Ori Z. Soltes: "Heilige Zeichen"

Der gemeinsame Ursprung islamischer, jüdischer und christlicher Kunst


Die drei großen monotheistischen Religionen haben einander trotz der häufig zwischen ihren Angehörigen herrschenden erbitterten Feindschaft in vielerlei Hinsicht befruchtet und ergänzt. Dies äußert sich nicht zuletzt im gemeinsamen Gebrauch von Stilelementen und Symbolen in der Kunst der diesen Religionen verpflichteten Kulturen.

Das Buch von Ori Z. Soltes bietet einen Überblick über die Kunstgeschichte der drei Religionen und Kulturen beziehungsweise Subkulturen und zeigt auf, wie diese einander ergänzten und kopierten. Vor allem vermag es die Basis zu vermitteln, aus der die Kunst der Juden, Christen und Muslime hervorgeht.

Der Autor betrachtet zunächst die Antike unter dem Gesichtspunkt der Berührung zwischen Kunst und Religion. Zu beachten ist hierbei durch viele Jahrhunderte die Unterscheidung zwischen und gelegentliche Überschneidung von Elementen des "sacer", also des Heiligen, Vollkommenen, und des "profanus", mithin des Weltlichen, Körperlichen, Unvollkommenen, Sündigen.

Das Buch bietet dann einen geschichtlichen Abriss der drei abrahamitischen Religionen und befasst sich anschließend mit den Symbolen des Christentums von der Antike bis in die Neuzeit hinein, wobei alle Bereiche der bildenden Kunst einschließlich der Architektur, insbesondere sakraler Bauten, Eingang finden. Ein weiteres Kapitel widmet sich jüdischen und muslimischen Symbolen im Bereich des "sacer" wie auch des "profanus" und den Übergängen.

Die letzten beiden Kapitel behandeln die Funktion und Einbettung der religiösen Symbole in die säkulare, aufgeklärte Welt des Westens, wobei das abschließende Kapitel speziell auf das 20. Jahrhundert eingeht.

Ori Z. Soltes versteht es vorzüglich, die gemeinsamen antiken Ursprünge der Kunst der Juden, Christen und Muslime herauszuarbeiten und zugleich aufzuzeigen, dass es auch später immer wieder Querverbindungen gegeben hat, besonders in Gebieten, in denen die Religionen einander intensiv berührten, zum Beispiel Spanien oder Byzanz sowie mitteleuropäische Städte mit starken jüdischen Gemeinden. Natürlich führte das Bilderverbot in Judentum und Islam zu gewissen Beschränkungen des Austauschs mit der christlichen Kunst, doch kann man Überschneidungen in der Architektur beobachten - Gotteshäuser aller drei Religionen verweisen häufig auf den ersten und zweiten Tempel in Jerusalem, und dies viele Jahrhunderte hindurch. Nicht umsonst sind viele Moscheen der byzantinisch-christlichen Hagia Sophia nachempfunden, die sich wiederum, nicht minder als zahlreiche Synagogen, an Salomos Tempelanlage orientiert.

Der Leser lernt viel über die Symbolik der unterschiedlichen Religionen, die sich zum Teil weit auseinander entwickelt hat, häufig jedoch ihre gemeinsame Basis nicht leugnen kann. Findet man in jüdischer und muslimischer Kunst einmal gegenständliche Bilder, zum Beispiel in einigen Synagogen aus dem Übergang von der Antike zum Mittelalter, so beobachtet man etliche Elemente darin, die auch in christlichen Kunstwerken angewendet wurden. Letztlich lässt sich eine ausgeprägte Diversifizierung jedoch nicht leugnen. Dieser wurde zumindest im Verhältnis von Judentum und Christentum erst Einhalt geboten, als es im Zuge der Aufklärung und vor allem der Industrialisierung zur Emanzipation der europäischen Juden kam und sich die jüdische Kunst oft zumindest formal der christlichen anschloss - gar manches Symbol indes trennt sie ganz bewusst von der "Schwester". Ein weiterer Schulterschluss fand zwischen den Weltkriegen statt, als Künstler aller Religionen gegen das sinnlose Schlachten ankämpften.

Das Buch bietet dank der aufwändigen, reichlichen und zumeist farbigen Illustrierung umfangreiches Anschauungsmaterial, das die Texte unmittelbar ergänzt. Die Abbildungen werden jeweils genau erläutert, sind jedoch auch in den Kontext der Kapitel eingebettet.

Das Buch öffnet vorzüglich den Blick für die Gemeinsamkeiten der bildenden Kunst der drei abrahamitischen Religionen, es weist jedoch auch auf Grenzen und Unvereinbares hin. Über den kunst- und religionshistorischen Aspekt hinaus bietet es zudem die Möglichkeit, alle drei Religionen besser zu verstehen, die unsere westliche Kultur prägen.

(Regina Károlyi; 07/2007)


Ori Z. Soltes: "Heilige Zeichen"
Aus dem Englischen von Dominik Fehrmann.
Parthas Verlag, 2007. 299 Seiten.
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Ori Z. Soltes ist Lektor an der Universität von Georgetown und hat in verschiedenen klassischen Abteilungen der John Hopkins- und Cleveland State-Universität unterrichtet. Frühzeitig hat er sich auf jüdische, christliche und muslimische Kunst und Religion spezialisiert. Zuletzt war Ori Z. Soltes Direktor des "National Jewish Museum" in Washington D.C. "Heilige Zeichen" ist sein erstes Buch in deutscher Übersetzung.