Sylvia Schneider, Mathias Weber: "Die Fleckenfieslinge"
Julius besiegt den Krebs
Manchmal
ändert sich das Leben von einem Augenblick zum
nächsten
Die Diagnose Krebs bei einem Familienmitglied erschüttert die
ganze Familie. Ein Krebsleiden im Kindesalter stellt dabei sicher ein
besonderes Problem dar. Die kleinen Patienten erleben die
Verletzlichkeit ihres Körpers, fühlen sich hilflos
und ausgeliefert. Ihre Eltern und Geschwister sind meist ebenso hilflos
und schweben zwischen Bangen und Hoffen.
"Die Fleckenfieslinge" von Sylvia Schneider und Mathias Weber
führen Betroffene feinfühlig an das schwierige Thema
heran.
In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 1.800 Kinder an Krebs, davon
allein 700
an Leukämie. Krebs ist die zweithäufigste
Todesursache bei Kindern nach Unfällen.
Doch in den letzten Jahren wurden große Fortschritte bei der
Behandlung der Leukämie erreicht, die Heilungschancen liegt
heute bei deutlich über 80 Prozent.
Es reicht jedoch nicht aus, ein krebskrankes Kind nur medizinisch zu
betreuen. Durch die meist aggressive und oft intensivmedizinische
Behandlung stoßen die kleinen Patienten
regelmäßig an die Grenzen der Belastbarkeit.
Aber auch Eltern und Geschwister sind einer großen
psychischen Belastung ausgesetzt. Vater und Mutter widmen ihre
Aufmerksamkeit verständlicherweise hauptsächlich dem
kranken Kind; Geschwister leiden oft unter Isolation, Einsamkeit und
einem Hin und Her zwischen Schuldgefühlen und Eifersucht.
Wie können Eltern damit umgehen? Wie erklären sie es
dem Kind und den Geschwistern? Denn Kinder können sich unter
dem Wort "Krebs" nichts vorstellen. Alles ist unheimlich und neu und
für das erkrankte Kind oft auch sehr unangenehm oder gar
schmerzhaft.
Mit einer Geschichte, die vieles durchschaubar macht, werden die Kinder
in diesem Buch einfühlsam an das Thema Krebs
herangeführt.
Einfühlsam, aber ohne Umschweife
Die Geschichte "Die Fleckenfieslinge" beginnt damit, dass Paula im
Kinderzimmer sitzt, jede Menge Spielzeug vor sich ausgebreitet hat und
überlegt, was sie ihrem kleinen Bruder schenken
könnte. Denn Julius liegt im Krankenhaus. Er hat
Leukämie. Zum ersten Mal darf Paula mit ins Krankenhaus.
Mama und Papa sind oft bei ihm, vielfach sogar über Nacht.
Für Paula haben sie jetzt wenig Zeit und ohne Julius - auch
wenn sie sich früher oft gestritten haben - ist es doch ganz
schon langweilig. "'Ich glaube, ich mache Julius eine
Schutzfee', schlägt Paula Mama vor. (...) 'Die Fee kann ihn
beschützen, wenn es ihm nicht gut geht. Vielleicht kann sie
sogar seine Schmerzen wegzaubern, wenn sie über seinem Bett
hängt', überlegt Paula."
Einfühlsam aber trotzdem ohne Umschweife erzählt
Sylvia Schneider den Verlauf der Krankheit: die ersten Anzeichen, als
Julius ständig müde ist, er dem Kinderarzt
vorgestellt und daraufhin gleich ins Krankenhaus geschickt wird. Julius
fürchtet sich natürlich, denn er war noch nie im
Krankenhaus. Arzt und Schwestern erweisen sich jedoch als ausgesprochen
nett, auch wenn die Diagnose mehr als niederschmetternd ist: Blutkrebs.
