Helga Bansch: "Frau Bund und Hund"

Einblicke in die Schattenseiten der Erwachsenenwelt


Frau Bund, (besonderes Kennzeichen: die aufrührerische Himmelfahrtsnase), lebt recht isoliert mit ihrem Hund Bodo in einer trübsinnig gestalteten Wohnung. Kontakt zur Umgebung sucht Frau Bund keinen, vielmehr wird jede Begegnung mit Nachbarn tunlichst vermieden, (weil die Nachbarn immer so neugierige Fragen stellen, hinter dem Rücken von Frau Bund tuscheln, ...), und mag das Wetter noch so schön sein, Frau Bund und Bodo gehören zu den Stubenhockern. Alles muss immer ordentlich und sauber sein, den Eindruck zwanghafter Enge oder auch bedrückender Starrheit vermitteln.

In knappen Worten schafft Helga Bansch auf den ersten Buchseiten eine nicht anders als grau zu nennende Stimmung; der vorerst einzige Lichtblick ist die bunte Katze mit dunkler Sonnenbrille, die ein gewisses abweichlerisches Element darstellt, und mit Schildern, auf denen "sauber" und "gesittet" steht, mit einem Becher für Almosen vor sich, auf einer Bank sitzt.

Dreimal am Tag verlassen Frau Bund und Hund die gepflegte Tristesse der Wohnung, damit Bodo sein Geschäft erledigen kann. Und genau hierbei rempelt ihn eines Tages eine rotzottelige Hundedame ungestüm an. Der Augenaufschlag der verführerischen Artgenossin verschlägt dem sauberen, gesitteten Bodo prompt den Atem, sein "Herz macht einen Salto".
Und dann? "Bodo ist verduftet"! Der Katze fliegt ihre dunkle Brille in hohem Bogen davon, auf ihren Schildern steht unverhofft "schmutzig" und "ungepflegt", und Frau Bund schreit sich die Seele aus dem Leib: "Bodo hier!" - Vergebens; der Hund bleibt, trotz sofortiger Suche in der näheren Umgebung, verschwunden.
Abends sitzt die Verlassene, in ein Nachthemd gehüllt, das lauter kleine Bodokopfabbildungen zieren, auf dem Bett, und ihre Nase ragt ratlos in die Luft. Am Nachtkästchen steht eine tröstliche Flasche mit Baldriantropfen.

Tags darauf springt Frau Bund über ihren Schatten und fragt die Nachbarn, ob sie Bodo gesehen hätten, ja sie spricht sogar Fremde auf der Straße an, doch keiner weiß Rat.
Keiner? Nicht ganz! Genau hier tritt Herr Fröhlich, ein Nachbar, in Erscheinung. Er hat die gute Idee, Flugzettel zu schreiben und aufzuhängen. Nebenbei reicht er der leidenden Frau Bund eine Banane, denn: "Man muss bei Kräften bleiben in Notzeiten." Ganze Kübel hat Frau Bund inzwischen mit ihren Tränen gefüllt.

Nach einigen Tagen kehrt Bodo zurück: "Zerzaust, verlaust, schmutzig, mit einem wilden Funkeln in den Augen."
Die Freude ist groß; Bodo wird gebadet und bekommt zu fressen. Tagsüber schläft er - denn er ist hundemüde.
Beim abendlichen Gassigehen jedoch sucht der Hund erneut das Weite, kommt diesmal allerdings am Morgen des nächsten Tages nach Hause. Dieses Schauspiel wiederholt sich einige Male. 
"Gut, dass Frau Bund Herrn Fröhlich hat", denn so vergehen ihr die Tage auch ohne Bodo wie im Flug. Die beiden Nichtmehrjungen kurven nämlich beispielsweise vergnügt über Wiesen, Schluss ist mit dem Stubenhocken!
An einem Morgen steht Bodo mit der rothaarigen Hundedame vor der Tür. Frau Bund nimmt die Streunerin auf und kümmert sich um deren Erscheinungsbild.

Die letzte Doppelseite des Buches zeigt Herrn Fröhlich, Frau Bund und die beiden Hunde in einer Beiwagenmaschine, einträchtig lächelnd über die Landstraße brausend. Nicht zu vergessen: auch die gestreifte Katze, nun mit einer flotten gelben Brille ausstaffiert, ist mit von der Partie.

Die Geschichte wird in flächigen Bildern und ordentlicher Schrift erzählt, "handgeschrieben" wirkende Kommentare (z. B. "Mag ich nicht", "Kenn ich nicht", "Man soll nichts übertreiben") bieten zusätzliche Anknüpfungspunkte.
Kritisch anzumerken ist aus meiner Sicht, dass "Frau Bund und Hund" vorrangig Situationen thematisiert, die fünfjährige Kinder (zum Glück) wenig betreffen, und die sie vermutlich eher eigenartig finden werden. Bedenklich, dass gerade erwachsene Großstädter sich in diesem Buch wiedererkennen mögen und dem fragenden Kind wenig schmeichelhafte Informationen über das befremdliche Wertesystem der (bestimmt nicht nur) österreichischen Gesellschaft vermitteln müssen. Aber vielleicht hat Frau Bund genau deshalb eine so überaus lange Nase, damit sie sich besser daran nehmen kann ...

(Anja; 02/2004)


Helga Bansch: "Frau Bund und Hund"
Jungbrunnen, 2004. 32 Seiten. (Ab 5 J.)
ISBN 3-7026-5754-1.
ca. EUR 13,40. Buch bestellen

Helga Bansch wurde 1957 in Leoben in der Steiermark geboren. Nach der Matura besuchte sie die Pädagogische Akademie in Graz, wo sie eine Ausbildung zur Volksschullehrerin absolvierte. Seit 1978 arbeitet sie als Volksschullehrerin in Weixelbaum in der Südsteiermark. Im Rahmen einer Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin arbeitete sie mit verhaltensauffälligen Kindern und entdeckte das Malen als Ausdrucksmittel. Seither malt sie Bilder mit Acryl auf Karton oder Leinwand, illustriert Kinderbücher, macht Puppen, Marionetten und Objekte aus Sandstein, Ton und Papiermaché. Sie lebt in einem Bauernhaus in Helfbrunn in der Südsteiermark.