropische Seite des Clinschor betont auch der um 1270 entstandene Jüngere Titurel des Albrecht von Scharfenberg.

von dem nigromanticeoer in sin lant der vart betwungen waere:
'Zwelf tusent miner vrowen het er sich under wunden,
an manheit der verhowen, so daz er von der minne wart entbunden
durch spot der wibe und durch der manne schelten.
daz dolt er von in beiden. des wolt auch er sie hie nu lan engelten.
Er varet wan der liebe, die weiz er wol von kunste.
da wirt er zeinem diebe und verstilt die vrowen von urbunste,
wan er truc der minne grozen willen,
und siner minne mangel kund er mit anders nicht an im gestillen
(v. 2476,4-2478,4).

Doch die Verbitterung ist groß, deshalb vergönnt er auch anderen nicht mehr die Freuden des Lebens, erbaut Schastel marveile und setzt viele Frauen und Männer in Gefangenschaft, die er durch Zauber in Schach hält.
Die späteren Dichter wissen von diesen Eigenschaften nichts mehr, Klingsor wird zum Weisen, Meister der Sieben Freien Künste, Berater des Landgrafen von Thüringen und Astrologen, der die Geburt der heiligen Elisabeth voraussagt.
Eine Generation später stellt der Autor des Wartburgkrieges Klingsor im Rätselwettkampf seinem eigenen Erfinder Wolfram von Eschenbach gegenüber. Interessanterweise befragt Klingsor Wolfram meist über christliche Inhalte, die dieser auch alle zu lösen vermag. Am Ende des Rätselspieles ruft der Zauberer den Teufel Nasion auf, der astronomische Rätselfragen stellt. Wolfram kann sie nicht beantworten, setzt aber das Kreuzzeichen als Teufelsbann ein.

Das britische Gegenstück zu Klingsor, der Magier Merlin, hat mit diesem zwar vieles gemeinsam, die Figur bleibt aber trotz einiger Verdunkelungsversuche - immerhin ist er ein Sohn des Teufels - durchaus positiv besetzt. In der französischen und englischen Literatur nimmt er eine ähnlich zentrale Stellung ein wie König Artus. (...)


(Aus "Magie und Magier im Mittelalter" von Christa Tuczay.)