Helga Bansch: "Ein schräger Vogel"

Eine parabelhafte Geschichte zum Thema Anderssein


Dieses Bilderbuch von Helga Bansch ist preisverdächtig. Schon mit dem Kinder- und Jugendliteraturpreis des Landes Steiermark ausgezeichnet, ist es meines Erachtens ein würdiger Kandidat für einen namhaften Kinderbuchpreis in Deutschland.

"Ein schräger Vogel" erzählt die Geschichte eines Raben, der anders ist, eines Raben, der auch bewusst anders sein will und sich auch durch Diskriminierung seiner Artgenossen nicht davon abbringen lässt.
Er wächst auf bei Rabeneltern, die ihm, entgegen der landläufigen Meinung, sehr gute Eltern sind. Regelmäßige Mahlzeiten, ordentliche Körperpflege und intellektuelle Ansprache durch das Vorlesen von Geschichten zeichnen ihren Erziehungsstil aus, und so versuchen sie Robert, so heißt der Rabe, alles zu geben und zu zeigen, was ein Rabe können und haben muss. Robert ist ein fröhlicher Rabe. Durch seine gesamte Kinder- und Jugendzeit hindurch zieht sich sein Bemühen, den Anderen zeigen zu wollen, wie schön das Leben ist. Er singt, erzählt Witze, und er kleidet sich für sein Leben gerne möglichst bunt.

Das fällt auf, und irgendwann nervt es die anderen Raben, die schwarz für die einzig schöne Farbe der Welt halten und den bunten und lustigen, ja schrägen Robert einfach nicht mehr ertragen können. Er passt nicht in ihre Welt, er stört und verstört sie. Deshalb verstoßen sie ihn eines Tages, ohne dass seine Eltern eingreifen (könnten). Weinend verabschieden sie sich von Robert, und der geht in die weite Welt, wo er mit seinem Gesang zunächst die gesamte Singvogelwelt begeistert. Robert reist durch die Lande, singt, tanzt, erzählt ... er ist glücklich.

Ganz im Gegensatz zu der Gesellschaft der schwarz gewandeten Trauerklöße zu Hause. Je länger Robert fort ist, desto mehr merken sie, dass das Vogelleben ohne ihn ganz schön langweilig ist.
Da erscheint eines Tages während eines Rabenkonzerts ein bunter Rabe ... ist etwa Robert zurückgekehrt?

"Ein schräger Vogel" ist zauberhaftes Bilderbuch über den Mut zur Individualität, den Zwang zum Konformen und darüber, wie das Bunte über das Schwarze siegt, die Lebenslust über den Lebensfrust, das Spontane über die strenge Ordnung, die Fantasie über die Disziplin.
Obwohl dies bei der Entstehung vielleicht gar nicht beabsichtigt war: homosexuelle Menschen werden dieses Buch lieben. Aber auch anderen Nebengängern, Außenseitern, Anderstönern und Buntmenschen ab vier Jahren wird dieses Buch eine große Freude sein. Wie gesagt: absolut preisverdächtig.

(Winfried Stanzick; 10/2007)


Helga Bansch: "Ein schräger Vogel"
Beltz & Gelberg, 2007. 32 Seiten. (Ab 4 J.)
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