Arnulf Zitelmann: "Die Geschichte der Christen"
(Hörbuchrezension)
"Das religiöse
Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation
gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur,
das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie
ist das Opium des Volks."
(Karl Marx; aus den Thesen über Feuerbach -
1845)
Man könnte eigentlich darauf wetten, dass dieses
Hörbuch in keiner sorgsam geführten Bibliothek der römisch katholischen
Kirche Aufnahme finden wird. Es sei denn, der Bibliothekar ist ein heimlicher
Aufbegehrer. Ein Mann also, der auf die schweigsame Toleranz seines
unmittelbaren Vorgesetzten vertraut und welchem ein gewisser Wagemut nicht ganz
wesensfremd ist. Arnulf Zitelmanns Geschichte der Christen liegt nämlich wohl
nicht ganz auf der Linie einer missionarischen Glaubenslinie, der es um die
Fiktion einer von aller Sünde reinen Kirche Christi geht. Vielmehr gelangt bei
Zitelmann eine christliche Geschichte zur Inszenierung, die - so scheint es -
immer schon keineswegs durchgehend und umfassend durch den allgerechten
himmlischen Herrn inspiriert war.
Zweitausend Jahre christliche Geschichte beginnen - wie könnte es anders sein
- mit dem Auftreten des historisch hinreichend verbürgten Jesus Christus, dessen
Aufforderung zur Gefolgschaft sich an die "geistlich Armen" richtet (Adolf Holl
spricht von "schlechter
Gesellschaft"), also an die einfachen Menschen, welche theologisch unverbildet
und im Machtgefüge jener Zeit marginalisiert sind. "Denn ihrer ist das Himmelsreich
auf Erden" weiß Matthäus in seiner sogenannten Bergpredigt zu berichten, mit
welcher er die Kernthesen von Jesu Botschaft zusammenfasst. Eine Botschaft,
die faszinierend und provozierend zugleich wirkte, was, so Zitelmann, in einer
historischen Situation permanenter Krisenstimmung - Israel war von den verhassten
Römern besetzt - auf die Dauer nicht gut gehen konnte.
Schon die Person des Wanderpredigers und Religionsgründers, Jesus, ist bei Zitelmann
nicht eine weltentrückte Lichtgestalt göttlicher Herkunft, sondern in einem
gewissen Sinne ein massenwirksamer Aufrührer und Rebell, dessen Ziel die Aufhebung
der religiösen Zweiklassengesellschaft war und der solcherart die Herrschenden
schlussendlich zur mörderischen Konsequenz reizte. Die Pilgerreise der "geistlich
Armen" nach Jerusalem - eine weitere Provokation der um Stabilität bemühten
geistlichpolitischen Elite Israels - sollte zur vorläufigen Zerschlagung der
Jesusbewegung durch die Obrigkeit führen, und für Zitelmann grenzt es an ein
Wunder, dass die Geschichte des Christentums hernach überhaupt noch weiter gegangen
ist.
Und was für eine wechselvolle Geschichte das dann war. Zitelmann gesteht den
frühen Christen eine große Überzeugungskraft zu, denn sie waren so ziemlich
die Einzigen, die sich hingebungsvoll um Kranke, Alte und Kriegsopfer
kümmerten. Auch mit der intellektuellen Potenz ging es bald bergauf, die
einstig proletarisch anmutende Bewegung der "geistlich Armen"
durchschritt das
Philosophenportal zu ihrer geistigen Adelung. Plotin, selbst zwar nicht
Christ aber mystisch hoch begabt, verklärte Aristoteles und Platons
Philosophie zu einer philosophischen Religion, auf welcher das junge
Christentum aufbauen konnte. Der römische Philosoph jenseitiger Mystik
thematisiert in seinem Werk die Entzweiung und Entfremdung, die allen Dingen
anhaftet und sucht nach einer Auflösung dieses Widerspruchs über eine innere
Hinwendung zu Gott indem wir uns betend bis zu ihm ausdehnen.
