(...) Bemüht, nicht den geringsten Lärm zu verursachen, gelangten Arjiris und hinter ihm die anderen an eine von hochaufragendem Gebüsch idealgeschützte Stelle; dort konnte man zwischen Blättern und Zweigen durchschlüpfen, ohne sie beiseite schieben zu müssen, um vor sich - das faszinierende Schauspiel zu haben: die Hasen, die miteinander spielten ...
Nur hätte man, wären sie nicht vom hellen Schein des Mondes und der Sterne umflossen gewesen, diese dunkelfarbigen Tiere dort unten gar nicht sehen können ... zu dunkel für Hasen und - außer drei kleinen - auch zu groß ...
Anfangs sagte niemand ein Wort - was für Tiere es auch sein mochten, ihre Anmut beim Spielen war unvergleichlich ... Langsam aber fingen alle an zu verstehen (Heschios und Fewronia auf ihre Art, und auf ihre Art die Kinder), daß diese Tiere jedenfalls keine Hasen waren, auch keine Marder oder Füchse.. Und kalter Schweiß lief ihnen über den Rücken: Es waren ... Wölfe.
"Meine Güte!" stammelte - jetzt noch ehrfürchtiger - Arjiris, der auch der Älteste war.
Fewronia sah ihn an, mit einem Blick, der durch diese seltsamen Umstände etwas unwirsch und forschend wurde:
"Dein Güte! ..." sagte sie leise, mit einem gewissen Ärger in der Stimme. "Hast du uns deshalb gebeten, ja keinen Lärm zu machen? Damit die hier nicht weglaufen?"
Der Junge sah sie erstaunt an, stumm: Er hatte doch selbst nicht gemerkt, - als er sie zum erstenmal sah -, daß es keine Hasen waren .... (und sollte er, tief in seinem Unterbewußtsein, irgend etwas geahnt haben, so wußte er doch nicht, was für Tiere es waren).
Es war ein Wolfspaar mit seinen drei Jungen - und noch ein älterer und durchaus imposanterer Wolf als die beiden anderen großen .... Alle drei verharrten in einer merkwürdigen Haltung, die sie kaum veränderten, aus der sie sich nicht lösten: In der Mitte, beherrschend, stand der älteste, den Rücken dem erschauernden Blattwerk zugewandt, den schräg erhobenen Schwanz gelassen zu einer Seite hin bewegend; sein Kopf war etwas nach hinten zu den spielenden kleinen Wölfen gedreht. (Dies, der Behauptung zum Trotz, die Wölfe seien unfähig, den Nacken zu drehen; sie drehen ihn wohl; aber auf eine Weise, die diese Bewegung einmalig - und zutiefst beeindruckend - erscheinen läßt.) Er hatte auch den Rachen geöffnet: Die Zunge steckte da hervor wie das Blatt einer Mohn
blume ... Neben ihm, etwas hinter ihm, aber ganz nah an seinem Hals, stand der zweite große Wolf, der den ersten ununterbrochen beschnupperte und von Zeit zu Zeit an der Schnauze leckte; überhaupt nicht an den Kunsstücken der Kleinen interessiert, die Ohren nach hinten gestellt, hielt er die Vorderfüße eng beieinander, seine Beine bildeten ein - wir würden sagen, sehr elegantes - V. Sein Schwanz hing herab, seine Augen waren wahrscheinlich geschlossen.. Und an der anderen Seite, von den erstarrten Menschen gesehen aus links, ihnen ebenfalls direkt gegenüber, stand der dritte Wolf mit der gleichen eleganten Haltung der Vorderbeine, dem gleichen offenen Rachen wie der erste, dieser aber leckte keinen und auch sich selbst nicht; Er blickte nur vor sich hin, auf die niedlichen Wolfsjungen (es war wohl die Wölfin), und vielleicht - vielleicht - würden die, die sich hinter den Blättern versteckt hielten, nicht lange ihrer Aufmerksamkeit entgehen ...
In kalten Bächen rann ihnen der Schweiß herunter; Sie waren ausgezogen, um Hasen zu sehen, und standen vor einer königlichen Familie von Wölfen ... Vor Schreck und Verwirrung wagten sie nicht einmal zu blinzeln, ihre Lippen blieben - bis auf das Flüstern zwischen Arjiris und Fewronia - fest geschlossen.
Da sie nun aber einmal hier waren, da - offensichtlich - die Wölfe den Hasen zuvorgekommen waren oder sie von ihren Wiesen vertrieben hatten und weil, das war das Wichtigste, die kleine Ioulia von diesem Unterschied weder enttäuscht noch von Panik ergriffen zu sein schien) ganz im Gegenteil, sie betrachtete sie gebannt mit offenen Augen und holte hin und wieder erzitternd tief Atem, als würde sie gleich fliegen) - weil also das alles so war, blieben sie wie durch eine gemeinsame stillschweigende Vereinbarung dort und sahen wie gebannt auf das Spiel der kleinen Wölfe und die stille Majestät der drei anderen. Und im übrigen, wenn es sich nicht um Wölfe gehandelt hätte, das heißt um die Furcht, welche ihr Name einflößt, wäre der Schrecken dieser Menschen zweifellos Seligkeit gleichgekommen und ihr Staunen über das, was sie sahen, Verzückung ... Denn die Wölfchen waren nicht weniger niedlich als
kleine Lämmer oder kleine Hunde.. Und was die Großen angeht - wir dürfen es sagen -, sie gehören zu den stolzesten und schönsten Tieren und werden doch so verleumdet und verfolgt ...
Wenn man es genau betrachtet, sind sie wild und
wünschen es auch zu bleiben.

"Das hat uns noch gefehlt, daß wir jetzt auch noch anfangen, die Wölfe zu lieben", dachte Hesychios, verstohlen auf seine Kinder blickend, die - mit Leib und Seele hingegeben - das Geschehen auf der Lichtung beobachteten (die kleinen Wölfe tummelten sich jetzt zwischen den Beinen der Großen, forderten sie zum Mitspielen auf). Er hielt die kleine Ioulia zwischen seinen gebeugten Knien fest, und ihre zarten winzigen Regungen, ihr Zittern, das Zucken ihrer Taille und eine unsagbare Freude auf ihrem Gesicht ließen ihn glauben, sie würde aus seinen Armen gleiten und, auf geht`s, ... laufen!
(...)


(aus "Und beim Licht des Wolfes kehren sie wieder" von Siranna Sateli;
Kiepenheuer & Witsch Verlag")