Christiane Kunst: "Livia"
Macht und Intrigen am Hof des Augustus
Skrupellose
Mörderin oder
vorbildliche Ehefrau und Mutter?
Livia, Ehefrau des Augustus und Mutter seines Nachfolgers Tiberius, war
über fünfzig
Jahre lang mit dem zu seiner Zeit mächtigsten Mann des
römischen Imperiums
verheiratet: auch zu jener Zeit eine bemerkenswerte Ehedauer, nicht nur
wegen
der wesentlich geringeren Lebenserwartung im Vergleich zu der unsrigen.
Diese erstaunliche Frau war von Anfang an unter Historikern umstritten,
weil sie
mehrere teils widersprüchliche Rollen auszufüllen
hatte und dies auch mit
intensivem Einsatz tat. Als Mutter setzte sie sich für die
Belange ihrer Kinder
ein und überwachte die Erziehung von Stief- und
Adoptivkindern, als Gattin des
Herrschers übernahm sie ihr zustehende Aufgaben bei der
Repräsentation und als
Patronin, vielmehr Matronin. Dass sie sich zudem in die Politik
einmischte,
indem sie Ehemann und Sohn beeinflusste, ist ebenfalls unbestritten.
Viele Historiker gingen und gehen davon aus, dass Livia eine
skrupellose Mörderin
war, wenn es darum ging, die Ansprüche ihrer leiblichen
Söhne auf die Kaiserwürde
durchzusetzen. Wie dieses Buch aufzeigt, kann man sie nur für
den Mord an
Agrippa Postumus eindeutig verantwortlich machen. Andere Historiker
sehen vor
allem die hingebungsvolle Mutter in ihr.
Christiane Kunst hat ein differenziertes, an Originalquellen
orientiertes Porträt
dieser erstaunlichen Frauenpersönlichkeit verfasst. Weitgehend
orientiert sie
sich dabei an der Chronologie von Livias Leben, wobei sie bereits bei
deren
Abstammung ansetzt. In den einzelnen Abschnitten kann der Leser nicht
nur die
Weiterentwicklung von Livias Leben und ihren Umgang mit ihrer Rolle im
Zentrum
der eigentlich männlich
dominierten Macht beobachten,
sondern er wird auch mit der Rolle der römisch-antiken Frau
gegen Ende der
Republik vertraut gemacht, die vor allem von Livia reformiert wurde.
Das Buch
verbindet also biografische
und kulturhistorische Elemente miteinander - und es
enthält selbstverständlich
einen Abriss der Geschichte von Caesars Tod bis in die Herrschaft des
Claudius
hinein.
Der Triumvir Octavian, später Augustus, spannte die
hochschwangere Livia
gewissermaßen ihrem ersten Ehemann aus und führte
fortan eine kinderlose Ehe
mit ihr. In ihrer Zeit an der Seite des Triumvir verhielt sie sich
unauffällig;
ihr werden von der Autorin die anderen Frauen in der Umgebung der
Triumvirn
gegenübergestellt. Als Frau des Princeps trat Livia immer mehr
ins Licht der Öffentlichkeit
und erhielt etliche Ehrungen. Hier weiß die Autorin auch die
sehr
unterschiedliche Wahrnehmung einer Herrscherin im hellenistisch
geprägten Osten
des Reichs und im konservativen Westen darzustellen.
Wie Livia in der Nachfolgerfrage mitwirkte und schließlich
ihren Sohn Tiberius
geschickt zu positionieren wusste, ist Gegenstand eines recht
spannenden
Kapitels. Weiterhin konnte Livia auch mit dem Tod ihres Mannes umgehen
und
etablierte sich nach dessen Vergöttlichung als seine
Priesterin. Die Autorin
vollzieht ebenfalls sehr anschaulich nach, wie Livia zur Augusta
avancierte, wie
sich die komplizierte Machtaufteilung zwischen Tiberius und Livia
gestaltete,
und wie manche Konflikte, etwa jener um den Kommandanten der
Prätorianergarde,
Seian, auch von ihr recht brachial gelöst wurden.
In den letzten Kapiteln untersucht die Autorin Livias
Vermögensverhältnisse,
die natürlich einen Rückschluss auf ihre
Unabhängigkeit zulassen, und Livias
Weg zur Göttin. Hierbei spielt ihr Enkel Claudius eine
bedeutende Rolle, der körperlich
beeinträchtigte Stotterer, der nur deshalb die
familieninternen "Säuberungen"
überlebt hatte, weil man ihn schlichtweg übersehen
hatte.
