Luigi Pirandello: "Meistererzählungen"
Ein
Grenzgänger zwischen
Verismus und Dekadenz
Luigi Pirandello wurde im Jahre 1867 als Sohn eines
Schwefelminenbesitzers auf
Sizilien geboren. Sein schriftstellerisches Werk, das ihm 1934, zwei
Jahre vor
seinem Tode, den Nobelpreis eintrug, wird im Allgemeinen der
literarischen Strömung
des Verismus zugerechnet, einer Richtung, die den Alltag gerade auch
der ärmeren,
ländlichen Bevölkerungsschichten Italiens in einer
möglichst großen
Wirklichkeitsnähe darstellen wollte. Wichtige Vertreter des
Verismus
(hergeleitet von vero - wahr) waren beispielsweise
Giovanni Verga und
Luigi Capuana, die auch beide einen starken Einfluss auf Pirandello
ausgeübt
haben. Doch Luigi Pirandello stand nur mit einem Bein im Lager der
Veristen, mit
dem anderen betrat er bereits den Bereich der Dekadenz, der Gruppe um
den
Dichter d'Annunzio mit ihrer Vorliebe für das Krankhafte,
Sinnlose oder
Irrationale. Exakt in jener zeitlichen Periode, da diese beiden
literarischen
Strömungen einander durchdrangen, beziehungsweise sich
abzulösen begannen,
betrat Luigi Pirandello die literarische Bühne Italiens.
Die Lyrik war das erste Feld, das er mit seinem Talent bestellen
wollte, er
verlegte aber bald seine dichterischen Versuche auf die Prosa, es
entstanden
einige Romane und über dreihundert Novellen, die in der
Sammlung "Novellen
für ein Jahr" zusammengefasst wurden, von denen einige mit
diesem Band den
deutschsprachigen Lesern neu zugänglich gemacht werden. In den
letzten Jahren
seines Lebens widmete sich Pirandello aber fast
ausschließlich dem dramatischen
Genre, um fortan nur noch für das Theater zu schreiben. Seine
bekanntesten
Werke sind der 1904 erschienene Roman "Die Wandlungen des Mattia
Pascal",
der den sizilianischen Autor in der literarischen Welt auf einen Schlag
bekannt
machte, sowie das Theaterstück "Sechs Personen suchen einen
Autor",
in welchem Pirandello die Grenzen altgedienter Konventionen respektlos
überschritten
hatte, ein Umstand, der beim Publikum zunächst auf
Unverständnis stieß und
bei der Premiere des Stückes im Jahre 1921 einen handfesten
Theaterskandal auslöste.
Nun aber zu den in diesem Band versammelten Novellen. Der Titel
"Meistererzählungen"
nimmt das Urteil bereits vorweg, das am Ende der Lektüre
für die Mehrzahl der
Leser stehen dürfte, nämlich
Meistererzählungen. Die Geschichten handeln vom
Alltag der ländlichen Bevölkerung, von den Bauern,
von den Arbeitern in den
Schwefelminen, von den armen, den einfachen Leuten, von deren sozialen
und persönlichen
Problemen. Sie spielen also in einem Milieu, mit dem Luigi Pirandello
von Kind
auf vertraut war, und sie gehören zweifellos zum Besten aus
Pirandellos
literarischem Schaffen. Man liest sich schnell ein in diese
Geschichten, und
manch eine von ihnen ist mit der letzten Seite keineswegs zu Ende,
sondern wirkt
noch fort im Inneren des Lesers. Den stärksten Eindruck auf
mich haben
hinterlassen: "Die Reise", als ein absolutes Meisterstück von
düsterer
Trauer, unglücklicher Liebe und Tod sowie "Die drei Gedanken
des
Buckelchens", worin Pirandello sehr einfühlsam das Thema der
körperlichen
Behinderung aufgreift. Auch "Das Licht vom anderen Haus" zählt
für
mich zu den gelungensten Geschichten dieses Bandes. Bei vielen dieser
Erzählungen
scheint eine gleichermaßen wohlwollende wie auch wohltuende
Ironie durch, die
niemals auf Beleidigen oder gar auf Verletzen aus ist. Pirandello
begegnete
seinen Protagonisten und darüber hinaus wohl auch allen
Menschen mit ehrlicher
Anteilnahme und Wärme. Sein Humor ist weder grell noch
plakativ, sondern von
einer dezenten, matt getönten Noblesse mit einem leicht
melancholischen
Einschlag. Dennoch ist Pirandellos Erzählperspektive im Grunde
die Skepsis, der
Zweifel am Sinn und Wert des Lebens, sowie eine beinahe fatalistische
Einstellung, die den freien Willen des Menschen immer wieder in Frage
stellt.
