"Ich bin ein Musikus"

Mozart für Kinder
Ausgewählt von Peter Härtling, illustriert von Hans Traxler


Das Wunderkind in Briefen und Daten

Dass Mozart kein Mensch war wie die meisten anderen, weiß jedes Kind. Dass er schon sehr früh viel und schöne Musik geschrieben hat, dass er jung gestorben ist, gehört zum Repertoire des schulischen Musikunterrichts, in dem natürlich auch der Begriff "Wunderkind" fällt. Und schon ist Mozart in unerreichbare Sphären abgeglitten; für die Kinder verschwindet der Mensch Mozart als flüchtiger Spuk hinter seiner unsterblichen Musik.

Peter Härtling leistet Abhilfe. In der Einführung erklärt er seinen Lesern - sowohl Kindern als auch begleitenden Erwachsenen - liebenswürdig und einfühlsam das Phänomen Wunderkind oder vielmehr das Phänomen Mozart mit seinen bunten Facetten. Das ist auch notwendig, denn ein Genie lässt sich abseits der biografischen Daten nur schwer erfassen.

Das Büchlein ist abwechslungsreich gestaltet. Der Schwerpunkt liegt auf Briefen, die Mozarts Charakter und seine Lebensumstände widerspiegeln. Adressaten sind vor allem Mozarts Schwester und seine geliebte Cousine, das "Bäsle". Zwischen den Briefen findet man kalendarische Übersichten über die Reisen, Kompositionen, großen Auftritte und sonstige bedeutende Ereignisse im jeweiligen Zeitraum. Eingeschoben wurden zudem kindgerechte, knappe und ausgesprochen liebenswert illustrierte Zusammenfassungen der Handlung wichtiger Mozart-Opern.

Durch die Briefe erschließt sich dem Leser, ob groß oder klein, eine ganz neue Welt. Immer wieder erstaunt die Gelassenheit, mit der Mozart und seine Familie die Strapazen ihrer Reisen, die Intrigen und sogar lebensgefährliche Krankheiten wie die Pocken über sich ergehen lassen. In den Briefen an die Schwester, vor allem aber an das "Bäsle" erweist sich Mozart als ein zuweilen recht kindischer Spaßvogel, dessen Wortwitz immer wieder ins Derbe und Anzügliche abgleitet; oft kann man den eigentlichen Sinn des jeweiligen Briefs vor lauter Wortspielereien nur mehr erahnen oder zu erraten versuchen. Ganz anders präsentiert sich Mozart in zwei Briefen direkt nach dem Tod seiner Mutter: sehr erwachsen, umsichtig und trotz seines spürbaren Schmerzes erstaunlich gefasst.
Ging damit eine verlängerte Kindheit zu Ende, eine Kindheit, die Mozart in anderer Hinsicht gänzlich fehlte? Jedenfalls gibt es im Büchlein keine Briefe aus Mozarts späten Jahren.

Beim Lesen werden Kinder häufig Hilfen benötigen, obwohl der Herausgeber sich bemüht, mittels Fußnoten zumindest fremdsprachliche oder antiquierte Ausdrücke umfassend zu erläutern. Die eigenwillige und zwanglose Rechtschreibung des 18. Jahrhunderts ist gewöhnungsbedürftig. Da stört es auch nicht weiter, dass die Texte des Herausgebers, wie bei Insel üblich, in der alten Rechtschreibung verfasst wurden. (Bei Kinder- und Jugendbüchern halte ich dies sonst für bedenklich.)
Peter Härtling gelingt es, ein umfassendes Bild des Menschen zu vermitteln, der ein Wunderkind war und trotz aller Widrigkeiten sowohl Wunder als auch Kind blieb. Die edle, auch für Kinder ansprechende Aufmachung trägt mit dazu bei, dass man dieses Bändchen gern im Regal hat: zum Lesen, zum Anschauen und zum Nachsinnen über eine der uns heute noch vertrautesten historischen Persönlichkeiten.

(Regina Károlyi; 10/2005)


"Ich bin ein Musikus. Mozart für Kinder"
Insel, 2005. 96 Seiten. (Ab 8 J.)
ISBN 3-458-17265-3.
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Peter Härtling, geboren 1933, veröffentlichte Romane, Essays, Gedichte und Bücher für Kinder.
Hans Traxler, geboren 1929, ist bekannt durch seine Zeichnungen und Illustrationen in Büchern und Zeitschriften.