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Die Bürgersleute nötigten den ganz verstörten Pepusch, in die Stube zu treten und mit ihnen eine Flasche echten Nierensteiner zu trinken. Pepusch ließ sich das gefallen und schien auch den edlen Wein mit Lust und Appetit hinunterzuschlürfen, wiewohl er ganz stumm und starr dasaß und auf alles Zureden kein Wörtchen erwiderte. Endlich erheiterten sich seine Züge, und er sprach ganz leutselig: »ihr tatet gut, ihr lieben Leute und freundlichen Kumpane, daß ihr mich abhieltet, diese Elenden, die sich in meiner Gewalt befanden, auf der Stelle zu töten. Aber ihr wißt nicht, was für bedrohliche Geschöpfe sich hinter diesen wunderlichen Masken versteckt hatten.« -
Pepusch hielt inne, und man kann denken, mit welcher gespannten Neugier die Bürgersleute aufhorchten, was nun Pepusch entdecken würde. Auch der Wirt hatte sich genähert, und alle drei, die Bürgersleute und der Wirt, steckten nun, indem sie sich mit übereinandergeschlagenen Armen über den Tisch lehnten, die Köpfe dicht zusammen und hielten den Atem an, daß ja kein Laut aus Pepuschens Munde verloren gehen möge.
»Seht«, sprach Herr George Pepusch weiter, ganz leise und feierlich, »seht, ihr guten Männer, der, den ihr den Ballettmeister Legénie nennt, ist kein anderer als der böse, ungeschickte Genius Thetel, der, den ihr für den Douanier Egel haltet, ist aber der abscheuliche Blutsauger, der häßliche Egelprinz. Beide sind in die Prinzessin Gamaheh, die, wie es euch bekannt sein wird, die schöne herrliche Tochter des mächtigen Königs Sekakis ist, verliebt und sind hier, um sie der Distel Zeherit abspenstig zu machen. Das ist nun die albernste Torheit, die nur in einem dummen Gehirn hausen kann, denn außer der Distel Zeherit gibt es in der ganzen Welt nur noch ein einziges Wesen, dem die schöne Gamaheh angehören darf, und dieses Wesen wird vielleicht auch ganz vergeblich in den Kampf treten mit der Distel Zeherit. Denn bald blühet die Distel
um Mitternacht auf in voller Pracht und Kraft, und in dem Liebestod dämmert die Morgenröte des höhern Lebens. - Ich selbst bin aber die Distel Zeherit, und eben daher könnet ihr mir's nicht verdenken, ihr guten Leute, wenn ich ergrimmt bin auf jene Verräter und mir überhaupt die ganze Geschichte gar sehr zu Herzen nehme.« Die Leute rissen die Augen auf und glotzten den Pepusch sprachlos an mit offnem Munde. Sie waren, wie man zu sagen pflegt, aus den Wolken gefallen, und der Kopf dröhnte ihnen vom jähen Sturz.
Pepusch stürzte einen großen Römer Wein hinunter und sprach dann, sich zum Wirt wendend: »Ja ja, Herr Wirt, bald werdet Ihr's erleben, bald blühe ich als Cactus grandiflorus, und in der ganzen Gegend wird es unmenschlich nach der schönsten Vanille riechen; Ihr könnet mir das glauben.«
Der Wirt konnte nichts herausbringen als ein dummes: »Ei, das wäre der Tausend!« Die andern beiden Männer warfen sich aber bedenkliche Blicke zu, und einer sprach, indem er Georges Hand faßte, mit zweideutigem Lächeln: »Sie scheinen etwas in Unruhe geraten zu sein, lieber Herr Pepusch, wie wär es, wenn Sie ein Gläschen Wasser - «
»Keinen Tropfen«, unterbrach Pepusch den gutgemeinten Rat, »keinen Tropfen; hat man jemals Wasser in siedendes Öl gegossen, ohne die
Wut der Flammen zu reizen?.
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(aus "Meister Floh" von E.T.A. Hoffmann)