Es passiert eigentlich nicht viel in Pirandellos Erzählungen,
sie handeln
zumeist von den Problemen des Alltags, Problemen, die ein jeder von uns
durch
seinen persönlichen Alltag mitzuschleppen hat. Doch wenn
dieser Alltag durch
die Brille des Dichters und Analytikers gesehen wird, dann gewinnt auch
das
scheinbar Banale einen merkwürdigen Reiz, der unter der
dünnen Kruste des Alltäglichen
verborgen liegt. Und kleine, nebensächlich scheinende Dinge
erhalten plötzlich
eine ungeahnte Bedeutung. Langweilig wird es nie bei Pirandello, egal,
worüber
er gerade schreibt. Im vorliegenden Band finden sich
überwiegend Novellen mit
veristischer Tendenz, in denen der Autor realistisch das Leben, die
Sorgen und
Ängste der Menschen schildert. Thematisch
unterrepräsentiert, beziehungsweise
gar nicht vorhanden, sind in dieser Auswahl die für Pirandello
ebenfalls
typischen Erzählungen, in denen Motive wie der Doppelgänger
oder das Gespensterhaus eine tragende Rolle spielen, Geschichten, die
dann
wiederum schon mehr der Dekadenz zuzuordnen sind. Der
Doppelgänger oder auch
das Spiegelbild sind bei Luigi Pirandello, wie allgemein in der
fantastischen
Literatur, als Projektionen eines meist verdrängten Teiles der
eigenen Persönlichkeit
zu sehen. Ein zentrales Anliegen in Pirandellos literarischem Schaffen,
das auch
in seinen Dramen immer wieder zum Ausdruck kommt, war auch, die
Schwierigkeit
aufzuzeigen, die es braucht, um seine Maske abzulegen, um das andere
Gesicht zu
zeigen, das dahinter liegt. In diesem Zusammenhang steht auch
das stete
Bemühen Pirandellos, in seinen Texten die
Unmöglichkeit einer fruchtbringenden
zwischenmenschlichen Kommunikation darzulegen.
Mitherausgeberin Lisa Rüdiger hat selbst einige der
Geschichten dieses Bandes
ins Deutsche übertragen und das Ganze mit einem
ausführlichen und informativen
Nachwort versehen. Wer noch nichts von Pirandello gelesen hat,
für den dürfte
dieses Buch mit einigen seiner schönsten Novellen eine
lohnenswerte Entdeckung
sein.
(Werner Fletcher; 03/2009)
Luigi
Pirandello: "Meistererzählungen"
(Aus der Sammlung "Novellen für ein Jahr")
Mit einem Nachwort von Lisa Rüdiger.
Aus dem Italienischen von Percy Eckstein, Hans Hinterhäuser
und Lisa Rüdiger.
Diogenes, 2009. 396 Seiten.
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Luigi
Pirandello wurde am 28.
Juni 1867 in Girgenti (Sizilien) geboren; er starb am 10. Dezember 1936
in Rom
und liegt in Caos (Sizilien) begraben. Das Leben erfuhr er schon
früh als eine
"sehr triste Farce". Sein Vater reagierte auf jede
Widersetzlichkeit mit Wutanfällen oder monatelangem Schweigen.
Seine Frau, von einem manisch-eifersüchtigen Vater erzogen,
der sie vor der Welt abgeschirmt hatte, war Wahnvorstellungen
ausgeliefert und wurde zunehmend ausdrucksgehemmt. Sie fiel in geistige
Umnachtung, nachdem das in einer Schwefelgrube angelegte
Familienvermögen verloren war.
