Die Griechen und Römer

   Die Griechen borgten einen Teil ihrer Philosophie über den Tod von den Ägyptern. Auch sie dachten, die Götter würden die Seele eines Menschen nach dem Tod wiegen. Sie gaben ihren Toten etwas Nahrung, Wein, Kleidung und Unterhaltliches mit, das sie nach ihrem Dafürhalten im Jenseits brauchen konnten.
Die Griechen hatten eine entsetzliche Furcht vor dem Tod; ihre Mythologie beschreibt die Schatten oder Seelen in der Unterwelt, im Hades, als sorgenvoll und klagend und ihre Umgebung als dunkel und düster. Ihre Texte und Mythologien spiegeln zugleich ein Fasziniert-Sein von der Unsterblichkeit wie auch Entsetzen über die Qual des Todes wider. Sokrates hat, auch wenn er ein Bilderstürmer seiner Zeit war, die künftige Sicht der westlichen Philosophie zu diesem Thema beeinflusst; er war der Meinung, dass man den Tod weder fürchten noch allzusehr betrauern musste, sondern ihn ruhig und gelassen annehmen sollte.
   Wurden die Bestattungsvorschriften nicht richtig eingehalten oder versäumt, genügend Opfer darzubringen, führte das zur Qual im "freudlosen Reich" des Lebens nach dem Tod, dem sogenannten Hades. Gewissenhafte Griechen legten Wert darauf, dass ihre Toten mit einer Münze für Charon, den Fährmann der Toten, der die Seelen über den Fluss Styx übersetzte, und mit Honigkuchen für Zerberus, den dreiköpfigen Wachhund an den Pforten der Unterwelt, begraben wurden.
   Die Griechen badeten ihre Toten, salbten sie mit Öl und kleideten sie, mumifizierten sie jedoch nicht. Sie begruben ihre Toten bis etwa 1000 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung, dann wurde die Verbrennung der Leichen die bevorzugte Bestattungsmethode. Die Feuerbestattung war zuerst eine praktische Lösung für den Tod auf dem Schlachtfeld gewesen. Urnen mit den Ascheresten der Gefallenen ließen sich wesentlich leichter zu den trauernden Verwandten transportieren, inbesondere, wenn der Tod an fernen Orten eingetreten war. Mit den aschegefüllten Urnen war es auch möglich, Staatsbegräbnisse erst Wochen oder Monate nach dem Tod eines Helden stattfinden zu lassen. Während die meisten gewöhnlichen griechischen Bürger weiterhin beerdigt wurden, wurde die Feuerbestattung alsbald die bevorzugte Bestattungsmethode der Elite.
   Die Feuerbestattung wurde mit Tugendhaftigkeit und Patriotismus assoziiert. Homers Ilias beschreibt viele sorgfältig und kunstvoll vorgenommene Einäscherungen. Darunter ist auch die, die der trojanische König Priamos für seinen Heldensohn Hektor arrangierte, und auch der gewaltige Scheiterhaufen, den Achilles für die Einäscherung zu Ehren seinen Freundes Patroklos errichten ließ.
   Die gewöhnlichen römischen Bürger wurden, wie die gewöhnlichen Griechen, meistens beerdigt, während die römische Elite die Einäscherung vorzog. Wohlhabende Familien kauften kunstvolle Urnen und mieteten Stellplätze in besonderen Gruften, den sogenannten Kolumbarien. Sie kauften juwelenbesetzte Tränenkrüge, um die Tränen professioneller Trauernder aufzufangen und aufzubewahren. Mit der Zeit entwickelte sich rund um den protzigen Bestattungsaufwand, den die Römer betrieben, eine ganze Industrie, die auch den ersten professionellen Bestatter hervorbrachte.
   In seinem Epos Äneis tadelt der Dichter Vergil die Römer scharf wegen ihrer geschmacklosen, unreligiösen Einäscherungen und ihres protzigen Bestattungsgehabes, und schildert ihnen stattdessen, wie ein angemessener schlichter Scheiterhaufen für die Verbrennung beschaffen ist und tritt dafür ein, dass nur ernsthaft Trauernde an den Zeremonien teilnehmen sollten.
   Etwa ab dem Jahr 100 n. Chr. nahm die Praxis der Einäscherung allmählich ab, wobei die Gründe dafür nicht ganz klar sind. Zwei Theorien sind am wahrscheinlichsten. Erstens war das Christentum auf dem Vormarsch, und die frühe Kirche missbilligte Verbrennungen. Und zweitens war das Holz durch die zahlreichen Verbrennungen, die man über einen so langen Zeitraum durchgeführt hatte, inzwischen knapp geworden. Die Römer brauchten diese kostbare Ressource jetzt für den Schiffsbau und den Bau von Festungen an den Grenzen ihres Imperiums.


Aus "Die letzte Reise. Eine Kulturgeschichte des Todes" von Constance Jones.