Mit Plotin setzt nicht nur die Idee christlicher Philosophie ein, sondern an
seiner Person manifestiert sich ebenso eine damit einhergehende geistliche
Leibfeindlichkeit, denn Plotin soll sich, laut Zitelmann, sogar des Leibes
geschämt haben, dem sein Geist innewohnte. Die Einzelseele sucht die Allseele
und umgekehrt. Geh zurück in dich selbst und lass alles Andere los. Der Körper
ist bei all diesen Bestrebungen allemal ein lästiges Hindernis. Aurelius
Augustinus, der erste namhafte wirklich christliche Philosoph, fährt mit
der Leibfeindlichkeit des Mystikers Plotin fort, wenn er behauptet, dass sich
die Erbsünde über das sexuelle Begehren fortpflanzt, welches es - und möge
die Menschheit damit auch aussterben - zu überwinden gilt (ein Gedanke, den
Tolstoj anderthalb Jahrtausende später mit seiner "Kreutzersonate"
wieder aufnehmen wird), doch ist ihm, laut Zitelmann, ein nicht genügend hoch
einzuschätzendes Verdienst anzurechnen: Die Gewaltentrennung in Gottesstaat und
Erdenstaat - womit ausgerechnet ein Kirchenfürst den Grundstein zur säkularen
Gesellschaft gelegt habe.
Von den noch etwas verklärten Anfängen einmal abgesehen nimmt sich Zitelmanns
"Geschichte der Christen" bei aller Würdigung kultureller Verdienste
zum Zivilisationsprozess -
wie schon angekündigt - eher kritisch aus. Er zeichnet die Päpste als
ausgesprochene Machtpolitiker, die mit dem römischen Kaiser deutscher Nation um
die weltliche Hierarchiespitze im christlichen Europa streiten. Die von
christlichen Historikern immer noch gerne als "bewaffnete Pilgerfahrten"
titulierten und aus ungünstigen Zeitumständen erklärbaren Kreuzzüge sind in
der Diktion von Zitelmann als "Tragödien sondergleichen" dargelegt,
welche klerikaler Zynismus als Seelenheil verschaffende "Heilige Kriege"
beschönigte.
Übler Euphemismus einer Raubkirche, wie Zitelmann sie benennt, war diese zynische
Sprachregelung von wegen "bewaffneter Pilgerfahrt" also. Bei den päpstlich
angestachelten Kreuzfahrerheeren handelte es sich demnach um "apokalyptische
Heerscharen", denen zwar frömmelnde Momente nicht ganz fremd waren, die sich
ansonsten jedoch durch besondere Rohheiten, Tollheiten und Abscheulichkeiten
auszeichneten und solcherart ins Unrecht setzten. Den bewaffneten Pilgern beliebte
es vor allem, sich im Namen ihrer Religion und zur höheren Ehre Gottes bei jeder
sich bietenden Gelegenheit in Blut zu baden. Zitelmann nimmt sich dazu kein
Blatt vor den Mund und beschönigt nichts. Religiöse Eiferer, gleich welcher
Konfession, sind ihm hörbar zuwider.
Bitterlich anklagend vernehmen sich dann auch die Ausführungen zum Hexenwahn,
der - zur Verwunderung des Zeitbetrachters - ausgerechnet mit Ausklang des finsteren
Mittelalters einsetzt, also in einem Moment aufkeimender Rationalität, und dem
nebst Tausender Frauen unzählige Katzen zum Opfer fallen, da sich einige ranghohe
Kleriker einbilden, diese Tiere seien des Teufels. Sie wurden eingefangen und
bei lebendigem Leib verbrannt.
Für Zitelmann ist es deswegen nur zu logisch, dass sich große Teile der abendländischen
Christenmenschen im 16. Jahrhundert unter Leitung charismatischer Reformatoren
(John Wiclif, Zwingli, Luther,
Calvin, Hus) vom verkommenen römisch-katholischen Stamm abspalteten, obgleich
es diese schismatischen Strömungen in weiterer Folge nicht immer besser machen
sollten, als ihre katholischen Glaubensbrüder. So errichtete Calvin
im reformierten Genf eine wahrlich totalitäre Glaubenswächterdespotie und
die nach Nordamerika ausgewanderten Puristen - ein angelsächsischer Seitenstrang
der Calvinisten - ächteten und verbrannten noch zu einem Zeitpunkt normabweichende
Frauen als Hexen, als die Hexenverfolgungen in Europa schon längst nur noch
als schreckliche Erinnerung an einen fürchterlichen Wahn gegenwärtig waren.