1934 erhielt Luigi Pirandello den
Nobelpreis
für Literatur.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Feuer ans Stroh. Sizilianische Novellen"
Die schönsten Novellen über Pirandellos Heimat
Sizilien und ihre Bewohner.
Luigi Pirandello gehört mit
Lampedusa und Sciascia zu den
bedeutendsten Erzählern
der sizilianischen Literatur.
Dieser Band stellt nicht nur die schönsten Geschichten
Pirandellos über seine
Heimat und ihre Bewohner vor, sondern auch Geschichten, in denen das
Leben die
Rolle des Komikers spielt. (Verlag Klaus Wagenbach)
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"Mattia
Pascal"
Wer bin ich? Was ist Schein, was Wirklichkeit? Die fantastische
Geschichte der
doppelten Existenz von Mattia Pascal ist nicht nur der Anfang von
Pirandellos
großem Erfolg, sondern steht auch am Beginn der modernen
italienischen
Literatur.
"Eines der wenigen Dinge, vielleicht sogar das einzige, was
ich sicher
wusste, war, dass ich Mattia Pascal hieß", lautet
der Beginn des
Romans. Mattia, auf der Flucht vor der bedrückenden
finanziellen und familiären
Lebenssituation, gewinnt in Monte Carlo zufällig ein
Vermögen. Als er nach
Hause zurückkehren will, entdeckt er eine Notiz von seinem
Selbstmord in der
Zeitung. Zunächst entrüstet, genießt er als
Adriano Meis die neue Freiheit in
vollen Zügen. Aber seine Schattenexistenz ohne Dokumente
lässt kein bürgerliches
Leben zu: nicht einmal einen Hund kann er halten, da er keine Steuern
entrichten
kann, geschweige denn eine Ehe eingehen. Da beschließt er,
nochmals seine
Identität zu wechseln. (Verlag Klaus Wagenbach)
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"Einer
nach dem anderen"
Pirandello entwirft ein verzwicktes Szenario mit einem ausgefeimten
Komödienpersonal,
Leute, die bauernschlau dreimal um die Ecke denken, um ihren Vorteil zu
ergattern, wobei einer nach dem anderen das Nachsehen hat.
Sehr komisch und sehr sizilianisch.
Es ist schon wahr, dass er ein richtiger Goldjunge ist, dieser
Pepè, jung und
schön, adelig, vielleicht ein wenig unentschlossen. Aber
diesen Habenichts mit
seiner Tochter Stellina zu verheiraten, das kommt Marcantonio nicht in
den Sinn.
Da kommt ihm der alte und vermögende Don Diego, der schon vier
Frauen unter die
Erde gebracht hat, gerade recht. Der will unter allen
Umständen so schnell wie
möglich heiraten, damit ihn nachts nicht die Gespenster
quälen, und wenn die
junge Frau ihre Verehrer mit ins Haus bringt, um so besser, dann
herrscht
wenigstens Jubel, Trubel, Heiterkeit. Wenn - so der Plan des Vaters -
Gott möglichst
bald ein Einsehen mit Don Diego hätte, dann könnte
sich Stellina mit dem
vielen ererbten Geld immer noch einen jungen Mann nehmen.
Stellina wiederum benimmt sich ganz und gar ungezogen, so dass die
Geschichte
immer turbulenter wird ... (Verlag Klaus Wagenbach)
Buch
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Weitere
Buchtipps:
Teresa De Simone: "Luigi Pirandello und der Wahnsinn
der Normalität. Das Leben und Werk des Luigi Pirandello im
Licht der Theorie
der menschlichen Destruktivität von
Arno Gruen"
Diese Arbeit möchte aufzeigen, wie viel der italienische Autor
und
Literaturnobelpreisträger Luigi Pirandello in seinen
Erzählungen und Theaterstücken
der heutigen Psychoanalyse vorweggenommen und wie er Aspekte des
Krankheitsbildes der Schizophrenie durch sein Werk und seine Charaktere
beschrieben hat. Bisherige Studien zu Pirandello und seinem Werk
beschränken
sich größtenteils darauf, ihn eingebettet in seine
Zeit und die damaligen
kulturellen Einflüsse und Geschehnisse zu betrachten, was
berechtigt ist, denn
allgemein war das Zeitalter von der Suche nach dem Unbewussten und dem
Unterbewusstsein
gekennzeichnet (ein gutes Beispiel im italienischen Sprachraum
hierfür ist
beispielsweise das Werk von Italo Svevo).
