Frank Meier: "Von allerley Spil und Kurzweyl"
Spiel und Spielzeug in der Geschichte
Spiel
doch, Mensch!
"Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch
ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." - so postuliert es
Friedrich
Schiller in seiner 'Ästhetischen Erziehung des
Menschen' (1795). Und recht hat er damit - denn gespielt haben die
Menschen schon immer - als Kinder, als Erwachsene - aus Langeweile, aus
Freude, mit ihrem Leben - meist zur Überbrückung der
Zeiträume, in denen sie fremdbestimmte Verrichtungen zu
erledigen hatten. Also ist das Spiel ein Teil Selbstbestimmung?! Wenn
das so einfach wäre! Ach was war es so schön, in den
1960er Jahren als Kind sich in Spielzeugläden aufzuhalten -
was gab es da alles an "idyllischem" Spielzeug, wovon heutzutage
niemand mehr eine Wertvorstellung hat! Ja - Spielen als Wert!
Jedenfalls musste und muss die Freizeit irgendwie ausgefüllt
werden mit Geschicklichkeits-, Karten- und Brett- oder
Rätselspielen. Zu Zeiten, da es weder Fernsehen, Video oder
Computer gab, wusste man sich dennoch kurzweilig zu unterhalten und
womöglich sogar intelligent zu beschäftigen. Meier
führt "anhand von archäologischen Funden und
zahlreichen Quellen ... in die Welt des Spiels und des Spielzeugs in
Antike, Mittelalter und Neuzeit" ein (vgl. Klappentext).
Es gibt Spiele, die haben Jahrhunderte überdauert, sie bilden
quasi ein (alltags)kulturelles Kontinuum. Spiele dienen also per
definitionem der Freizeitgestaltung, haben
Wettbewerbscharakter oder tragen zum Gemeinschaftsgefühl bei -
auf jeden Fall sollten sie eines erreichen: amüsieren - und
das vielleicht auf niveauvolle Art. Gassenbuben und Stubenhocker
spielen unterschiedlich, Kinder und Erwachsene ebenso, auch Arme und
Reiche. Für Jean Paul galt das Spiel als die "erste Poesie des
Menschen", der Kulturhistoriker Johan Huizinga stellt den homo
ludens dem homo faber gegenüber
und erkennt, dass das Spiel außerhalb der unmittelbaren
Befriedigung von Notwendigkeiten steht.
Interessant wäre die Frage, worin sich das Spiel beim Menschen
und beim Tier unterscheidet. Oder ob das Tier überhaupt
"spielt"?!. Denn schließlich lenkt das "Spiel" nur davon ab,
dass wir Lebewesen Durst und Hunger haben und kopulieren wollen.
Andererseits ist das Spiel auch ein Bestandteil der
Kopulationsregularien. Fest steht jedenfalls, dass manches Spiel auf
den Ernst des Lebens vorbereitet - und dass einige Spiele (v.a. im
modernen Profibereich) zu ernst genommen werden. Spiele bereiten doch
eigentlich vor, Spiele ahmen auch nach, Spiele begleiten oder lenken
ab, Spiele haben sakralen Charakter, Spiele können
süchtig machen - und Spiele können die materielle
sowie psychische Existenz ruinieren. Jungen und Mädchen werden
mit unterschiedlichem Spielzeug auf die spätere
gesellschaftliche Rollenerwartung eingestimmt. Neben quasi
soziologischen und individualpsychologischen Überlegungen
präsentiert uns Meier v.a. einen syn-/diachronischen
Überblick zur Entwicklung der Spielkultur - insofern man das
Spielen als wesentlichen Bestandteil von Kultur zu akzeptieren bereit
ist.
Die Wurzeln europäischer Spiele liegen
erwartungsgemäß
in der Antike, dabei
gehörte Würfeln wohl zu den
Lieblingsbeschäftigungen, wobei recht bald das Problem
entstand, ob es sich dabei um private Erbauung oder aber um
öffentliches Glücksspiel handelte. Das Spielen stand
schon immer im quasi moralischen Widerstreit. Nach der Vorstellung
Platons sollte kindliches Spiel auf den Beruf vorbereiten -
für Aristoteles bedeutete das Spiel der Kinder dagegen einfach
Freiheit. Spielsachen hatten bei den Griechen und Römern
erzieherischen, ja sogar religiösen Wert. Jedenfalls spielte
man kindlicherseits Verstecken, Hüpfen oder Tauziehen, man
hatte Bälle, Steckenpferde oder Schaukeln sowie
Soldatenfiguren, Puppen, Drachen und Steinschleudern. Viele dieser
Spiele sind durch Vasenmalereien bekannt.