Angesichts des bluttriefenden Christentums stellt sich Zitelmann die Frage,
warum sich dieser zwar Nächstenliebe predigende, jedoch in seiner Unduldsamkeit
so oft Nächstenhass praktizierende christliche Glaubenskult bei Zeiten nicht
von selbst überlebt hat. Die Antwort darauf gibt sich der Autor selbst: Immer
wieder gab es herausragende Personen, die gelebtes Christentum auf positive
Weise verkörperten. Ein leuchtendes Beispiel hierfür sei Franz
von Assisi. Und insbesondere den Aufklärern (Baruch de Spinoza,
Teilhard
de Chardin, Giordano Bruno, Kirche der Quäker) und scharfzüngigen
Religionskritikern (Friedrich
Nietzsche, Karl Marx) sollte es schließlich gelingen das Christentum -
trotz gelegentlich fanatischen Widerstands seitens der päpstlichen Kurie ("Liste
der geächteten Irrtümer der Moderne"; Pius IX.) - von inhumanem Unrat zu
säubern und in eine rational verfahrende moderne Welt überzuleiten.
Das Christentum ist im 20. Jahrhundert einerseits seiner weltlichen Macht
verlustig gegangen, andererseits aber auch zur Selbstbesinnung gelangt. Auf die
abschließende Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Christentums antwortet
Arnulf Zitelmann deswegen mit einem optimistischen JA, denn im Vatikan öffne
man sich inzwischen dem Weltbild der Moderne und die Theologie sei längst nicht
mehr ein weltfernes Fabulieren und Dekretieren vermeintlich göttlicher Gesetze
gegen natürliche Lebensäußerungen. Selbst das geschichtliche Selbstbildnis
der römisch-katholischen Kirche gewinnt zusehends an selbstkritischen Momenten.
Obgleich dazu, so Zitelmann, noch einiges zu wünschen übrig bleibt, da es
nicht reicht, vergangene Verbrechen einfach nur als menschliche Irrungen zu
bedauern.
Mit dieser durchaus versöhnlichen Geste beschließt Arnulf Zitelmann sein
Hörbuch, welches sich - dies sei an dieser Stelle auch noch lobend angemerkt -
dank der Sprecher Oliver Krietsch-Matzura, Helmut Winkelmann, Amely Lübben und
Susanne Grawe durchaus angenehm vernimmt. Ein gelehriges Hörerlebnis, kritisch
doch konstruktiv, erwartet den religionsgeschichtlich Interessierten, gleich
welchen Alters. Die chronologisch aufgereihten Themen sind knapp aber nicht zu
knapp gehalten, was dem gesetzten Zweck entspricht mit dem Hörbuch ein erstes
Hinhören zur Gewinnung eines in Grundrissen skizzierten Gesamtbilds
christlicher Historie zu liefern.
Zudem handelt es sich laut Verlagswidmung um ein Hörbuch für junge Ohren. Also
vorerst gedacht für Kinder bzw. Jugendliche, was eine gewisse Einfachheit in
der sprachlichen Darlegung empfiehlt ohne sich deswegen in geschwätzigen
Belanglosigkeiten zu ergehen. Das Konzept, Inhaltsdichte mit nettem Plauderton
zu verbinden, scheint einmal mehr gelungen zu sein. Man darf jedenfalls
feststellen, dass die Leichtigkeit der Vermittlung nicht zu Lasten des Inhalts
geht. Und sollte der Leser dieser Besprechung auch schon der gerade erst oder
noch pubertierenden Altersklasse entwachsen sein, so sei ihm trotz seiner Bejahrtheit
Zitelmanns Hörliteratur empfohlen, denn keineswegs scheint mir in diesem Fall
das zweckbestimmende "für junge Ohren" zwangsläufig mit einer
Festlegung auf organisch junge Ohren gleichgesetzt zu sein. Jung und jugendlich
ist nicht dasselbe. Besser wäre vielleicht "für junge und jung gebliebene
Ohren".
