Mit dem 1918 gegründeten Café Herrenhof entsteht dem altehrwürdigen
Central eine ernstzunehmende Konkurrenz. Vor allem die jüngeren
Literaten laufen in das neue, "revolutionäre" Kaffeehaus über. Zu denen,
die dem Central treu bleiben, zählt Peter Altenberg - schon deshalb, weil der
stets in Geldnöten befindliche Bohemien
dort "anschreiben" lassen kann oder andere Möglichkeiten findet, seine
Zeche zu begleichen. So bittet er eines Tages einen am Nebentisch
sitzenden Herrn um zwei Kronen, um sich eine Portion Reisfleisch leisten
zu können. Der Fremde gibt ihm das Geld, Altenberg setzt sich zu ihm und
bestellt das Reisfleisch. Als der Dichter
gegessen und bezahlt hat, wirft ihm der Spender vor: "Warum verlangen
Sie zwei Kronen von mir, Herr Altenberg, wenn Sie doch dem Ober nur 1,20
Kronen bezahlen müssen?"
"Na hören Sie", erwidert Altenberg, "haben Sie hier Extrapreise oder
ich?"
1919:
Der Schriftsteller und Bohemien Peter Altenberg - der im Wiener
Adressbuch unter "Altenberg, Peter, Wien I., Herrengasse, Café Central"
zu finden war, weil er nie eine Wohnung besaß - wohnte zeitlebens in
Hotels. Er war Wiens erster "Gesundheitsapostel" und lebte tatsächlich
nach strengen Diätvorschriften. Auch behauptete er von sich, "sogar in
der kältesten Nacht des Jahres bei offenem Fenster zu schlafen". Einmal
sagte ein Freund zu ihm: "Peter, ich bin gestern nacht am Grabenhotel
vorbeigegangen, aber dein Zimmerfenster war fest verschlossen."
"Na und", erwiderte Altenberg, "war gestern die kälteste Nacht des
Jahres?"
Er stirbt im Alter von 60 Jahren - wenn schon nicht in der kältesten, so
doch in der sehr kalten Winternacht vom 7. zum 8. Jänner 1919. Und die
Pädagogin Eugenie Schwarzwald schreibt über sein Begräbnis: "Das ganze
offizielle Wien fehlte wie ein Mann."
Aus
"Sie werden lachen, es ist
ernst. Eine humorvolle Bilanz unseres Jahrhunderts aus Österreich" von
Georg Markus.
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