Peter Rothe: "Die Erde"

Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien


"Die Gegenwart liefert uns den Schlüssel für die Vergangenheit"
Einer der wichtigsten Denkansätze der Geologen wird unterhaltsam und lehrreich von Peter Rothe aufgegriffen


"Wer fragt sich nicht beim Anblick der Ereignisse und Wunder einer Berglandschaft, woher diese Schlünde und Höhlen der Abgründe kommen? Wie konnten diese Gipfel sich bis zu den Himmeln erheben? Woher diese sanften Abhänge und die trotzigen Felsen? Woher kommen die Granitkolosse, die schwer auf der Ebene lasten? Woher die aus dem Meer stammende Beute, die wir in den Bergen vergraben finden?" Dies fragte sich der Schweizer Zeichner und Novellist Rodolphe Töpffer (1799-1846) in seinen "Genfer Novellen" (1841).
"Fragen an die Erde sollten eigentlich alle interessieren, die auf diesem Planeten leben", stellt über 160 Jahre später der deutsche Geologe und Autor mehrerer geologischer Fachbücher Peter Rothe (emeritierter Ordinarius für Geologie an der Universität Mannheim) treffend fest. In seinem Buch "Die Erde" versucht er eine Antwort zu geben.

Die Erde - ein weiter Begriff. Doch wenn man die Profession von Peter Rothe kennt, dann ist die Thematik schnell umrissen: "Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien".

Ein enormes Feld, wo jeder Bereich für sich allein mindestens ein Buch wert wäre. Daher wird verständlich, dass 172 Seiten nur die Oberfläche unseres Planeten bzw. das Verständnis für selbigen anreißen können.

Der Autor versteht seine Abhandlung weder als Fachbuch für ausgebildete Geologen, noch als Lehrbuch, das systematisch die Zusammenhänge vermittelt - auch wenn er bedauert, dass die Zeiten bereits lange vorbei sind, als Geologie sogar als eigenes Schulfach unterrichtet wurde -, sondern er wendet sich an Menschen, die an der Natur interessiert sind; "als Anleitung zum Beobachten, um schon Gewusstes zu vertiefen, oder um ganz andere Denkweisen kennenzulernen", so Rothe. "Die Erde" ist ein kleines, in Inhalt und optischer Qualität hochwertiges Kompendium, das in ausgewählten Beispielen Beobachtungen erklärt, die "Jedermann" in der Natur machen kann. Mit Hilfe zahlreicher Aufnahmen, unzähliger Skizzen und Abbildungen von Fundstücken sowie einfacher Erklärungen ist dieses Buch gleichfalls für interessierte Schüler geeignet.

Temperaturwechsel sind eine Begleiterscheinung erdgeschichtlicher Prozesse
In fünf Kapitel hat er sein Werk untergliedert. Nach einer kleinen Einführung, in der er auf die Entstehung und frühe Entwicklung der Erde und des Lebens eingeht sowie einem Abriss der einzelnen erdgeschichtlichen Zeitabschnitte - hier dürfte wohl den meisten auf Grund des Dinosaurierzeitalters das Jura und vor allem die Kreide ein Begriff sein -, kommt Peter Rothe wohl zum interessantesten Abschnitt: der "Dynamik, die von innen kommt". Plattentektonik, Gebirgsbildung, Vulkanismus und Erdbeben sind die Themen, die der Autor interessant zu vermitteln weiß.
In den beiden letzten Kapiteln behandelt Rothe sein eigentliches Fachgebiet. Er erklärt an ausgewählten Beispielen, wie Minerale und Gesteine entstehen und wie die darin gefundenen Fossilien zu ihrer Alterseinstufung beitragen. Interessant dürfte hier - gerade im Zuge steigender Benzinpreise - der Abschnitt "Gesteine aus Organismen" sein, wird doch das Entstehen und Erkennen von Erdöllagerstätten näher betrachtet.