Wer nun aber überhaupt nach Absolvierung dieses Hörerlebnisses für die "Geschichte
des Christentums" entflammt ist und, auf eine Vertiefung seines Wissens
erpicht, nach mehr verlangt, der wird wohl doch zu weiterführender Literatur in
Buchform zurückkehren müssen. Denn Hörbücher - und somit auch dieses -
können im besten Fall immer nur eine vergnügliche Ergänzung zur beständig
papierenen Kultur des Buches sein. Für ein erstes Auslangen ist mit diesem
Hörbuch allerdings mit Sicherheit gesorgt. Dessen sei hiermit jedermann, ob
noch jung an Jahren oder schon im Laufe der Jahre zur wahren Jugendlichkeit
gereift, durch den Rezensenten vergewissert.
(Harald Schulz; 04/2005)
Arnulf Zitelmann: "Die Geschichte der
Christen"
Campus, 2005. 2 CDs; Laufzeit 158 Minuten.
ISBN 3-593-37688-1.
ca. EUR 20,60.
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Buchausgabe:
Campus, 2004. 246 Seiten.
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Arnulf Zitelmann, geboren 1929, trat nach seinem
Studium der Philosophie und Theologie in den Dienst der Evangelischen
Landeskirche Hessen. Von 1977 bis 1992 war er als Religionslehrer an einem
Gymnasium in Darmstadt tätig. Heute lebt und arbeitet er als freier
Schriftsteller in der Nähe von Darmstadt. Er ist Autor zahlreicher Jugendbücher,
Romane und Biografien, unter anderem über Martin Luther und Martin Luther King.
Seine Bücher wurden vielfach ausgezeichnet. So erhielt er den Gustav
Heinemann-Friedenspreis und den Großen Preis der Deutschen Akademie für
Kinder- und Jugendliteratur. Bei Campus erschien 2002 auch "Die
Weltreligionen".
Buchtipp:
"Die Weltreligionen vorgestellt von Arnulf Zitelmann"
In der modernen Welt leben Menschen unterschiedlicher Religionen Tür an Tür.
Doch was wissen wir eigentlich voneinander? Bei weitem nicht genug, findet der
preisgekrönte Jugendbuchautor und Theologe Arnulf Zitelmann und lädt uns ein
in die Welt von Taoismus, Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum und
Islam. Was
passiert nach dem Tod? Und warum gibt es uns überhaupt? Alle fünf
Weltreligionen bieten Antworten auf solche grundlegenden Fragen. Was die
Glaubensrichtungen der großen Religionsstifter Laotse, Buddha, Moses, Jesus und
Muhammed voneinander unterscheidet und was sie verbindet, stellt Arnulf
Zitelmann in seinem Buch vor. Eine Einladung, die Welt besser kennen zu lernen.
(Campus)
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Leseprobe:
Teilhard de Chardin erfindet eine Theologie der Zukunft
Während King einen "Marsch der Armen" nach Washington vorbereitete,
erstickten drei amerikanische Astronauten in der Raumkapsel Apollo 1, die bei
einem Probelauf Feuer gefangen hatte. Die Bürgerrechtsbewegung protestierte
gegen das Apollo-Programm, das 25 Milliarden Dollar verschlang. Sie rechnete
Kennedy vor, wie viele Kindergärten und Sozialwohnungen von dem Geld gebaut
werden könnten, wie verbesserungsbedürftig das Schulwesen, das
Gesundheitswesen waren. Vergeblich. Für die Vereinigten Staaten besaß das
Programm "einen Menschen auf den Mond zu bringen" absolute Priorität.
Es galt, den beängstigenden Vorsprung Russlands in der Raumfahrt aufzuholen.
Am 21. Juli 1969 stieg Neil Armstrong, von den Augen der Fernsehzuschauer in
aller Welt begleitet, aus der Landefähre, um als erster Mensch den Mond zu
betreten: "Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein
Riesensprung für die Menschheit", sagte er in sein Mikrofon. Millionen
Menschen hörten es, Millionen Menschen glaubten es. Zum ersten Mal sahen sie
das Raumschiff Erde in kosmischer Perspektive. Nun wurde es ihnen klar, wie
verletzlich der blaue Planet war. Man musste versuchen, die Konflikte der
Menschheit klein zu halten, wollte sie nicht ihr planetarisches Überleben gefährden.
