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So kam es denn, daß der heilige Antonius einmal in der
Abenddämmerung eine finstere Gestalt wahrnahm, die auf ihn zuschritt. In
der Nähe erblickte er zu seinem Erstaunen, daß aus den Löchern des
zerrissenen Mantels, den die Gestalt trug, Flaschenhälse hervorguckten.
Es war der Widersacher, der in diesem seltsamen Aufzuge ihn höhnisch
anlächelte und frug, ob er nicht von den Elixieren, die er in den
Flaschen bei sich trüge, zu kosten begehre. Der heilige Antonius, den
diese Zumutung nicht einmal verdrießen konnte, weil der Widersacher,
ohnmächtig und kraftlos geworden, nicht mehr imstande war, sich auf
irgendeinen Kampf einzulassen und sich daher auf höhnende Reden
beschränken mußte, frug ihn, warum er denn so viele Flaschen und auf
solche besondere Weise bei sich trüge. Da antwortete der Widersacher:
,Siehe, wenn mir ein Mensch begegnet, so schaut er mich verwundert an
und kann es nicht lassen, nach meinen Getränken zu fragen und zu kosten
aus Lüsternheit. Unter so vielen findet er ja wohl eins, was ihm recht
mundet, und er säuft die ganze Flasche aus und wird trunken und ergibt
sich mir und meinem Reiche.´ - Soweit steht das in allen Legenden; nach
dem besonderen Dokument, das wir über diese Vision des heiligen Antonius
besitzen, heißt es aber weiter, daß der Widersacher, als er sich von
dannen hub, einige seiner Flaschen auf einem Rasen stehen ließ, die der
heilige Antonius schnell in seine Höhle mitnahm und verbarg, aus Furcht,
selbst in der Einöde könnte eine Verirrter, ja
wohl gar einer seiner Schüler von dem entsetzlichen Getränke kosten und
ins ewige Verderben geraten. -Zufällig, erzählt das Dokument weiter,
habe der heilige Antonius einmal eine dieser Flaschen geöffnet, da sei
ein seltsamer betäubender Dampf herausgefahren und allerlei scheußliche,
sinneverwirrende Bilder der Hölle hätten den Heiligen umschwebt, ja
ihn mit verführerischen Gaukeleien zu verlocken gesucht, bis er sie
durch strenges Fasten und anhaltendes Gebet wieder vertrieben. - In
diesem Kistchen befindet sich nun aus dem Nachlaß des heiligen Antonius
eben eine solche Flasche mit einem Teufelselixier, und die Dokumente
sind so authentisch und genau, daß wenigstens daran, daß die Flasche
wirklich nach dem Tode des heiligen Antonius unter seinen
nachgebliebenen Sachen gefunden wurde, kaum zu zweifeln ist. Übrigens
kann ich versichern, lieber Bruder Medardus! daß, sooft ich die Flasche,
ja nur dieses Kistchen, worin sie verschlossen, berühre, mich ein
unerklärliches inneres Grauen anwandelt, ja daß ich wähne, etwas von
einem ganz seltsamen Duft
zu spüren, der mich betäubt und zugleich eine innere Unruhe des Geistes
hervorbringt, die mich selbst bei den Andachtsübungen zerstreut.
Indessen überwinde ich diese böse Stimmung, welche offenbar von dem
Einfluß irgendeiner feindlichen Macht herrührt, sollte ich auch an die
unmittelbare Einwirkung des Widersachers nicht glauben, durch
standhaftes Gebet. Dir, lieber Bruder Medardus, der du noch so jung
bist, der du noch alles, was dir deine von fremder Kraft aufgeregte
Phantasie vorbringen mag, in glänzenderen, lebhafteren Farben erblickst,
der du noch wie ein tapferer, aber unerfahrner Krieger zwar rüstig im
Kampfe, aber vielleicht zu kühn, das Unmögliche wagend, deiner Stärke zu
sehr vertraust, rate ich, das Kistchen niemals oder wenigstens erst nach
Jahren zu öffnen und, damit dich deine Neugierde nicht in Versuchung
führe, es dir weit weg aus den Augen zu stellen."
(...)
(aus "Die Elixiere des Teufels" von E.T.A. Hoffmann)