"Luther"
Historischer Spielfilm
R: Eric Till
D: Joseph Fiennes,
Alfred Molina, Bruno Ganz, Sir Peter Ustinov, Uwe Ochsenknecht, Mathieu
Carrière, u. a.
Deutschland 2003
Eine cineastische Hommage an den großen Reformator
Angesichts der nach wie vor mehr oder
minder unversöhnlichen Haltung des römischkatholischen Klerus gegenüber den
protestantischen Kirchen, ist es angemessen konkret von einem brisanten
Filmprojekt zu sprechen, zumal es sich dabei um die Person des größten aller
christlichen Ketzer, nämlich um Martin Luther handelt. Luther hat in letzter
Konsequenz immerhin eine Kirchenspaltung betrieben, die der Christenheit bis
heute eine klaffende Wunde und peinliche Schande ist. Eine durchaus heikle Sache
ist dieser Film über die Person des großen Reformators also, dessen Kritik an
der sittlichen Korrumpierung des Priesterstandes die abendländische Christenheit
im Laufe des 16. Jh. aus den Angeln gehoben hat und im 17. Jh. in den
grauenhaften "Dreißigjährigen Krieg" (1618-1648) münden ließ! Keineswegs
reißerisch, obwohl ein wenig verklärend schon, aber doch nicht total unkritisch
ist die Titelrolle des Martin Luther angelegt. Der biografische Bogen spannt
sich in streng chronologischer Linearität von seiner Zeit als Augustinermönch in
Erfurt bis zum Augsburger Bekenntnis (1505-1530), umfasst also nicht das ganze
Leben Luthers, sondern fokussiert sich auf jene rund 25 Jahre konstituierender
Konflikte mit weltlichen und geistlichen Absolutheitsansprüchen. In diese Zeit
fallen die wesentlichen und wohl auch geschichtsträchtigsten Vorkommnisse seines
bewegten Lebens, wie die Veröffentlichung der so genannten "95 Thesen" zur
Anprangerung dubioser kirchlicher Geldbeschaffungspraktiken (1517), die
kaiserliche Ladung zum Reichstag in Worms (1521), wo Luther, autokratischen
Drohgebärden mutig trotzend, den Widerruf seiner Thesen verweigert, und
schlussendlich die von ihm maßgeblich inspirierte "Augsburger Konfession" von
1530. Der Privatmann Luther bleibt vergleichsweise unterbelichtet. Im Zentrum
des cineastischen Interesses steht viel mehr die Figur des Reformators (bzw.
Ketzers, als den ihn seine Gegner sahen), der aus Empörung über die Praxis einer
völlig verrotteten päpstlichen Theokratie die Kirchenspaltung betreibt. Im
Schlussteil ehelicht er eine abtrünnige Nonne, Katharina von Bora (1525); dass
er in weiterer Folge Vater von sechs Kindern wird, erfährt der Zuschauer aus dem
Nachspann. Die verbleibenden 16 Lebensjahre nach der Augsburger Konfession von
1530 bleiben unverfilmt, was aber keineswegs zu bekritteln ist, zumal mit der
Augsburger Konfession die Kirchenspaltung als vollzogen erachtet werden muss.
Das Werk ist vollendet und, gewahrt man die Missstände jener fernen Tage
(Ablasshandel und dergleichen mehr), musste es wohl auch vollendet
werden.
Einer koketten Zeitströmung folgend, wird Luther (man möchte es
beklagen) ;durch einen Schönling verkörpert, Joseph Fiennes, der der Person des
Wittenbergers Professors der Theologie nicht wirklich gerecht wird; kein
strahlender doch dafür ein schöner Held. Er macht einen sehr feinfühligen
Eindruck, dieser Luther, zwar mit einem scharfen Verstand und hoher Bildung
begnadet, aber doch fast zu weich für einen Mann, dessen historische Vorlage
sich immerhin mit Kaiser und Papst anlegte. Also mit den mächtigsten
Repräsentanten weltlicher und geistiger Macht jener Tage, die sich zumindest in
ihrem ebenso bigotten wie korrumpierten Katholizismus und in ihrer Gegnerschaft
zu Reformbemühungen einig waren. Vom Typ her wäre der Darsteller zur
Titelrolle die optimale Besetzung für den Leadsänger in einer Boygroup; als
Luther ist er nicht so überzeugend. Vielmehr wird dieser Luther von einer ganzen
Reihe flankierender Nebendarsteller mehr oder weniger an die Wand gespielt.
