Christa-Maria Zimmermann: "Das Gold des Columbus"
Des Admirals letzte
Fahrt
Es geht um die letzte
Expeditionsreise des Columbus im Jahre 1502, zehn Jahre nach seiner Entdeckung
Amerikas. Fernan, dreizehnjähriger Sohn des Christoph Columbus, begleitete den
Admiral auf dieser Reise und sollte später auch eine Biografie über seinen berühmten
Vater schreiben. Auf diese Biografie als Hauptquelle stützt sich die Autorin
in ihrem Abenteuer-Roman "Das Gold des Columbus". Hauptprotagonist ist aber
weder der Admiral Columbus noch sein dreizehnjähriger Sohn, sondern ein ebenfalls
dreizehnjähriger Junge, Pablo, der auf einem der vier Schiffe anheuert, die
Freundschaft Fernans gewinnt und mit diesem gemeinsam zahlreiche Abenteuer besteht.
Seefahrt und
Entdeckungsreisen, ein klassischer Stoff der Abenteuer- und Jugendliteratur,
bereits in unzähligen Varianten erzählt mit immer wieder den gleichen Zutaten
wie fluchenden Matrosen, einem ausgepichten Bösewicht unter den Seeleuten sowie
seinem noblen Gegenspieler, mit dem Hurrikan, der die Schiffsleinwand beutelt,
der Flaute, die zum Ausharren und Warten zwingt, den Kämpfen mit den
Eingeborenen, Maden im Schiffszwieback, dem unverzichtbaren Papagei und so
weiter. Alle diese Zutaten findet man auch bei Christa-Maria Zimmermann. Was man
aber nicht bei ihr findet, ist die verklärende Seefahrer-Romantik zahlreicher
Bücher dieses Genres. Sie schildert brutal offen und realitätsnah, zeigt die
wahren Motive der spanischen Conquistadoren auf, die sie bewogen haben, auf
Entdeckungsfahrt zu gehen; nicht etwa die Christianisierung fremder Völker oder
der Drang, neue Erkenntnisse und Wissen zu erwerben, sondern ihre unersättliche
Gier nach Gold. Auch die ständigen Intrigen untereinander, jeder intrigiert
praktisch gegen jeden, werden überzeugend dargelegt. Das Gold, wie im
beziehungsreichen Titel schon angedeutet, ist alleiniger Leitstern des Handelns
und Denkens der spanischen Eroberer.
Gleichzeitig und im engen
Zusammenhang damit stehend ist das Buch auch eine Anklage gegen Gewalt und
Rassismus und gegen die pervers-absurden Moralvorstellungen, die damals (nicht
nur) im katholisch geprägten Spanien herrschten; der Glaube an einen Gott, der
das Abschlachten ganzer Völker mit Wohlwollen honoriert, das Enthüllen eines
nackten menschlichen Körpers aber mit der ewigen Verdammnis bestraft. Der Held
des Romans, Pablo, trifft auf einer Insel mit einem nackten Indianermädchen
zusammen (der Beginn einer etwas naiv romantisierenden Liebesgeschichte), und
sie schaut ihn verständnislos an, als er sich voller Entsetzen weigert, sich zum
gemeinsamen Baden im Meer seiner Hose zu entledigen. Natürlich denkt Pablo an
Todsünde und ewige Verdammnis. Auf der anderen Seite wüten Pablos Kameraden wie
die Schlächter unter den Eingeborenen und bekämpfen sich am Ende auch noch
gegenseitig. In den Kampfszenen des elften Kapitels glaubt man sich bisweilen in
einen Groschenroman versetzt, da wird auch schon mal die Logik ein wenig außer
Kraft gesetzt, wenn beispielsweise der Bordhund als rasende Bestie einem Krieger
nach dem anderen die Kehle zerfetzt und erst von Hunderten schwerbewaffneter
Krieger durch eine List erlegt werden kann. Für ein Kinder- und Jugendbuch ist
die Geschichte für meinen Geschmack sowieso etwas zu blutrünstig, wahre
Gräuelszenen spielen sich da mitunter ab, und einige Ausdrücke der Matrosen,
wohl aus tiefster Seele hervorgestoßen, aber eben versaut, wären vermutlich vor
zwanzig, dreißig Jahren noch der Zensur zum Opfer gefallen.
Insgesamt
finde ich das Buch gar nicht schlecht, wenn es auch meiner Ansicht nach nicht
das Format hat, zu einem Klassiker der Kinder- und Jugendbuchliteratur zu
werden, es mangelt ihm doch irgendwie an Originalität, hat den faden
Beigeschmack des Vorverdauten. Der Text ist immer wieder gespickt mit spanischen
Brocken, die, wie auch einige geografische Begriffe oder Fachausdrücke aus der
Seefahrt in den Anmerkungen erklärt werden. Positiv zu werten ist in jedem Fall,
dass diese Anmerkungen gleich am Fuß der jeweiligen Seite stehen und nicht in
einem Anhang am Schluss des Buches, denn ein Jugendlicher wird heutzutage wohl
kaum die Muße aufbringen, immer wieder nach hinten zu blättern.
Fazit:
Das Ei des Columbus ist dieses Buch sicher nicht, aber durchaus lesenswert;
unterhaltsam und spannend geschrieben entwirft es ein realistisches,
ungeschminktes Bild einer bedeutsamen Epoche spanischer
Kolonialgeschichte.
(Werner Fletcher; 03/2006)
Christa-Maria Zimmermann: "Das Gold des
Columbus"
cbj Verlag, 2006. 352 Seiten. (Ab 12 J.)
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Christa-Maria Zimmermann wurde 1943 in
Wels/Oberösterreich geboren. Sie studierte Kunstgeschichte und Geschichte und
arbeitete als Redakteurin bei einer großen Tageszeitung.
Als Autorin wurde
Christa-Maria Zimmermann zunächst mit ihren historischen Kriminalromanen für
Erwachsene bekannt. Inzwischen zählt sie zu den renommiertesten
deutschsprachigen Autorinnen historischer Kinder- und Jugendromane. Sie wurde
mit dem Friedrich-Gerstäcker-Preis für Jugendliteratur 2005/2006
ausgezeichnet.
Weitere Bücher der Autorin:
"Die letzte Fahrt
der Hindenburg"
3. Mai 1937: Die Hindenburg steigt in den Himmel. Drei
Tage wird es dauern, bis Thea und ihr neuer Bekannter Dennis Amerika erreichen.
Drei Tage, von einer Bombendrohung überschattet. Endlich ist die US-Küste in
Sicht, dann der Landeplatz. Die Motoren verstummen. In die Stille ertönt ein
leiser Knall ... (Ab 11 J.)
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"Das Mädchen vom roten
Fluss"
Amerika 1821: Achtzig Schweizer Auswanderer erreichen nach langer
Überfahrt endlich das Land ihrer Träume. Unter ihnen ist der 15-jährige Peter
Rindisbacher, ein aufgeweckter Junge, der sehr gut zeichnen kann. Das Leben in
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wollen die Hilfe der Ureinwohner nicht annehmen. Da lernt Peter die
Halbindianerin Koka und den Indianerjungen Mahingan kennen. Beide verlieben sich
in das bildhübsche Mädchen. Koka muss sich entscheiden ... (Ab 11 J.)
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