Diese Arbeit jedoch möchte hauptsächlich
auf Pirandellos persönliche Lebensgeschichte und seine eigenen
Aussagen
eingehen. Sie stützt sich in ihrem logischen Ablauf auf die
Pfeiler
der Theorie der menschlichen Destruktivität Arno Gruens, in
deren Licht das
Leben und Werk Luigi Pirandellos hauptsächlich betrachtet
werden. (Verlag Dr.
Müller)
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Giuseppe
Tomasi di Lampedusa: "Der Gattopardo"
Herausgegeben und mit einem Nachwort von G. L. Tomasi.
Giuseppe Tomasi, Herzog von Palma und Fürst von Lampedusa,
wurde am 23.
Dezember 1896 in Palermo geboren und starb am 23. Juli 1957 in Rom.
Neben Erzählungen
schrieb er innerhalb weniger Monate seinen einzigen Roman: "Der
Gattopardo",
postum veröffentlicht 1959 in Deutschland.
"Il Gattopardo", der berühmteste Sizilienroman der
Weltliteratur und
einzige Roman des Fürsten Lampedusa, eine glühende
Hommage an das alte Europa:
Von seiner eigenen Familiengeschichte inspiriert, schuf Lampedusa
diesen
literarischen Meilenstein um Glanz und Untergang eines Adelsgeschlechts
im 19.
Jahrhundert.
Voll wehmütiger Skepsis beobachtet Don Fabrizio,
Fürst von Salina, den Beginn
eines neuen Zeitalters - verkörpert durch seinen
geliebten Neffen Tancredi
und die verführerische Angelica, die ihre bürgerliche
Herkunft für immer
hinter sich lassen will.
Nach dem Tod des Autors von Giorgio Bassani entdeckt, erschien das
Manuskript
1958 bei Feltrinelli und wurde bald rund um die Welt als Sensation
gefeiert -
wiewohl von Lampedusas Witwe um einige vermeintlich kompromittierende
Passagen
gekürzt. Mit dieser Ausgabe liegt der vollständige
Text vor - von Lampedusas Erben freigegeben und originalgetreu neu
übersetzt. (Piper)
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Giuseppe
Tomasi di Lampedusa: "Ein Literat auf Reisen.
Unterwegs in den Metropolen Europas"
In den Hotels der großen europäischen Metropolen
verfasst der junge Fürst von
Lampedusa zwischen 1925 und 1930 jene Briefe, die voller Geist und
Ironie von
den Stätten seiner Reise berichten. So hinterlässt
uns der kultivierte
Kosmopolit ein einzigartiges Porträt des Europas der
1920er-Jahre.
Der postum entdeckte Nachlass des großen sizilianischen
Romanciers wirft ein
neues Licht auf den berühmten Schöpfer des
"Gattopardo". Beinah
dreißig auf Hotelbriefpapier verfasste und bis dato
unbekannte Briefe legen
Zeugnis ab von der weltoffenen Persönlichkeit des gebildeten
jungen Mannes, der
zwischen 1925 und 1930 mit dem Zug die Metropolen Europas bereiste.
Rom,
Florenz, Zürich, Berlin und London sind nur einige der
Stationen auf der Route
des Fürsten, der - liebevoll, augenzwinkernd und bisweilen
boshaft - von
Kultur, Kunst, Klatsch und Kulinarik erzählt und dem Leser so
ungewöhnliche
Reisebilder einer vergangenen Epoche schenkt. Ein kostbares
Vermächtnis, das
die faszinierenden Goldenen Zwanziger noch einmal auferstehen
lässt! (Piper)
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Leonardo
Sciascia: "Salz, Messer und Brot.
