Dimiter Inkiow: "Als Zeus der Kragen platzte"

Griechische Sagen neu erzählt von Dimiter Inkiow


Die griechische Mythologie bietet Stoff für eine Menge spannender, tragischer und lustiger Geschichten, sofern der Leser nicht genötigt wird, das griechische Pantheon auswendig zu lernen.

Dimiter Inkiow hat einige der interessantesten griechischen Göttersagen ausgewählt und für Kinder ab neun Jahren nacherzählt. Darin geht es ordentlich zur Sache: Bis Zeus sich als Göttervater etablieren kann, gibt es eigentlich vor allem familieninternen Mord und Totschlag. Dann "erfindet" Prometheus die Menschen als Abbilder der Götter, und als er sieht, dass sie frieren, erbarmt er sich und bringt ihnen das Feuer, sehr zum Verdruss des Zeus, der ihn dafür bekanntlich mit einem nicht durch Alkohol, sondern durch Fremdeinwirkung hervorgerufenen chronischen Leberproblem straft. Die allzu naiven und neugierigen Menschen hingegen müssen sich mit dem Inhalt der Büchse der Pandora herumschlagen.

Zeus vergnügt sich gern einmal abseits des heimischen Herdes, unter anderem mit der Folge, dass Europa zu seinem Namen kommt. Der begnadete Sänger Orpheus versucht seine Eurydike dem Hades zu entreißen, während Zeus zwischendurch ganz unromantischen Ärger mit seinem missratenen Sohn Tantalos hat.

Zu den interessanten Göttersagen gehören auch jene von Demeter, Hades und Persephone und die vom lebensgefährlich selbstverliebten Narkissos. Den Begriff "Sisyphos-Arbeit" kennt fast jedes Kind, weniger bekannt ist indes, warum Sisyphos zum ewigen Felsenrollen "verdonnert" wurde. Ebenfalls zu den tragischen Figuren rund um den Olymp ist zweifellos Phaethon zu rechnen, der aus jugendlicher Geltungssucht und Übermut mit dem Sonnenwagen seines Vaters Helios zu Tode kam. Noch viele weitere mythische Figuren lernen die Leser bei der Lektüre kennen. Abgeschlossen wird das Buch von der schönen Sage von Philemon und Baukis, jenem armen Paar, das die inkognito angereisten Götter Zeus und Hermes mit aller Gastfreundlichkeit aufnahm und von ihnen reich beschenkt wurde.

Kindgerecht, das heißt, für eine Leserschaft ab etwa neun Jahren, und mit einem ordentlichen Schuss Humor stellt der Autor die gut ausgewählten Sagen vor. Er erzählt sie so spannend wie Krimis und so einfühlsam, dass die Beweggründe der Protagonisten nachvollziehbar werden, auch wenn ein Zeus natürlich etwas "polteriger" und brutaler auftritt, als wir uns das erlauben dürfen. Schließlich ist er der Gesetzgeber auf dem Olymp. Umso mehr genießen die Leser, zumal Kinder, die Raffinesse jener Menschen, Halbgötter und kleineren Götter, denen es gelingt, den Göttervater (oder einen anderen Mächtigen) auszutricksen und sich, zumindest vorübergehend, gegen ihn durchzusetzen. Prometheus und Sisyphos wirken ganz einfach sympathisch!

Abgesehen vom Unterhaltungswert und dem Umstand, dass die Lektüre dieses Buchs das Lösen des einen oder anderen Quiz und Kreuzworträtsels erleichtern mag, lernen die Leser auch die Gedankenwelt, die religiösen Gefühle und manchen Aspekt der Kultur der griechischen Antike kennen, die Grundlage unserer eigenen Kultur geworden sind. Daher muten manche der in den Göttersagen verarbeiteten Emotionen so vertraut an. Das Buch bietet Kindern auch die Voraussetzungen, einen ersten Kontakt mit der griechischen Geschichte zu knüpfen, denn die Kenntnis vom mythisch-religiösen "Überbau" ermöglicht ein wesentlich besseres und differenzierteres Geschichtsverständnis.

Mit ihrer frischen Originalität und der eingearbeiteten Spur von Sarkasmus bereichern die vielen Illustrationen die Erzählungen.

Das Buch über die tragischen Helden, Sonderlinge, Liebespaare und jähzornigen "Grantler" - Götter sind eben auch nur Menschen - des griechischen Pantheons bietet somit packende Lektüre und interessantes Wissen zugleich, und das zu einem recht günstigen Preis.

(Regina Károlyi; 08/2007)


Dimiter Inkiow: "Als Zeus der Kragen platzte"
Mit Zeichnungen von Katja Gehrmann.
dtv junior, 2007. 136 Seiten. (Ab 9 J.)
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