Dagmar H. Mueller: "Die Hälfte des Himmels gehört Bo"


"Bo starb an einem dunklen, grauen Vormittag kurz vor Weihnachten.
Seinen siebten Geburtstag im Januar hat er nicht mehr erlebt.
Mama und Papa haben die ganze Zeit bei ihm gesessen.
Papa hat uns erzählt, dass Mama zum Schluss diese ganzen Maschinen und Stöpsel, die an Bo dranhingen, einfach abgemacht und sich zu Bo ins Bett gelegt hat. Dort ist er dann in Mamas Armen schließlich für immer eingeschlafen."

So beginnt das letzte Kapitel des gleichnamigen Buches "Die Hälfte des Himmel gehört Bo" von Dagmar H. Mueller. Ein überaus sensibles, ein lustiges und ein trauriges Buch, ein Buch, das von der Lust am Leben und der Schwere und der Leichtigkeit des Sterbens aus der Sicht der elfjährigen Martha berichtet, deren Bruder Bo an einer unheilbaren und in Kürze tödlichen Krankheit leidet.

Bo weiß schon Monate vor seinen drei Schwestern (es gibt noch die 14-jährige Lena und die 16-jährige Bille), dass er nicht mehr lange zu leben hat. Aber er glaubt seinen Eltern, die ihm den Himmel als einen Ort beschreiben, an dem man immer tun kann, wozu man gerade Lust hat. Er ist fröhlich, sprüht vor Ideen, will immer Recht haben und teilt mit Martha ein Kinderzimmer. Diese beiden Jüngsten in der Familie haben ein ganz besonderes Verhältnis, und so ist es nur natürlich, dass Martha die Geschichte Bos erzählt. Von seinen Ideen, seiner Fantasie, seinem unübertrefflichen Willen, seiner überbordenden Lust am Leben. Sie erzählt von Streichen und nächtlichen Gesprächen, aber auch immer wieder von ihrer Wut über die Ungerechtigkeit der Eltern, denn Bo darf alles, während die Mädchen nach heutigen Maßstäben durchaus streng und konsequent erzogen werden. Denn sie weiß noch nicht, was Bo und seine Eltern wissen: er wird schwächer werden und sterben.

Erst als Bo ihr etwa ein halbes Jahr vor seinem Tod erzählt, er habe von einem mit seinem Vater befreundeten Piloten die Hälfte des Himmels gekauft, bekommt Martha so ein komischen Gefühl im Bauch, das sie nicht mehr verlässt.

Viel später erst, als bei einem Gespräch mit der Mutter all die Wut und Angst aus Martha herausbricht, beruft die Mutter für den Abend ein Familientreffen ein, und die Wahrheit kommt auf den Tisch.

Die beiden ältesten Schwestern reagieren mit Flucht, Bo nimmt es leicht, und die Eltern versuchen sich etwas hilflos mit weiteren Ausgestaltungen des Himmels.

Für Martha ist das nicht so überzeugend. Was ihr letztlich Monate nach Bos Tod durch ihre Trauer hilft, ist der Gedanke, dass es Bo dort, wo er jetzt ist, gut geht, dass sie einen wunderbaren Bruder hatte und die Liebe zu ihm nie vergehen wird.

Dagmar H. Mueller ist ein sensibles Buch gelungen, das ohne amtsreligiöse Deutungen auskommt und dennoch starken Trost vermittelt. Beindruckend geschildert ist die klare, konturierte Position von Vater und Mutter in dieser Familie, in der es einfach stimmt, weil man miteinander spricht und streitet und auch unangenehmen und schmerzhaften Themen nicht ausweicht; eine Familie, in der jeder seine Schwächen hat und sie auch zeigen darf. Nur mit so einer starken Familie ist
solch eine Geschichte wie die von Bo glaubwürdig zu erzählen.

(Winfried Stanzick; 03/2006)


Dagmar H. Mueller: "Die Hälfte des Himmels gehört Bo"
Thienemann Verlag, 2006. 224 Seiten. (Ab 10 J.)
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Dagmar H. Mueller wurde 1961 im Sauerland geboren. Sie studierte in Hamburg Deutsch und Sport und arbeitete zeitweise als Skilehrerin und Werbetexterin.

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