Die Autorin verbindet trefflich den biografischen mit dem kultur- und
dem
polithistorischen Aspekt. Sie geht den unterschiedlichen Auffassungen
über
Livias Rolle und Charakter nach und lässt
selbstverständlich nur belegbare
Aussagen gelten, sodass sich Livia in ihrem Buch nicht als skrupellose
Mörderin
etabliert, der es um die Ausschaltung sämtlicher
möglicher Konkurrenten ihres
Sohnes Tiberius auf den Kaiserthron geht. Andererseits macht sich die
Autorin
auch nicht zur Anwältin der Livia. Wie bereits
erwähnt, zählen in diesem Buch
vor allem die vertrauenswürdigen Quellen.
Herauszuheben sind zudem die hochinteressanten Untersuchungen zur Rolle
der Frau
im römischen Adel ab der Zeit Caesars und deren neuartige
Prägung durch Livia,
die sich in den Vordergrund zu spielen wusste und dabei Skandale
vermied. Denn
nicht selten kam es vor, dass eine Patrizierin, ob berechtigt oder als
Vorwand,
des Ehebruchs bezichtigt wurde, damit man sie verbannen und loswerden
konnte.
Hierzu gehören auch Augustus' eigene Tochter Iulia und deren
gleichnamige
Tochter, die mit aller Härte bestraft wurden.
Als praktisch erweist sich der Familienstammbaum ganz vorne und hinten
im Buch,
der die Verflechtung der Iulier und Claudier nachvollziehbar macht.
Dieses Buch hat dem geschichtlich Interessierten viel zu bieten: die
Biografie
einer herausragenden antiken Frauenpersönlichkeit, eine Studie
zur Rolle der
adligen Frau zwischen Republik und Kaisertum und einen Abriss der
gewaltigen
politischen Umwälzungen nach Caesars Tod.
Es ist bei aller Sachlichkeit sehr angenehm zu lesen, gerade auch
für
interessierte Laien. Eine Fülle an Literaturangaben und die im
Mittelteil
enthaltenen zahlreichen Abbildungen ergänzen den Text
vorzüglich.
(Regina Károlyi; 04/2008)
Christiane
Kunst: "Livia. Macht und Intrigen am Hof des Augustus"
Klett-Cotta, 2008. 352 Seiten.
Buch
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Christiane Kunst lehrt seit 1995 Alte Geschichte an der Universität Potsdam. Sie hat zahlreiche Veröffentlichungen zur Kulturgeschichte der Antike vorgelegt.
Noch
ein Buchtipp:
Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Hrsg.): "Die Kaiserinnen
Roms. Von
Livia bis Theodora"
Viele der Kaiserinnen Roms ließen sich nicht auf die Rolle
der "Frau an
seiner Seite" reduzieren. Unter ihnen finden sich sehr unterschiedliche
und
eigenwillige Persönlichkeiten, deren Charaktere das Spektrum
zwischen den
Extremen strenger Matronen, machtbewusster "Staatsfrauen" sowie - will
man den Quellen glauben - ausschweifender
Nymphomaninnen und
christlicher Büßerinnen
abdecken.
Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum und ihre Mitautoren geben
sich hier nicht
mit den bisweilen wohlfeilen Klischees der Überlieferung
zufrieden, sondern
rekonstruieren die gesellschaftlichen und politischen
Existenzbedingungen ihrer
Protagonistinnen. Dabei gehen sie zugleich den Absichten derer auf den
Grund,
die das Bild der jeweiligen Herrscherin in der Geschichte gestaltet
haben. Denn
natürlich war deren Darstellung von Interessen geleitet -
konnte doch
beispielsweise ein unliebsamer Kaiser sehr bequem über den an
seine Frau
gerichteten Tadel, sich ehebrecherisch oder machtgierig zu verhalten,
diskreditiert werden. Und ebenso schmückte man die Gattin
eines "guten"
Herrschers nur allzu bereitwillig mit positiv bewerteten
Fraueneigenschaften.
Dieses reich bebilderte und allgemeinverständliche Werk
erschließt erstmals über
fünfhundert Jahre römischer Geschichte aus dem
Blickwinkel der Herrscherinnen.