Auch auf die derzeitige angebliche Klimaerwärmung und das von uns selbst verursachte "Kippen" des Klimas geht Peter Rothe ein. Er vertritt jedoch eine völlig andere Meinung als viele andere, die sich aktuell zu diesem Thema äußern. Seiner Ansicht nach sollte man die geologischen Umstände nicht außer Acht lassen. So hatten es die altsteinzeitlichen Menschen vor 130.000 bis 115.000 Jahren schon wärmer als wir, und die Gletscher waren wesentlich stärker abgeschmolzen als heute. "Was wir gegenwärtig als Katastrophenszenario in den Medien serviert bekommen, ist in der Erdgeschichte keine Ausnahme, sondern die Regel: Temperaturwechsel sind eine Begleiterscheinung erdgeschichtlicher Prozesse. (...) Längerfristig betrachtet leben wir nämlich in einer Zwischeneiszeit. (...) Um es einmal ins Positive zu wenden, könnte die gegenwärtig beobachtete Erwärmung uns kurzfristig vielleicht vor einer neuen Eiszeit bewahren, die nach den aus der Geologie ableitbaren Gegebenheiten eigentlich bevorsteht."

In Inhalt und optischer Qualität hochwertiges kleines Kompendium für den Laien
Erfreulicherweise belässt es Rothe nicht bei weitschweifigen Schilderungen längst vergangener Ereignisse, sondern jedes Kapitel offeriert Exkursionshinweise, wo man selbst heute noch Erscheinungen aus der Vergangenheit besonders gut beobachten und bewundern kann (z.B. Deutsche Vulkanstraße in der Eifel oder verschiedenste Besucherbergwerke).
Mittels anschaulicher Vergleiche weiß der Autor chemische Reaktionen und physikalische Vorgänge anschaulich zu erläutern. Der folgende Textausschnitt, der die besonders zerstörerischen seismischen Oberflächenwellen erläutert, gibt ein gutes Beispiel: "Man kocht einen Wackelpudding in einer flachen Schale, zieht ihn mit den Fingern seitlich in entgegengesetzte Richtungen und schneidet kurz darauf einen kleinen Ritz in die Puddingoberfläche. Dieser wird sich schnell nach beiden Seiten ausbreiten und den Pudding entlang einer Linie in zwei Hälften trennen. Sobald man loslässt, springen sie wieder in ihre Ausgangslage zurück und man kann zusehen, wie dabei Erschütterungen den ganzen Pudding durchlaufen; genau das passiert auch bei einem Erdbeben."

Dem Buch liegt ebenfalls ein großes Bild bei, das optisch anschaulich die verschiedenen geologischen Zeitalter der Erde darstellt. Auf einem Zeitstrahl sind neben den einzelnen Epochen, herausragenden Einzelereignissen, den wichtigsten Fossilien, Kurven zur Temperatur- und Meeresspiegelhöhe, auch Beispiele mit typischen Gesteinen in Deutschland und seinen Nachbarländern angegeben, denen Fotografien der Region beigefügt sind.

Manches Mal wünscht man sich jedoch weiterführende und tiefergehende Erläuterungen zu einigen äußerst interessanten Themen, aber das würde wohl den Rahmen des Buches sprengen. Doch auch hier hat Peter Rothe "weitergedacht". Nach jedem Kapitel gibt er Literaturempfehlungen zur behandelten Thematik.

Fazit:
"Man sieht nur, was man zu sehen gelernt hat." Peter Rothes Buch ist ein erster Schritt dazu.
"Die Erde" ist ein spannendes, kompetentes und unterhaltsames, in sich stimmiges, übersichtlich gegliedertes und vor allem reich illustriertes Buch über die geologische Entwicklung unseres Planeten, das wenig oder keine Sachkenntnis voraussetzt.

