Gérard Moncomble, Xavière Devos: "Schnellermama und Späterpapa"
Zum
Schnurren muss man sich
Zeit nehmen
"Schnellermama und Späterpapa" ist die wunderbar
erzählte und schön gemalte
Geschichte vom kleinen Katzenkind Floris. Floris hat engagierte und
vielbeschäftigte
Eltern, die glauben, alles für ihr Kind zu tun, und ihm doch
etwas nicht geben:
Zeit. Zeit einfach so, zum Spielen, zum Trödeln, Zeit
für Entwicklung eben.
Weil seine Mama immer alles so hektisch erledigt und schnell
herumrennt, dabei
ihren Sohn auch immer wieder ermahnt, ("Schneller, Floris!"),
nennt er sie schließlich "Schnellermama",
"aber nur
heimlich für sich selbst".
Auch für seinen Vater hat er heimlich einen entsprechenden
Namen gefunden. Er
nennt ihn "Späterpapa", weil er immer
dann, wenn Floris sich
ihm in den kurzen Zeitabschnitten, wo der Vater nicht arbeitet,
nähert, zu
seinem Sohn sagt: "Später, Floris".
Floris’ Eltern lieben ihr Katzenkind. Das merkt man an den
Wochenenden, wenn
sie von morgens bis abends etwas mit ihm unternehmen: "Sie
gehen mit
Floris ins Museum oder ins Kino, fahren mit dem Auto oder mit einem
Schiff,
besuchen ein Schloss oder die Tiere im
Zoo."
Doch auch da heißt es: "Schneller, Floris!"
Und wenn er nicht
mehr kann und verschnaufen möchte, sagt der Vater auch
sonntags: "Später,
Floris", denn er hat ein Programm, das erledigt werden muss.
Floris' Eltern halten das für normal, doch als er lange nach
der normalen Zeit
immer noch nicht schnurrt, gehen sie mit ihm zum Arzt. Allerdings
denken sie
abermals nur instrumentell und mechanisch und begreifen nichts von der
Entwicklungspsychologie
ihres Kindes. Auch der Arzt steht auf der
Leitung und
will Floris operieren (!).
Aus Angst und Entsetzen über ein solches Ansinnen und
Unverständnis der
kindlichen Seele läuft Floris weg, um in der Welt irgendwo das
Schnurren zu
lernen.
Seine Eltern sitzen mittlerweile voller Sorgen zu Hause, und zum ersten
Mal können
sie nichts tun: "Es ist, als wäre die Zeit stehen
geblieben. Zum ersten
Mal tauchen Fragen auf, in ihrem Kopf und in ihrem Herzen. Ihr Leben
ist ein
Karussell, das sich so schnell dreht, dass alles um sie herum wirbelt
und tanzt.
Aber Floris kann da nicht mithalten. Floris möchte nach dem
eigenen Rhythmus
tanzen."
Da kommt Floris zurück, traurig und niedergeschlagen; niemand
konnte ihn das
Schnurren lehren. Seine Mutter nimmt ihn in den Arm, und sein Vater,
zögerlich
wie immer bei Gefühlen, nimmt Floris' Pfote in seine eigene.
Da bleibt die Zeit
stehen. Und auf einmal hören sie ein Geräusch: Floris
schnurrt.
Ein schönes Buch darüber, was Kinder am meisten
brauchen und über die Gefahr,
dass Eltern aufgrund von Ehrgeiz und Alltagstrott ihre Kinder und deren
wahre
Bedürfnisse aus dem Blick verlieren.
(Winfried Stanzick; 07/2008)
Gérard
Moncomble (Text), Xavière
Devos (Illustrationen): "Schnellermama und
Späterpapa"
NordSüd Verlag, 2006. 32 Seiten. (Ab 3 J.)
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