(C.H. Beck)
Buch
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Leseprobe:
Erziehung der Livia
Was brachte eine Frau wie Livia
mit in die Ehe? Sie wird eine für ihre Herkunft
adäquate Ausbildung erhalten
haben. Was ihre geistigen Fähigkeiten anlangt, beschreibt
Philo von Alexandrien
sie in einer Rede, die angeblich von einer jüdischen
Delegation vor dem Kaiser
Caligula gehalten wurde, als äußerst
scharfsinnig
und in der Lage, wie ein
Mann intellektuelle Konzepte zu erfassen. Er führt dies teils
auf eine natürliche
Anlage zurück, teils auf eine gute Erziehung, die sie
befähigte, ihren Geist
stets weiter zu entwickeln.
Ob ein Römer angesichts des in der Elite
verbreiteten Ressentiments gegen griechischphilosophisches Denken diese
Qualität
genauso geschätzt hätte, bleibt dahingestellt. Sicher
ist, daß Livia sich
zumindest in fortgeschrittenem Alter - wie auch andere Frauen - der
Philosophie
zuwandte.
Zu einer guten römischen
Erziehung gehörte bei Jungen wie Mädchen eine solide
zweisprachige Ausbildung
in Latein und Griechisch. Livias Jugend war zudem eine Zeit des
Umbruchs, in der
das Thema Mädchenbildung heftig diskutiert wurde. Unter dem
Einfluß der
Stoiker kam dabei die Frage auf, ob es nicht angemessener sei, den
Mädchen mehr
Bildung angedeihen zu lassen, um sie damit auch stärker in die
Verantwortung für
die eigene Tugend zu nehmen. Da die Mädchen der Elite
früh heirateten, was
ihre Ausbildung verkürzte, entwickelte sich
allmählich ein Konzept, den
Unterricht im Hause des älteren Ehemanns fortzusetzen, der
damit erzieherische
Funktionen zugewiesen bekam.
Noch waren diese Ideen nicht ausgereift, aber
Bildung wurde zunehmend als Teil der Domestizierung des Weiblichen
verstanden: Die
Frau an sich ist unvernünftig und, falls man ihr keine
Kenntnisse vermittelt
und nicht viel Bildung zukommen läßt, ein wildes
Tier, maßlos in seinen
Begierden, behauptete Seneca gut 100 Jahre später.
Ansonsten setzte man
auf Überwachung. So wurden die Mädchen auf Schritt
und Tritt von jemandem
begleitet. Selbst innerhalb des Hauses waren sie nie allein. Man
ließ sie so
gut wie gar nicht aus den Augen, um ihnen für die erste Ehe
die Jungfräulichkeit
zu erhalten. Keuschheit war das oberste Gebot für eine
Ehefrau, denn eine
Gesellschaft, der die Möglichkeit fehlt, die Vaterschaft zu
überprüfen, lebt
in beständiger Sorge, untergeschobene Kinder aufzuziehen.
Solange die Mädchen unverheiratet waren, trugen sie in der
Öffentlichkeit ihren Kopf unverschleiert,
damit jeder sehen konnte, daß sie zu haben waren. Schon
früh wurden sie in der
Wollarbeit im Spinnen und Weben unterrichtet, was zu ihren wichtigsten
Haushaltsobliegenheiten gehörte. Sie sollten selbst
prestigeträchtige Gegenstände
aus Wolle fertigen können, aber auch die Sklavinnen bei dieser
Arbeit anleiten,
beaufsichtigen und ihnen die Wollmenge, das pensum,
zuteilen.
Diese
Lebenswelt eröffnete sich für die Mädchen
auch im Spiel, indem man sie von
klein auf mit hochwertigen Stoffen hantieren ließ.
Das
Spiel nahm ohnehin die
Lebensrollen vorweg, wie ein Gedicht zeigt, das die 19jährige
griechische
Dichterin Erinna zum Andenken an ihre Freundin Baucis im 4. Jahrhundert
v. Chr.
verfaßt hat: Als wir kleine Mädchen waren,
klammerten wir uns in unseren
Zimmern heftig an unsere Puppen und spielten sorglos junge
Mütter.
