Diethelm Kaminski
Hortensie
Erste
Schminkversuche.
Die Palette der Lidschattentöne
in voller Breite ausprobiert.
Unentschlossen,
welche Farbe
ihrem Typ gemäß.
Hilfloses Verharren
vor dem Überangebot
der Möglichkeiten
mit unfertigem Gesicht.
Kamelie
Die
spröde Schöne
lässt sich Zeit.
Der
Wirksamkeit
extremer Langsamkeit
bewusst,
bereitet sie sich
hinter verschlossenen
Garderobentüren
auf den großen Auftritt vor.
Endlich öffnet
sich der Vorhang.
Die Diva
zeigt sich
in
makelloser Purpurpracht
und nimmt
huldvoll
die Ovationen
der Bewunderer
entgegen.
Die Farbe Weiß
Weiß
ist die Farbe deines Kleides,
weiß die Farbe deiner
schönen Seele,
die nicht verträgt,
dass
sie mich quäle,
die annimmt sich jedweden Leides
und meine Sehnsucht stillt,
indem sie
überquillt
vor Zärtlichkeit und Liebe.
Wie
gerne meine schwarze Seele
sich an deiner weißen riebe,
wenn du erlaubst,
dass sie sich zu
der deinen legt.
Orchideengarten
Wunder
über Wunder warten
im städtischen Orchideengarten.
Schier unerschöpflich
die Vielfalt
nie gesehener Arten!
Man könnte in Euphorie
angesichts dieser Schönheit geraten.
Ein
kleiner Garten Eden
für jeden.
Sommerschock
Die Rosen blühen en bloc
an einem dünnen
Stock:
ein hohes Klettergerüst,
das
dicht besetzt
mit roten Rosetten ist.
Ein
Farbenschock
von Purpur und
von
Karmesin.
Der will mit Macht uns
in
den Sommer ziehn.
Gartenwicken
Neugierig
aus dem grünen Dickicht blicken,
mit rosavioletten Köpfen,
Gartenwicken.
Sie sichern ihre schwache Existenz
mit winzigen Spiralen,
mit denen sie sich in das Blattwerk
fremder Pflanzen krallen.
Am liebsten würden sie sich
mit sich selbst verstricken,
um, Kopf an Kopf,
einander zuzunicken
und sich in Lust
und Zügellosigkeit zu schicken.
Ganz ohne Hemmung
reiben, drängeln sie sich überall.
Ein hundertfacher stummer Sündenfall.
Schlafmohn
Ich
fühle elend mich,
mutlos und schlaff.
Mohn,
öffne mir
die reifen Kapseln.
Schenk
mir
den allertiefsten Schlaf.
Mein
Leben wird sich
immer mehr verhapseln.
Ich
glaube nicht,
dass ich es ohne deine Hilfe schaff.
Gladiolen
Gladiolen:
Blendend weiße Banderolen
zwischen
den Polen
Himmel und Erde,
auf
dass inmitten
ordinärer Blumenherden
Zeichen
himmlischer Schönheit werden.
Gleich
Schalmeien
reihen
sich Trichter
an Trichter.
Sie verleihen
einem
selbsternannten Dichter,
damit er ihre Existenz auf
Dauer
mit Hilfe seiner Verse rette,
den
Orden ihrer Lichterkette.
Hortensie
Die
Farben sind fahl,
die Blätter schmal
geworden.
Sie sind dabei,
sich auf die Widrigkeiten
des Winters vorzubereiten.
Sie ducken
sich,
kriechen zusammen,
um
zu überleben
und um dann im Sommer reichlich
von ihrer Schönheit abzugeben.
Bougainvillea
Die
Bougainvillea wirkt bei uns
verkümmert und degeneriert,
weil sie sich in so düsteren Zeiten
furchtsam
verkriecht und friert.
Zur vollen Prachtentfaltung
ist sie nur bereit im Süden.
Am
liebsten hätte sie
unsere unwirtlichen Breiten
völlig vermieden.