Sizilianische Geschichten"
1956 erschienen, in diesem Buch erstmals auf Deutsch: eine Geschichte
Siziliens,
blutig, tragisch und burlesk, dargestellt von einem der
größten italienischen
Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. In "Salz, Messer und Brot"
erzählt
Sciascia finstere und groteske Geschichten, die alle an einem einzigen,
halb
fiktiven, halb realen Ort spielen. Man begreift, warum Sciascia durch
dieses
erste Buch schlagartig berühmt wurde. Es enthält
bereits alle Qualitäten
seines späteren Werks: die genaue Beobachtung einer begrenzten
Wirklichkeit,
die Schaffung von Figuren anhand einiger weniger Charakteristiken, die
ruhige Kühnheit
im Benennen himmelschreiender sozialer Zustände, die knappe,
dadurch umso
effektvollere Prosa. (Zsolnay)
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Leonardo
Sciascia: "Schwarz auf Schwarz"
Dieses Tagebuch aus den Jahren 1969 bis 1979 gibt detailliert
Aufschluss über
das Denken Leonardo Sciascias. Auch die psychologische Entwicklung
seines Werkes
wird hier zugänglich. (Zsolnay)
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Leonardo
Sciascia: "Das weinfarbene Meer.
Erzählungen"
Die besten Erzählungen des großen sizilianischen
Autors, von ihm selbst ausgewählt.
Wo könnte man
Sizilien mit seinen Besonderheiten und Bewohnern besser
kennenlernen als in diesen Geschichten?
Als eine "Art Resümee meiner bisherigen
schriftstellerischen Arbeit"
betrachtete Leonardo Sciascia diese dreizehn sizilianischen
Geschichten. Und in
der Tat sind sie nicht nur literarische Meisterstücke; sie
entführen den Leser
in die Welt dieser Sehnsuchtsinsel, machen ihn mit den blutigen Regeln
der
Scheidung auf Sizilianisch bekannt, mit dem männlichen
Ehrenkodex in Fragen
weiblicher Treue, sie erläutern den tieferen Sinn des Wortes "Familienbande"
anhand der Diktatur der Kinder einer vierköpfigen Familie
während einer
Zugfahrt, und sie erzählen davon, wie einer mit einem
ehrlichen Gesicht die
Armen noch um ihr Letztes bringt. (Verlag Klaus Wagenbach)
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Leonardo
Sciascia: "Mein Sizilien"
In seinen wunderbaren Miniaturen über "das Sizilianische"
kritisiert
Leonardo Sciascia seine Insel und verehrt sie zugleich, wie es sich
für einen
wahren Liebhaber gehört.
Wie kann man Sizilianer sein? Auf die alte Frage gibt es eine alte
Antwort: Nur
unter Schwierigkeiten.
Leonardo Sciascia, selbst Sizilianer, untersucht diese Schwierigkeiten.
Ob es
wahr ist, dass die Sizilianer eher gerissen denn vorsichtig und
zugleich so
furchtsam wie verwegen seien. Ob der sizilianische Don Giovanni
überhaupt
Frauen im Sinn hat. Ob die Sizilianer sich je regieren
ließen, und ob man das
überhaupt könne. In den hier erstmals
übersetzten Miniaturen gibt Sciascia
kenntnisreiche Auskünfte.
Er zeigt dem Leser die unübertroffene Schönheit
"seiner" Insel:
Zerklüftete Küsten, verstreute Dörfer am
Ätna, das hochmütige Palermo,
die Orte Tomasi di Lampedusas. Und er plaudert die kleinen Geschichten
innerhalb
der großen Geschichten aus - wie das Schicksal jener Stadt,
die Mussolini gründete,
die aber Phantom blieb. (Verlag Klaus Wagenbach)
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Leonardo
Sciascia: "Jedem das Seine. Ein
sizilianischer Kriminalroman"
Niemand hat etwas gesehen, am Ende wussten aber alle Bescheid: Mord und
Korruption - ein meisterhaftes Gesellschaftsbild und ein
spannender Kriminalroman
aus Sizilien vom Großmeister der Mafia-Romane.