Archäologische
Grabungen haben Puppen aus unterschiedlichen Materialien ans Licht
gebracht, zum
Teil mit beweglichen Gliedmaßen. Aber auch
Puppenausstattungen mit Möbeln und
Geschirr kennen wir. Ein anderes Mal beschreibt Erinna ein Spiel mit
Namen
"Chelichelone",
das Schildkrötenspiel - eine Mischung aus "Häschen in
der Grube" und
"Wer
fürchtet sich vorm fremden Mann". Ein Mädchen sitzt
im Kreis, die anderen
laufen um sie herum und fragen Chelichelone: Was machst du da
in der Mitte? Die
Spielerin antwortet: Ich mache Knäuel aus Wolle und
Mileter Seide. Darauf
die anderen: Und woran ist dein Sohn gestorben? Das
Mädchen antwortet: Er
ist gestorben, weil er von seinen weißen Pferden herunter ins
Meer gesprungen
ist. Sie springt auf und versucht, eines der
Mädchen zu fangen mit dem Ruf:
Hab' ich Dich.
In diesem Spiel wird einerseits
die weibliche Welt der Textilarbeit und der Mutterschaft
vorweggenommen,
andererseits aber auch die dem Weiblichen zugeschriebene
Unberechenbarkeit zum
Thema. Diese dunkle Seite der Frau ist vielleicht am besten in der
Gestalt
der
Medeia verkörpert, die ihr Hauswesen in den
Untergang
führt. Aber es gab auch
Spiele ohne gesellschaftlichen oder mythischen Hintergrund, wie das
Schaukeln
oder das Reifen- und Kreiseltreiben. Zahlreiche Abbildungen zeigen
Mädchen, die
sich mit dem Nuß- und Knöchelspiel die Zeit
vertreiben oder sich mit
Haustieren wie Vögel oder Katzen amüsieren (Abb. 7).
Anders als bei den Jungen fand
der Unterricht für die Mädchen der Oberschicht nach
der Elementarschule
weiterhin im elterlichen Hause statt.
Ciceros Freund Atticus beschäftigte für
seine Tochter Caecilia einen Sklaven als paedagogus für
den
Anfangsunterricht und einen freigelassenen grammaticus für
die zweite
Schulstufe. Mädchen aus einfachen Verhältnissen
besuchten zusammen mit ihren
Brüdern die Elementarschule im öffentlichen Raum -
etwa am Forum -, wo
ihnen Lesen, Schreiben und Rechnen vermittelt wurde. Die
Aristokratinnen lernten
Griechisch, erhielten mitunter sogar rhetorische und philosophische
Unterweisung, wurden aber in jedem Fall mit der lateinischen wie auch
der
griechischen Dichtkunst vertraut gemacht.
Schließlich wollte man in ihnen
angenehme, geistreiche Gesprächspartner - Frauen, die
zuhörten, aber auch
einen sachgerechten Rat erteilen konnten. Zumindest bei
Abendeinladungen hatten
sie zur geselligen Unterhaltung der Gäste beizutragen und
sollten bei der
Erziehung der Kinder mit ihrer Sprechweise Vorbild sein. Livias
Zeitgenosse
Cicero
(Brut. 210 f.) führt dazu aus:
Es ist aber sehr wichtig, wen
man täglich zu Hause hört, mit wem man von klein auf
redet, wie die Väter,
Erzieher und auch die Mütter sprechen. Wir lesen die Briefe
der Cornelia, der
Gracchen-Mutter: Offensichtlich sind die Söhne weniger auf dem
Schoß der
Mutter als in ihrer Sprache aufgewachsen. Ich habe oft gehört,
wie sich Laelia,
die Tochter des Laelius, ausdrückte. Ich habe also gesehen,
wie sie von der
Eleganz ihres Vaters beeinflußt war; desgleichen ihre beiden
Töchter namens
Mucia, deren Ausdrucksweise mir bekannt war, und ihre Enkelinnen namens
Licinia,
die ich beide habe reden hören.
Im Idealfall kümmerte sich die
Mutter um die frühe Erziehung der Kinder, oft wurde auch eine
ältere Verwandte
des Vaters - seine verwitwete Mutter oder Schwester - mit dieser
Aufgabe
betraut.
Da die Männer häufig abwesend
waren, mußten die Ehefrauen auch in der Lage sein, viele
wichtige ökonomische
Entscheidungen zu treffen. Ohnehin führten sie den Haushalt
weitgehend selbständig,
teilten dem Personal die Arbeit zu, überwachten die
Ausführung und überprüften
die vorgelegten Rechnungen. Das setzte voraus, daß sie nicht
nur Rechnungsführung
beherrschten, sondern auch planen und organisieren konnten. In der
Bildkunst hat
sich das sehr treffend niedergeschlagen: Die Männer werden als
weltläufig und
gebildet mit der Buchrolle abgebildet, ihre Frauen aber mit der
Schreibtafel,
auf der die Haushaltsangelegenheiten, Mitteilungen und Abrechnungen
niedergelegt
sind (Abb. 32).
