Sylvia Schopf: "Sieben Schöpfungsgeschichten aus aller Welt"
Mit Illustrationen von Kirsten Reinhold
Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was ist der Sinn unseres Lebens?
Diese drei Fragen werden überall auf der Welt von Menschen gestellt und
zu beantworten gesucht. Naturwissenschaft und Religion müssen
diesbezüglich miteinander nicht kollidieren.
Das geht auch aus vorliegendem Buch hervor, wo allerdings hauptsächlich
Antworten auf die Herkunft der Schöpfung und somit auch der Welt
gefunden werden wollen. Der Urknall und das Davor?
Anna-Lena macht sich so ihre Gedanken, und Herr Pauli erzählt ihr im Laufe einer
Woche Schöpfungsmythen unterschiedlicher Kulturkreise. Beginnend mit den Munda,
welche zu den ältesten heute in Indien lebenden Völkern gehören, und die neben
dem obersten Gott an eine Menge Naturgeister glauben, die in Flüssen, Wäldern
und auf Hügeln leben. Um ihren Glauben zu praktizieren brauchen diese Menschen
keine Kirchen oder Tempel. Und endend mit den Buchreligionen Christentum, Judentum
und Islam. Interessant ist hierbei, dass sämtliche beschriebenen Naturreligionen
gegenwärtig durch die Christianisierung zurückgedrängt wurden und oft nur mehr
eine Art von "Nischenglauben" darstellen. Es wirkt ein wenig kontraproduktiv,
wenn in den ersten sechs Kapiteln jene Naturreligionen beschrieben werden, die
vom Christentum nahezu (in missionarischem
"Eifer") abgelöst wurden, um am Ende dieses Christentum ebenso sachlich und
kritiklos zu betrachten. Das grobe Problem mit diesem Buch ist nämlich rückbezüglich
die objektive Darstellung der Naturreligionen im Kontext zu deren Schöpfungsgeschichten,
wodurch der Erzählstrang mit Anna-Lena und Herrn Pauli eine seltsame Eindimensionalität
bekommt.
Der ursprüngliche Glaube der Inuit und somit das Schamanentum oder der
Glaube der Bakuba (demokratische Republik Kongo), deren "Gott"
erstaunlicherweise als weißhäutig betrachtet wird, und der sich nach
der Erschaffung der ersten Tiere, Menschen und Pflanzen auf der Erde
und der Geistermächte der Natur in den "Himmel" zurückgezogen hat,
werden allzu sachlich beschrieben, sodass die Reflexionsmöglichkeit des
Kindes in Frage gestellt sein mag. Anna-Lena erkennt Gemeinplätze der
Naturreligionen und stellt hie und da eine vernünftige Frage. Doch in
erster Linie hört sie Herrn Pauli ergriffen zu und scheint seinen
Ausführungen in
keiner Weise widersprechen zu wollen. Der freundliche Herr schenkt ihr
bezeichnenderweise eine "Bibel - erzählt für junge Menschen", als wäre
sie nicht dazu in der Lage, die Geschehnisse insbesondere des neuen
Testaments selbstreflexiv zu interpretieren und bräuchte eine "Stütze".
Jedes Kapitel besteht aus drei Teilen: Eine winzige Erzählung mit dem nahezu
allwissenden Herrn Pauli und Anna-Lena in den Hauptrollen. Die jeweilige Schöpfungsgeschichte.
Hintergrundwissen und Darstellungen von kulturell bedeutsamen Symbolen.
Leider wurde mit diesem Buch einiges an Möglichkeiten verschenkt. Die
Erzählung ist bedauerlicherweise bedeutungslos, da Anna-Lena und Herr
Pauli nur irgendwelche grobe Skizzen von Menschen umreißen und ihre
Handlungs- und Denkweisen stereotyp sind. Zudem entdeckt das Mädchen am
Ende einige wichtige Gemeinsamkeiten bezüglich der
Schöpfungsgeschichten. Das widerspricht dem frontalen
Objektivitätsgedanken, der lange Zeit diese Erzählung beherrscht. Es
wäre in dieser Hinsicht besser, wenn der kleine oder größere Leser für
sich Quellen entdeckt, die als Schlüsselelemente der
Schöpfungsgeschichten bedeutsam sein mögen. Irgendwelche Hinweise, wie
sie meinetwegen in Ratekrimis für Kinder üblich sind, haben hier
keinerlei Sinn.
Spannend und lehrreich (im Sinne von Märchen) sind die
Schöpfungsgeschichten, wenn die Leser sie auf sich wirken lassen, ohne
mit irgendwelchem vorangehenden Firlefanz eingelullt zu werden. Die
sachlichen Informationen stellen wichtige und notwendige Ergänzungen zu
den Schöpfungsgeschichten dar. Es wäre wohl besser gewesen, auf den
Erzählstrang zu verzichten und sich voll und ganz auf die
Schöpfungsmythen
(ohne weiters auch objektiv) zu konzentrieren. In dem Moment aber, wo
eine Erzählebene mit einer Reflexionsmöglichkeit eingebaut ist, muss
zwangsläufig die subjektive Vorstellung Einzug halten. Dass dies nicht
geschieht, ist
nun einmal dem Buch vorzuwerfen.
Die Illustrationen sind ausgezeichnet und ergänzen die
Schöpfungsgeschichten kongenial. Dadurch wird viel Farbe in eine Welt
geworfen, die gerade in Hinblick auf Glaubensrichtungen heutzutage oft
nur schwarz-weiß gesehen wird. Ein herrliches Farbenpanorama erschließt
sich dem Betrachter. So soll es sein, und so vielfältig sind auch die
Glaubensinhalte und kulturellen Strukturen.
(Klabauter; 09/2005)
Sylvia Schopf: "Sieben
Schöpfungsgeschichten aus aller Welt"
Illustrationen von Kirsten Reinhold.
Patmos, 2005. 93 Seiten. (Ab 8 J.)
ISBN 3-491-79747-0.
Buch bei buch24.de bestellen
Buch
bei amazon.de bestellen