Hana Neborova, Adolf Born: "Der Golem"
Eine
alte Sage in ein kindgerechtes Gewand gekleidet
Der Golem, eine Sagengestalt aus dem alten Prag, literarisch
wiedererweckt, wie schon so oft, dieses Mal für die junge und
jüngste Lesergeneration, er ist Gegenstand des
farbenprächtigen Bildbandes von Adolf Born, der die
Illustrationen, und Hana Neborova, die den Text beigesteuert hat. Ein
künstlicher Mensch ist der Golem, ein Homunkulus, ein
Geschöpf aus Lehm, das der legendäre Rabbi
Löw erschaffen und dann mit Leben beseelt hat. Ein Wesen, das
zum Wohl und Schutz der jüdischen Gemeinde in Prag wirken
sollte; nachdem es aber außer Kontrolle geraten war und
Verwüstungen in der Judenstadt anrichtete, entzog ihm der
Rabbi Löw das Leben wieder. Ein idealer Stoff für
jugendliche Adressaten. Zielgruppe sind Kinder ab etwa zehn Jahren,
deren Verständnishorizont Hana Neborova durch die Wahl ihrer
sprachlichen Mittel auch Rechnung trägt.
Angeblich lieferte der Golem auch die Vorlage zu Goethes
Zauberlehrling, und nicht nur Goethe, auch andere Schriftsteller wie
Kafka oder
Meyrink, der dem Golem seinen wichtigsten und bekanntesten
Roman widmete, waren fasziniert von dem Stoff, der hier nun
in einer
bebilderten und in ein kindgerechtes Gewand gekleideten Ausgabe
vorliegt.
Bei der Konzeption ihres Textes hatte Hana Neborova wohl auch eine
pädagogische Absicht vor Augen, nämlich Ursachen und
Wurzeln des Antisemitismus aufzuzeigen. Die grotesken Beschuldigungen
gegen die Juden, die Kinder der Christen zu schlachten, um aus ihrem
Blut Brot zu backen, die Brunnen in der Stadt zu vergiften, die
Pest
einzuschleppen etc. finden hier Erwähnung ebenso wie
die
Existenzängste der Gettobewohner, die andauernden Verfolgungen
und Nachstellungen seitens der christlichen Bevölkerung
ausgesetzt waren. Und von der Destruktivität des Hasses, vor
allem von seinem selbstzerstörerischen Element ist die Rede,
vom Hass, der in der Gestalt des fanatischen Priesters
Thaddäus verkörpert ist und der sich auch hier am
Ende selbst zerstört.
Zum spannend erzählten Text liefern Adolf Borns stimmungsvolle
Bilder die ideale Ergänzung. In oft ganzseitigen
Illustrationen beschwören diese Bilder den
geheimnisumwitterten mystischen Geist herauf, der das alte Prager
Judenviertel beherrschte, diesen ganz eigentümlichen, von
Mystik und Spuk durchtränkten Gettogeist, die Romantik einer
gespenstischen Vergangenheit.
Das auch oder gerade für Kinder gut zu lesende Schriftbild
sowie der gelungene Kontrast von Schrift und Hintergrund sind es
ebenfalls noch wert, erwähnt zu werden. Ein schöner
Geschenkband für Kinder ab etwa zehn Jahren.
(Werner Fletcher; 10/2006)
Hana
Neborova, Adolf Born: "Der Golem"
Aus dem Tschechischen von Ivana Beil und Lisette Buchholz.
Gerstenberg Verlag, 2006. 64 Seiten. (Ab 10 J.)
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Adolf Born, geboren 1930, studierte in Prag an der Schule für angewandte Kunst und an der Akademie der Schönen Künste. Er hat über 230 Bücher illustriert, für die er mit über 50 nationalen und internationalen Auszeichnungen geehrt wurde. Seine Ausstellungen waren auf der ganzen Welt zu sehen.