Auf den Grabschriften
für
Frauen wird immer wieder Sparsamkeit als eine der häuslichen
Tugenden der Frau
genannt, und selbst in aristokratischen Kreisen achtete eine gute
Ehefrau
offensichtlich darauf, daß der Mann auch im Rahmen seiner
finanziellen Möglichkeiten
blieb. Die allseits gelobte Mutter des Antonius versuchte zumindest die
Großzügigkeit
ihres Mannes gelegentlich im Zaum zu halten.
Neben der Vorbereitung auf die
Hausfrauenpflichten stand die Ausbildung in Musik und Tanz; diese
Fähigkeiten
waren im wesentlichen dazu bestimmt den Ehemann und seine
Gäste zu unterhalten.
Eine gebildete Frau hatte eine geschulte Stimme, beherrschte ein
Musikinstrument und Grundlagen der Komposition, um Texte zu vertonen.
Von der
adligen Sempronia sagt Sallust (Cat. 25): Die Frau war in
Herkunft und Schönheit,
dazu in Mann und Kindern recht vom Glück begünstigt;
sie war in griechischer
und lateinischer Bildung unterrichtet, musizierte und tanzte besser,
als es für
eine anständige Frau nötig ist. Cornelia,
die letzte Ehefrau des Pompeius,
galt als besonders anziehend, weil sie belesen war, Lyra spielte und
sich in
Geometrie und Philosophie bewandert zeigte.
Die Frauen verwalteten neben den
Vorräten auch die Arzneien des Hauses. Harmlosere Krankheiten
kurierten sie
selbst. Das setzt ein tradiertes Wissen voraus; es wurde vermutlich
über die
Mutter und andere weibliche Verwandte erworben.
Wie bei den Jungen bestand ein
guter Teil der Ausbildung in Gymnastik und Körperschulung. Bei
den Mädchen
legte man Wert auf einen grazilen Gang.
Ein stadtrömisches Grabepigramm aus
dem 2. Jahrhundert v. Chr. verweist auf diese Tugend für eine
ehrbare römische
Ehefrau, die ihre Pflichten gegenüber ihrem Mann vorbildlich
erfüllte:
Fremder,
was ich zu sagen habe,
ist kurz, bleib stehn und lies. Dieses Grab ist nicht schön,
aber für eine schöne
Frau. Die Eltern gaben ihr den Namen Claudia. Sie liebte ihren Mann von
ganzem
Herzen. Sie gebar zwei Kinder, von denen sie eins in der Erde begrub,
das andere
über der Erde ließ. Ihre Rede war heiter, dann auch
ihr Gang gefällig. Sie hütete
das Haus, arbeitete an ihrer Wolle. Ich habe meine Rede beendet. Du
magst gehen.
Nicht Schönheit war das Ziel
der körperlichen Formung, vielmehr sollten Botschaften
über Charakter und
gesellschaftlichen Rang sichtbar in den Körper eingeschrieben
werden. Claudias
Gang war commodus (gefällig), ein Wort,
das auch zur Kennzeichnung eines
"umgänglichen" Menschen diente. In Claudias Gang offenbarte
sich neben Anmut
ihr umgänglicher Charakter. Gleiches gilt für
Claudias heitere Redeweise, die
das liebenswürdige Wesen der Frau zum Ausdruck brachte. Es
spielt dabei keine
Rolle, ob die Tote tatsächlich diesem Ideal entsprach, wichtig
ist nur, daß
uns hier eine soziale Norm vorgeführt wird. Eine andere
Ehefrau, Glypte, wird
auf ihrem Grabmal ähnlich beschrieben: nicht ohne
Fröhlichkeit (laetitia)
war ihre Rede.
Die geformte Schönheit war geschlechtsspezifisch
definiert. Für die Frau wurde sie durch körperliche
Anmut (venustas),
für den Mann durch körperliche Würde (dignitas)
zum Ausdruck gebracht.
Dennoch standen Ernst (gravitas) und
Schönheit (pulchritudo) durchaus
nebeneinander.
Während man am Mädchen den Charme (suavitas)
und
seine scheue Zurückhaltung (verecundia) schätzte,
sollte die römische
Matrone wie ihr Ehemann Würde (gravitas) ausstrahlen.
