Spätsommer-Nachmittag
(in "Wie ich es sehe", Berlin 1896)
»Ich kann nur anziehen, nicht fesseln
- - -«, sagte sie.
Sie trug ein hellblaues weites Kleid mit weißen winzigen Pünktchen, einen braunen
Strohhut mit weißen Nelken - - -.
»Da oben ist ein schöner Waldweg - - -«, sagte er, »überall kleine Felder von
Disteln und lila Blumen und Birken, man geht schnurgerade, und unten schlägt
der Fluß weißen Schaum - -.«
Sie sah ihn an, wie wenn man sagt: »Da möchtest du mit mir sein und den Duft
meines Kleides atmen - - -!?«
Aber sie gingen nicht den schnurgeraden Weg mit den kleinen Lichtungen von Disteln,
lila Blumen und Birken,
sondern sie tranken Kaffee
en grande societé auf der feuchten Wiese an einem rotbraunen Tische und spielten
dann Federball - -.
Die Haare des jungen Mädchens
wurden feucht, und zarte Ringellöckchen schwebten an den Schläfen - -.
Sie war sehr schön - - -.
Es begann zu regnen - - -.
Die ungemähten Wiesen rochen stark wie Waldmeister im Mai. Die braunen Wege
begannen zu glänzen wie Glaserkitt. Die Kieselhaufen an der Straße wurden reingewaschen,
und die Pappeln
erzitterten und tranken Regen - - -.
Sie trug den schönen Strohhut mit den weißen Nelken
in der Hand, und er hielt den Schirm über ihre braunen Haare wie eine gute sorgsame
Mama -.
Dann gingen sie in das Klavierzimmer
des Casino.
Ein kahler dunkler Raum, der nach Keller roch - - -.
Der Bruder des Mädchens spielte Chopin,
Etüde As-Dur.
Es war wie See-Wellen, die singen, herangleiten und zerrinnen - - -.
Es wurde ganz dunkel.
Draußen an dem Fenster verneigten sich die Kastanienblätter vor den Windstößen,
und der Sturm machte. sch sch sch - -. In der Ferne schimmerte eine Glaslaterne
- -.
Drinnen glitt die As-Dur-Etüde heran, legte sich an die Herzen und zerrann -
- -.
Der Herr und die Dame rauchten - -.
Man sah nur die glühenden Spitzen der Zigaretten.
Er saß ganz nah bei ihr und bebte - - -.
»Tanzen wir - - -«, sagte sie.
Draußen verneigten sich die Kastanienblätter vor
den Windstößen, die Zigaretten leuchteten auf dem Fensterbrett, der Bruder spielte,
und die zwei tanzten im Dunkel langsam, lautlos dahin - - -.
Später sagte sie: »Wie heißt diese Etüde, die du da früher gespielt hast - -
-?!«
»Chopin As-Dur - -«, sagte der Klavierspieler. Dann fügte er hinzu: »Robert
Schumann sagt Wunderbares über dieselbe. Warum fragst du?!«
»Nur so - - -.«
Der junge Mann aber war wie in einer andern Welt - -. Er fühlte auch Wunderbares
über die As-Dur-Etüde, aber er konnte es nicht ausdrücken wie Schumann - - -.
Er sagte nur leise zu dem Mädchen: »Meine gütige Königin - - - - - -!«