Blutkrebs? Julius weiß nicht, was das ist. Aber Schwester
Margit und der Arzt erklären es dem kleinen Buben sehr
einfühlsam und anschaulich: "Du hast
Fleckenfieslinge in deinem Blut, die wollen wir jetzt gemeinsam wieder
'rauswaschen'! (...) Da helfen wir dir mit Medikamenten, dir wir in
dein Blut tun. Das nennen wir Chemotherapie. In den Medikamenten sitzen
kleine Chemozwerge, die die Fleckenfieslinge bekämpfen sollen."
Leider muss Julius dazu im Krankenhaus bleiben, einige Woche lang.
Das Buch zeigt den Alltag auf einer Kinderkrebsstation und jenen ihrer
kleinen leidgeprüften Patienten, ohne zu sentimental zu sein.
Nebenwirkungen wie Übelkeit und Schmerzen werden genauso
angesprochen wie Haarausfall, medizinische Schläuche und
Tropfenständer für die "Fleckenfiesling"-Medizin.
Liebevoll illustrierter Wegweiser durch ein schwieriges Thema
Wesentlichen Anteil am Gelingen dieses großartigen
Bilderbuches haben die wunderschönen Illustrationen von
Mathias Weber. Mit klarem, kräftigem Bleistiftstrich skizziert
er einfache, aber äußerst liebevolle Figuren, die
größtenteils fröhliche Gesichter zeigen.
Auch wenn es Julius einmal nicht so gut geht, so ist seine Mimik
niemals angstvoll oder erschreckend für kleine Kinder. Mit
warmen Aquarellfarben tuscht Weber harmonische Farben in seine Umrisse.
Goldgelbe Hintergründe zaubern ein wenig Sonne und Heiterkeit,
nehmen dem Krankenhaus die sterile Atmosphäre und erzeugen ein
insgesamt äußerst stimmiges visuelles Gesamtbild.
Am Ende kann Julius wieder nach Hause. Er hat seine Krankheit besiegt.
Aber seine Mitpatientin und kleine Freundin Sophie muss noch
länger bleiben. Was bietet sich da an, als ihr die von seiner
Schwester überreichte Schutzfee zu schenken. "Ich
brauche sie jetzt nicht mehr. Jedenfalls nicht so sehr wie du."
Und Paula hat sicher nichts dagegen. Denn "da geht es Sophie
gleich wieder viel besser."
Dieses Buch ist ein kleiner illustrierter Wegweiser durch die schweren
Etappen des Krankheitsverlaufs von der Diagnose Leukämie bis
zur Genesung. Es erklärt den kleinen Patienten die Erkrankung,
die notwendigen Untersuchungen und fungiert so für Eltern als
kleine medizinische und psychologische Hilfestellung, um gemeinsam die
schwere Zeit besser zu bewältigen. Auch tangierende
Geschwisterteile erfahren liebevoll, dass der kleine Patient jetzt mehr
Aufmerksamkeit benötigt.
Für betroffene Eltern gibt es am Ende des Buches einen kleinen
Informationstext und Angaben darüber, welche Einrichtungen in
Deutschland, Österreich und der Schweiz Hilfe und Beratung
anbieten.
Ein durchweg sehr zu empfehlendes und positives Buch. Es lässt
vor allem Kinder nicht mit ihren Sorgen allein, sondern gibt Hilfe,
diese schwere Zeit zu überwinden.
Fazit:
Gemeinsam mit einer zusätzlichen Informationsseite
für Eltern vereinfacht und illustriert das Bilderbuch die
sensible Kommunikation zum Thema
Krebs bei
Kindern.
Es ist geeignet für erkrankte Kinder, Geschwisterkinder und
Kindergruppen.
Empfohlen für ein Alter ab 5 Jahren, Kinder ab 3 Jahren
könnten jedoch auch schon an die liebevoll gezeichneten Bilder
herangeführt werden.
(Heike Geilen; 03/2008)
Sylvia
Schneider, Mathias Weber: "Die
Fleckenfieslinge. Julius besiegt den Krebs"
Annette Betz, 2008. 32 Seiten. (Ab 3 J.)
Buch
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