Der alten Dame
gestand man darüber hinaus noch Klugheit (prudentia)
zu.
Körperliche
Formung setzte mit den Wickeltechniken bei den Säuglingen ein.
In den ersten 40
Tagen hat man sie mehr bandagiert als gewickelt, um ihren
Körper dem ästhetischen
Ideal anzunähern. Rechtshändigkeit war ebenso von
Bedeutung wie ein möglichst
gerader Körper. Eine zum Teil schmerzhafte Prozedur bedeutete
die Massage nach
dem Bad, bei der man das Kind zuerst mit den Füßen
nach oben an den Knöcheln
faßte, um den Rücken zu stärken.
Anschließend folgte die Massage, die den
kleinen Körper in die gewünschte Form brachte. Der
Fuß sollte vorn breit und
in der Mitte schmal wirken. Die ideale Kopfform war ein
Rundschädel, wie er uns
auf vielen Porträtplastiken der Römer begegnet.
Hierzu drückte die Kinderfrau
die eine Hand gegen die Stirn, während die andere Hand
entgegengesetzt auf den
Nacken Druck ausübte. Auch die Nase hat man besonders
sorgfältig behandelt,
damit sie schön gebogen war. Der in Rom praktizierende
griechische Arzt Soran
(1,36,103) gibt dazu folgende Anweisung:
Mit beiden Daumen werden die
Augen ausgerieben und wird die Nase geformt, indem man sie bei solchen,
welche
eine Stumpfnase haben, hebt, dagegen bei denen, welche eine
Habichtsnase
besitzen, drückt. Dabei soll man aber bei denen, welche eine
Habichtsnase
haben, diese nicht an dem Punkte der Erhöhung
zurückdrücken, sondern man muß
die Nasenflügel im Verhältnis zu der nach vorn
neigenden Nasenspitze vorziehen
und emporrichten.
Während die beschriebenen Körpermerkmale
für beide Geschlechter angestrebt wurden, gab es auch eine
geschlechtsspezifische Formungspraxis. Bei den kleinen Mädchen
versuchte man
durch festes Einschnüren der Brust dafür zu sorgen,
daß sie möglichst schmächtig
wirkten und ihre Hüften hervortraten. Ihre
Gebärfähigkeit wurde also
verbildlicht bei gleichzeitiger Bewahrung ihrer
Mädchenhaftigkeit. Möglichst
helle Haut galt bei Frauen als anziehend, der man mit Auftragen von
(giftigem)
Bleiweiß nachhalf. Junge Männer dagegen brauchten
ein möglichst gerötetes
Gesicht - eine gesunde Hautfarbe -, die man mit Übungen zu
erreichen
suchte, aber vermutlich auch mit Kosmetik. Plinius der Jüngere
(epist. 1,14,8)
preist einen potentiellen Heiratskandidaten mit den Worten an: Er
besitzt ein
offenes Gesicht, stark durchblutet, tiefrote Wangen,
natürliche Schönheit in
seiner ganzen Erscheinung und gewissermaßen senatorischen
Anstand. Ein
blasses männliches Gesicht galt dagegen als Ausdruck eines
wirren Geistes.
Die kleinen Mädchen wurden
bereits beträchtlich herausgeputzt. Man durchstach ihre
Ohrläppchen, gab
ihnen Schmuck und begann sie zu schminken.
Freundlichkeit, Duldsamkeit und
Loyalität, häufig als Gehorsam bezeichnet, sollten
die Ehefrauen aufbringen.
Das galt später auch für die Frauen der
Herrscherfamilie. Der verstorbenen
Nichte des Kaisers
Traian, Matidia, wird in der Leichenrede Liebenswürdigkeit,
Ernst, Schönheit, Sittenreinheit, Gehorsam, Duldsamkeit,
Hingabe und
Bescheidenheit (comitas, gravitas, pulchritudo, castitas,
obsequium,
indulgentia, pietas, modestia) zugeschrieben.
Dreh- und Angelpunkt weiblichen
Lebens sollte die Fürsorge für den Ehemann sein.
Einen anderen Lebensentwurf
als Ehefrau und Mutter gab es für die Mädchen nicht.
Livias Lebensweg verrät
eine starke Verinnerlichung dieser Werte. Wie weit das der
Realität entsprach,
werden wir noch sehen. Fest steht zumindest, daß ihr Leben
als Verkörperung
des Frauenideals gepriesen wurde. (...)