In der Ständegesellschaft des Mittelalters diente das Spiel
u.a. auch der Abgrenzung der höheren Stände nach
unten (und umgekehrt?). Dazu muss man auch das adelige Kampfspiel und
den höfischen Tanz zählen. Steinstoßen,
Kegeln, Würfeln, Bogenschießen, Reiten, Jagen
könnten auch als Spiel-Formen verstanden werden, ebenso wie
unterschiedliche Arten von Ritterturnieren. Die Grenze des Spiels zu
ständischen Gepflogenheiten ist ebenso fließend wie
zu sportlichen Disziplinen. Mit der Armbrust wurde das
bürgerliche Schützenfest zelebriert, dazu kamen
unterschiedliche Ballspiele und Ringen. Meier hat Textstellen in
mittelalterlichen Epen gefunden, wo es um das
Schachspiel oder
Mühle geht. Im übrigen wurden Glücksspiele
mit dem Teufel verbunden, gerade weil oft Alkoholgenuss hohe Verluste
bedingte. Ähnlich den Würfeln geriet auch das
Kartenspiel zum Teufelswerk.
Für Friedrich Fröbel, den Begründer der
Kindergartenidee im 18. Jahrhundert, lag die Quelle alles Guten im
Spiel. Pestalozzi plädierte für ein
"nützliches" Spiel. Was uns genau in den Konflikt bringt, ob
das Spiel zweckvorbereitend oder zweckfrei zu sein habe. Abgesehen von
alledem erläutert uns Meier die historische Entwicklung und
Bedeutung von Puppen sowie die Entwicklung der Spielzeugherstellung.
Ein besonderer Service sind Spielanleitungen historischer Spiele im
Anhang, womit dieses mit zahlreichen farbigen Abbildungen illustrierte
Buch empfehlenswert wird. Man sieht jedenfalls wieder einmal, wie
prägend das Spielen für uns Menschen ist - und man
könnte noch so manche Theorie weiterentwickeln, die hier in
vitalen Ansätzen anklingt. Auf jeden Fall weckt dieses Buch
unsere Spielfreude.
(KS; 10/2006)
Frank
Meier: "Von allerley Spil und Kurzweyl"
Thorbecke Verlag, 2006. 192 Seiten.
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Prof.
Dr. Frank Meier lehrt mittelalterliche Geschichte und ihre Didaktik an
der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Im Thorbecke Verlag
erschienen von ihm:
"Gaukler, Dirnen, Rattenfänger. Außenseiter
im Mittelalter"
Gaukler, Dirnen und Rattenfänger - auf den ersten Blick haben
diese drei Gruppen wenig gemein, doch im Mittelalter galten sie
allesamt als "ehrlos". Von der besseren Gesellschaft verfolgt oder
gerade einmal geduldet, teilten sie einen Platz am Rande mit anderen
Außenseitern: Bettlern und Henkern zum Beispiel. Ihre oftmals
andere Lebensweise, ihre Fremdheit und ihre schillernden
Künste zogen viele Menschen an, flößten
aber auch Furcht ein. Wie kam es dazu, dass ein Mensch in diese Klasse
der Ausgeschlossenen abrutschte, wie sah sein Leben dort aus, und hatte
er die Chance, diesem Kreis wieder zu entkommen? Frank Meier
präsentiert uns einen faszinierenden Blick in die
Parallelgesellschaften des Mittelalters.
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"Mit Kind und Kegel. Kindheit und Familie im Wandel
der Geschichte"
Kindheit und Familie sind Themen, die Menschen seit jeher bewegen. Doch
gab es im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
überhaupt eine richtige Kindheit, oder waren Kinder eher
kleine Erwachsene, die ihren Beitrag für die Familie leisten
und oftmals schon früh arbeiten mussten?
Frank Meier spürt in seinem Buch anhand von historischen
Quellen der Geschichte der Kindheit nach. Er beschäftigt sich
mit Kinderspielen und Familienplanung, mit
Kindsmord,
Jugendkriminalität und Kinderarbeit und zeichnet so ein
anschauliches Bild von Kindheit und Familie zwischen dem 9. und dem 18.
Jahrhundert.
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"Religiöser Fanatismus" zur Rezension ...