Martin Demmler: "Robert Schumann. 'Ich hab' im Traum geweinet'"

Eine Biografie


Leben und Werk des großen Romantikers

Robert Schumann gehört zu den tragischen Persönlichkeiten der Musikgeschichte. Von Jugend an anfällig für Depressionen und Verlust- sowie Versagensängste, teils verkannt, teils wegen seines schwierigen Charakters in Ungnade gefallen, glich sein Leben einem ständigen Kampf. Die musikalischen Zeugnisse dieses Kampfes bereichern heute Konzertprogramme und Hausmusik und verkörpern in einmaliger Weise die deutsche Romantik. Schumanns Opus spiegelt aber auch die zahlreichen Höhen und Tiefen seines Lebens wider.

Der 1810 in Zwickau geborene, musikalisch sehr begabte Robert Schumann wird zu einem Jurastudium in Leipzig gezwungen, das er allerdings nie gründlich betreibt. Stattdessen versucht er, sich der Musik zu widmen, nimmt aber nur wenig und unregelmäßigen Unterricht, unter anderem bei Friedrich Wieck, seinem späteren Schwiegervater, der seine Tochter systematisch zu einem Wunderkind am Klavier heranbildet. Schon zu dieser Zeit ist Schumann sehr labil. Er ergibt sich der Trunksucht und zieht sich eine Syphilis zu, die man als mögliche Ursache seiner späteren Psychose ansieht. Nach einem vergeblichen Versuch, sein Jurastudium in Heidelberg zu intensivieren, kehrt er nach Leipzig zurück. Seine viel versprechende Karriere als Pianist endet, bevor sie recht angefangen hat, weil Schumann sich durch seine Übungspraxis den Mittelfinger ruiniert. Nun verstärkt er seine Kompositionstätigkeit; zugleich ist er Herausgeber einer Musikzeitschrift.
Als Schumann sich in Clara Wieck verliebt, ist sie noch ein halbes Kind. Es dauert Jahre, bis die beiden heiraten können, denn der Vater leistet Widerstand und muss durch ein Gerichtsverfahren zur Zustimmung gezwungen werden. Die Ehe verläuft nicht sonderlich glücklich. Clara, erfolgreiche Konzertpianistin, kann nicht ausreichend üben, weil sie häufig schwanger ist, oder weil Robert komponiert und nicht gestört werden darf. Und doch werden die Einkünfte aus ihren Konzerten zu Roberts Beschämung dringend benötigt. Obwohl viele von Schumanns Werken auf Zustimmung stoßen, bringt er es in Leipzig nicht weit - noch weniger in Dresden und Wien, wohin die Familie kurzzeitig übersiedelt. Ohne Felix Mendelssohn Bartholdys und zuweilen Franz Liszts Hilfe wäre die Lage noch problematischer.
Als Schumann 1850 eine unbefriedigende Stelle als Musikdirektor in Düsseldorf erhält, zeigt sich seine Psychose immer stärker. Es wird auch zunehmend deutlich, dass er nicht zum Dirigieren berufen ist. Seine Kompositionen verlieren an Niveau; es kommt ihm nun hauptsächlich auf gute Verkäuflichkeit an, woraus recht anspruchslose biedermeierliche Musik resultiert. Immerhin führt er den jungen Johannes Brahms in die Musikwelt ein. Möglicherweise fühlt sich der bisexuelle Schumann von Brahms ebenso angezogen wie dieser von der immer noch sehr attraktiven Clara Schumann: eine eigenartige Konstellation.
Nach einem Selbstmordversuch lässt sich Schumann 1854 in die Nervenklinik in Endenich einweisen. Er stirbt 1856.

Ein kurzer Abriss dieser bewegten Biografie kann Schumanns Lebens- und Leidensgeschichte, die zudem eng mit jener seiner Frau verwoben ist, nicht adäquat wiedergeben. Martin Demmler zeichnet sie detailliert und anhand von zahlreichen Originalquellen, vor allem Tagebucheintragungen und Briefen des Ehepaars Schumann selbst, sehr authentisch nach. Insbesondere aber stellt er das Schaffen Schumanns in den biografischen Kontext, indem er eine Beschreibung der Werke, vom Textfluss erkenntlich abgesetzt, in die Nacherzählung von Schumanns Leben einfügt. Der Autor liefert nicht nur eine fachkundige formale Analyse der einzelnen Kompositionen und Zyklen, sondern er zeigt auf, wo und mit welchen Interpreten jeweils die Uraufführung stattfand, woher die Anregungen dazu stammten, wie die Stücke in Bezug auf Schumanns persönlichen Hintergrund zu interpretieren, ins Gesamtwerk einzuordnen und zu werten sind, und welchen Erfolg sie unmittelbar und zu späterer Zeit hatten. Der Anhang enthält nebst einem Literaturverzeichnis das Werkverzeichnis mit den zugehörigen Jahreszahlen, sodass man einzelne Werke recht unkompliziert "nachschlagen" kann; noch komfortabler wäre das Buch zu handhaben, wenn es zusätzlich die entsprechenden Seitenzahlen gäbe.
In der Buchmitte findet man einige Fotos von Robert und Clara Schumann und einigen der bedeutenden Persönlichkeiten ihres Umfelds, Fotos und Bilder der Häuser und Orte, in denen die Schumanns lebten, und Abbildungen von Schumanns "Zeitschrift für Musik" sowie Abbildungen von Titelblättern der Druckausgaben und Manuskriptseiten einiger bedeutender Schumann-Werke.
Dem Autor gelingt es somit, nicht nur den großen Romantiker Schumann packend und sehr authentisch zu porträtieren, sondern auch einen umfassenden und durchaus detaillierten, dabei jedoch kritischen Überblick über sein Werk zu geben. Das Buch ist ein Schatzkästchen für Liebhaber der romantischen Musik und offenbart, wie unheimlich nahe Genie und Wahnsinn im Falle Schumann beieinander lagen.

(Regina Károlyi; 10/2006)


Martin Demmler: "Robert Schumann. 'Ich hab' im Traum geweinet'"
Reclam Leipzig, 2006. 283 Seiten.
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