(Heike Geilen; 07/2008)


Peter Rothe: "Die Erde. Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien"
Primus Verlag, 2008. 176 Seiten mit ca. 200 farbigen Abbildungen.
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Peter Rothe, geboren 1936, em. Professor für Geologie der Universität Mannheim, arbeitet an den "Reiss-Engelhorn"-Museen in Mannheim. Er ist der Herausgeber der Reihe "Sammlung geologischer Führer". Zahlreiche Veröffentlichungen: "Erdgeschichte" wurde 2001 von der Zeitschrift "Bild der Wissenschaft" als "Wissenschaftsbuch des Jahres" ausgezeichnet.

Weitere Bücher des Autors (Auswahl):

"Gesteine. Entstehung - Zerstörung - Umbildung"

Peter Rothe führt kompetent und verständlich in die Prozesse und Bedingungen der Entstehung, Zerstörung und Umbildung von Gesteinen ein. Das Buch zeichnet sich vor allem durch eine gelungene Mischung von Informationen, erläuternden Beispielen und zahlreichen Abbildungen sowie durch die moderne und übersichtliche Gesamtaufmachung aus.
Ziel des Buches ist es, Gesteinsbildung auch für den "Nichtwissenschaftler" verständlich zu machen. Dazu werden zunächst die wichtigsten gesteinsbildenden Minerale vorgestellt. In einem zweiten Schritt werden die Gesteine in Gruppen unterteilt und so nacheinander hinsichtlich ihrer Entstehungsweise diskutiert. Der abschließende Blick gilt geologischen Vorgängen im Erdinnern, die die Kreisläufe von Gesteinen in dessen oberflächennahen Bereichen steuern. (Primus Verlag)
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"Die Geologie Deutschlands. 48 Landschaften im Portrait"
Der Band bietet eine verständliche Einführung in die komplexen geologischen Zusammenhänge Deutschlands.
Rothe beschreibt jede einzelne Landschaft innerhalb größerer geologischer Einheiten wie etwa dem Süddeutschen Schichtstufenland, ohne den Überblick über das gesamte Gebiet zu vernachlässigen. Egal, ob der Leser beispielsweise in Taunus, Harz, Schwarzwald, Erzgebirge oder im Alpenvorland zuhause ist, er wird seine Heimatlandschaft oder sein Wandergebiet zusammenhängend beschrieben wieder finden. Die hervorragende Bebilderung mit Fotos, Kartenskizzen, Profilen und Schichttabellen macht das Buch auch für den geologisch interessierten Laien zu einem informativen Leseerlebnis. (Primus Verlag)
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Weiterer Tipp:

Tim Flannery: "Auf Gedeih und Verderb"
Die Erde und wir: Geschichte und Zukunft einer besonderen Beziehung In welcher Beziehung leben wir Menschen tatsächlich zu unserem Planeten? Haben wir immer schon eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, Ökosysteme durcheinandergebracht und ganze Spezies ausgelöscht? Oder ist unser Verhältnis zur Erde vielmehr ein Erfolgsmodell, weil wir Menschen eben nicht nur grausam im Kampf ums Überleben konkurrieren, sondern auch großartig kooperieren können?
Tim Flannery schreibt die faszinierende Geschichte der vielseitigen Beziehung der Menschen zur Erde und zeigt, dass darin der Grundstein für unsere biologische, ökonomische und kulturelle Zukunft zu finden ist.
Tim Flannery, geboren 1956 in Melbourne, lebt als Wissenschaftler, Forscher und Umweltschützer in Australien. Als Zoologe hat er mehr als dreißig neue Arten von Säugetieren entdeckt. Tim Flannery ist Autor zahlreicher Bücher (zuletzt der Erfolgstitel: "Wir Wettermacher. Wie die Menschen das Klima verändern und was das für unser Leben bedeutet") und hat viele Dokumentarfilme gedreht. Er ist Professor für Zoologie und Direktor des "South Australian Museum" in Adelaide. Er ist im Beirat der "Siemens Stiftung" und wurde im Februar 2011 von der Australischen Premierministerin zum "Chief Climate Commissioner" ernannt. (S. Fischer)

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