369 Jahre zuvor war Giordano Bruno mit dieser Vision vor Augen in den Tod
gegangen: die schwebende Erde zwischen den Sternen. Er hatte die
Schwerelosigkeit vorausgesagt, die den Astronauten jetzt da oben ungewohnte
Schwierigkeiten bereitete. Und auch das hatte Bruno gesagt: "Es gibt unzählig
viele Sonnen und unendlich viele Erden, die diese Sonnen umkreisen, und man kann
sich nicht vorstellen, dass sie nicht bewohnt sein sollten." Am 21. Juli
1969 sah es die Menschheit selbst: Der gestirnte Himmel bot Raum vielleicht auch
für anderes, außerirdisches Leben.
Der erste Theologe, der sich ernsthaft mit solchen Gedanken beschäftigt hatte,
war der Franzose Teilhard de Chardin. Teilhard gehörte dem Jesuiten-Orden an,
und seine Oberen hatten ihn für Forschungen auf dem Gebiet der Frühgeschichte
freigestellt. Hier erwarb er sich internationale Anerkennung.
Einem Freund schrieb er 1929 (es war das Geburtsjahr Kings): "Du weißt,
mich beschäftigt eine neue Religion. Ein fortschrittliches Christentum, wenn du
so willst. Ein Christentum, in dem der persönliche Gott nicht mehr der
steinzeitliche Boss von damals ist, sondern die Seele der Welt." In seinem
Hauptwerk, das er in China verfasste, schrieb er 1940: "Man muss fragen, ob
es nicht dem Leben irgendwann gelingt, mithilfe der Technik die Gitter seines
irdischen Gefängnisses zu sprengen. Entweder so, dass es gelingt, andere
unbewohnte Himmelskörper zu erreichen, oder, was noch viel aufregender wäre,
eine seelische Verbindung mit anderen Bewusstseinsformen im Weltall
herzustellen." Teilhard erhielt für sein Buch "Der Mensch im Kosmos" nicht
die päpstliche Druckerlaubnis. Es erschien erst nach seinem Tod und eroberte in
wenigen Monaten die Welt.
Das Buch erklärt dem Leser, wie Teilhard sich die Welt vorstellt. Nicht als Gehäuse,
in das Sonne, Mond und Sterne hineinpassen. So nicht. Für ihn, den Theologen,
ist der Kosmos fast ein Lebewesen, noch gar nicht fertig erschaffen, sondern ständig
im Werden. Die Geschichte des Kosmos beginnt bei einem Nullpunkt und ist
unterwegs in die Zukunft. Angezogen von dem Punkt "Omega", wie
Teilhard den Zielpunkt nennt, den großen Attraktor. "Der Kosmos ist ein
beseelter Körper", schrieb Giordano Bruno. So sieht es auch der französische
Theologe. Und Gott ist darin Zug- und Schubkraft zugleich, um in seiner Zukunft
die Welt zu vollenden. "Dies septimus nos ipse erimus", an diesen Satz
Augustins erinnert mich Teilhards Vision: Der eschatologische Schöpfungs-Sonntag,
ihr "siebter Tag werden wir selber sein".
Im Vatikan öffnet man sich inzwischen dem Weltbild der Moderne. Und tritt dabei
in die Spuren des ehedem verketzerten Giordano Bruno. George Coyne, Direktor des
vatikanischen Observatoriums, betrachtet außerirdisches Leben als "eine
aufregende Möglichkeit, die man gewiss mit Vorsicht betrachten sollte.
Allerdings, das Universum ist so groß, dass es töricht wäre zu glauben, wir wären
die Ausnahme." Und sein Kollege meint, wenn wir auf außerirdisches Leben
treffen, dann wird das der Theologie eine ganz neue Richtung geben. "Denn während
Christus für uns das Alpha und Omega ist, heißt das noch nicht, er wäre
notwenig auch das einzige Wort, das Gott zum ganzen Universum sprach." Noch
deutlicher wird Thomas O'Meara, Professor für Theologie in Paris. Der Professor
gibt zu bedenken: "Die Geschichte von Sünde und Erlösung in den beiden
Testamenten der Bibel ist nicht die Geschichte des Gesamt-Universums. Es ist
Gottes besondere Geschichte mit diesem Planeten Erde. Die zentrale Bedeutung,
die Jesus für uns hat, sagt noch nichts aus über andere Lebewesen auf anderen
Planeten. (...)"