Der brave Apotheker hat einen Drohbrief erhalten. Ein Scherz, meinen
alle
Honoratioren des Ortes, die im Laufe des Nachmittags in der Apotheke
vorbeischauen. Zwei Tage später wird er auf der Jagd
erschossen - und mit ihm
erwischt es seinen Begleiter, den armen Doktor Rosello.
Zwei unbescholtene Bürger, oder wollte vielleicht doch jemand
ein heimliches
Liebesverhältnis des Apothekers rächen? Die
Carabinieri sind bald am Ende mit
ihrem kümmerlichen Latein, aber den Lehrer Laurana beginnt die
Sache zu
interessieren: Ein zufälliger Fund weist zunächst zur
Katholischen Kirche. War
am Ende doch der Arzt Rosello gemeint? Hatte er etwas
Gefährliches entdeckt?
Leonardo Sciascia lässt Laurana allen Spuren nachgehen und
bringt ihn dadurch
am Ende selbst in Gefahr. (Verlag Klaus Wagenbach)
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Vincenzo
Consolo: "Palermo. Der Schmerz"
Das Bombenattentat von 1992 auf den Mafiaankläger Paolo
Borsellino markiert den
Endpunkt der langsamen Rückkehr des sizilianischen
Schriftstellers Gioacchino
Martinez in sein hassgeliebtes heimatliches Palermo. Über den
Umweg Paris - wo
er seinen exilierten, des Linksterrorismus angeklagten Sohn Mauro
besucht -
verabschiedet sich der Alte von der Industriemetropole Mailand und
siedelt in
die Hochburg der politischen Zweideutigkeit und der Mafia
zurück. Die
Konfrontation mit seinem Sohn und die Vorwürfe der politischen
Feigheit geben für
den Schriftsteller, der nicht mehr schreibt, den Anstoß zur
Überprüfung der
eigenen Geschichte: die Mitschuld am Tod des Vaters durch den Verrat an
deutsche
Soldaten; die Flucht aus Sizilien in den Norden, um die Schuld zu
vergessen und
die Ehe zu retten, die Unerreichbarkeit seiner geliebten Frau in ihrer
Depression.
Consolo erzählt vielstimmig, andeutungsreich und jegliche
Hoffnung verweigernd
von schuldhafter persönlicher Verstrickung, vom Verlust
gemeingültiger
Wertehaltungen und vom Niedergang der politischen Eliten im Italien der
Nachkriegszeit. (Folio)
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Annemarie
Gronover: "Religiöse Reserven. Eine
Ethnographie des Überlebens in Palermo"
Der Mezzogiorno und vor allem Sizilien sehen sich von Stereotypen -
Mafia,
Klientelismus, questione meridionale - überzogen. Diesen
stigmatisierenden
Vorstellungen widersprechen nicht zuletzt die Antimafiabewegung und
ihre
Vorstellung einer Zivilgesellschaft. In dieser Bewegung spielt, was
bisher kaum
beachtet wurde, auch der Katholizismus eine zentrale Rolle. Die
vorliegende
Ethnografie des Lebens in einem Armutsviertel Palermos untersucht
religiöse
Praktiken, die sich aus den materiellen und ideellen Reserven der
sizilianischen
Gesellschaft speisen: Sie zielen auf eine Heilung und Heiligung der
Menschen und
eine Sakralisierung ihrer Umwelt, die sich einem von der Mafia
durchdrungenen
Sozialleben entgegenstellt. Eine lesenswerte Analyse des karitativen
und
zivilgesellschaftlichen Wirkens einer katholischen Gemeinde in einem
Viertel
Palermos, das von Verfall und vom Rückbau des Sozialsystems
geprägt ist - eine
Analyse der Versuche, mafiöse Gewalt und demokratisch
legitimiertes Handeln
durch Religion
zu ersetzen. (LIT Verlag)
Buch
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