Nicht zuletzt von dem in seiner Nebenrolle souverän agierenden Sir Peter
Ustinov, der den Kurfürsten von Sachsen mimt, aus den Geschichtsbüchern als
Friedrich der Weise bekannt, welcher - historisch korrekt - seine Hand schützend
über Luther hält.
Ansonsten durchaus wohlmeinende Kritiken zum Film wandten schon ein, dass Luthers
Schattenseiten in der Verfilmung zu weitgehend ausgeblendet bleiben. Zur Darstellung
kommt jedoch, dass der historische Luther sich in eine bekanntlich derbe Hetze
gegen aufständische Bauern verstiegen hat, was aus dem Film heraus als eine
Strategie der Distanzierung gegenüber Vereinnahmungsversuchen gedeutet werden
kann, zumal sich Führer der nicht nur aufständischen sondern auch barbarisch
plündernden Meuten auf Luthers Worte berufen. Als er die mitverantworteten Folgen
seiner Hasspropaganda sieht (rund hunderttausend vom fürstlichen Militär niedergemetzelte
Bauern), tut es ihm Leid und er bekundet, ob des grauenhaften Blutbads, Bestürzung
und Trauer. Eine Trauer, die sich jedoch nicht zu einem sozialen Engagement
für die Schicht der Entrechteten durchringt, wozu sich der Film eines jeden
Kommentars enthält. Dass Luther mehr ein Parteigänger der prassenden Fürsten,
denn des darbenden Volkes war, mag der Zuschauer vermittels dieser Szenen erahnen,
geradezu aufgezwungen wird ihm die Erkenntnis einer gewissermaßen weltanschaulich
vermittelten Indifferenz gegenüber dem gemachten Elend des Bauernstandes allerdings
nicht. Ein grundsätzlich systemtreuer Reformator ist eben lange noch kein Sozialrevolutionär.
Und so hellsichtig der Doktor der Theologie
im Film auch das Elend der Kirche wahrnimmt, das Elend des einfachen Menschen
sieht er nicht. Der bei der historischen Persönlichkeit des Martin Luther in
späteren Lebensjahren zur peinlichen Ausartung gelangte schrille Antisemitismus,
als auch sein finsterer Hexenwahn,
bleiben leider ausgespart (man bedenke, der Film wurde von bekennenden Lutheranern
finanziert), hingegen rückhaltlos zur Inszenierung gelangt, dass der scharfsinnige
Glaubensvirtuose, welcher Luther zweifellos war, wie nur allzu viele seiner
Zeitgenossen von religiösen Wahnvorstellungen geplagt war. Mehrmals sieht man
den großen Denker in hysterischen Anfällen mit dem Teufel ringen, der freilich
immer nur als Wahnidee gegenwärtig ist.
"Luther" ist sicherlich kein unvergesslicher Film der Sonderklasse,
dafür ist er doch um eine Spur zu unkritisch, zu linientreu gegenüber
lutheranischen Befindlichkeiten, wie auch die Titelrolle allzu sehr vom
Idealbild messianischer Sanftheit abgepaust ist, welche überdies in ihrer
gefälligen Besetzung mehr mit äußeren denn mit inneren Qualitäten den Betrachter
reizt, doch wird man letztlich nicht bereuen, diesen Historienfilm gesehen zu
haben. Getrost darf man ihn sogar als sehenswert weiterempfehlen. Ein
kurzweiliger und bildender Film zu einer Person, die Weltgeschichte
schrieb.
(Tasso; 03/2004)
Von Guido Dieckmann stammen "Die Poetin",
"Die Gewölbe
des Doktor Hahnemann" und "Die Magistra", eine Kriminalgeschichte um die
Nichte Luthers. Seinen Roman "Luther" verfasste er auf Grundlage des Drehbuchs
zum gleichnamigen Film:
"Luther" (Roman) bestellen