Henning Boëtius: "Troll Minigoll von Trollba"
Vorgelesen
vom Autor
(Hörbuchrezension)
Eines
der besten Kinderhörbücher der letzten Zeit
Troll Minigoll von Trollba sieht aus wie ein Golfball: Klein,
weiß und rund ist seine Tagesgestalt. Denn Trolle erwachen
nur nachts zum Leben und nehmen dann eine menschenähnliche
Gestalt an. Die Insel Trollba ist seine Heimat und auch jene vieler
weiterer Trolle, die bisher in friedlicher Eintracht zusammenleben.
Einen besonderen Spaß machen sich Trolle daraus, Menschen zu
erschrecken, und so ist die Freude groß, als eine Familie in
der Nähe ihr Zelt aufschlägt. Doch dummerweise wird
Minigoll in seiner Steinform mit eingepackt, als die Menschen wieder
nach Hause fahren. Dort erlebt er merkwürdige Dinge, sitzen
die großen Zweibeiner doch täglich stundenlang vor
einem viereckigen Kasten, in dem "kleine Schreimenschen" ihr Unwesen
treiben. Vielleicht ist dieser der Anführer der Menschen, der
diesen Befehle erteilt?
Lange hält es Minigoll nicht bei der Familie aus und macht
sich auf den beschwerlichen und langen Rückweg. Endlich daheim
angekommen, erfährt er Schreckliches: In seiner Abwesenheit
hat es einen Umsturz gegeben. Der junge Schiefertroll Ecke wollte sich
nicht länger "von den Alten rumkommandieren" lassen, hat die
Macht an sich gerissen und alle, die sich ihm widersetzen, gefangen
genommen. Unter den Eingekerkerten befinden sich auch Minigolls Eltern
und seine große Liebe Tannja. Können Minigoll und
seine Freunde die Verschleppten befreien und Ecke in die Schranken
weisen?
Dies ist der rote Faden, der Henning Boëtius' sagenhafte
Geschichte "Troll Minigoll von Trollba" durchzieht. Daneben gibt es
noch zahlreiche Anekdoten und Episoden, die meist Minigolls neue
Freunde betreffen. Beispielsweise den ehemaligen Piraten Teeboller.
Dieser ist im Besitz einer Schatzkarte und segelt nun mit seinem Freund
Spiere in die Karibik, um den Schatz zu heben. Dort angekommen stellen
sie fest, dass die Schatzkarte veraltet ist, denn "aus dem Hexenzopf
ist eine Ferienwohnung geworden; aus dem Tal der Knochen ein
Vergnügungspark, und die Himmelsplanke ist inzwischen ein
Tennisplatz."
La Paloma oder Eine Ode an den Holzwurm
Autorenlesungen sind häufig ein zweischneidiges Schwert. Doch
dass Henning Boëtius sein Buch selbst präsentiert,
ist ein wahrer Glücksfall. Seine dunkle, sonore, brummelnd
raue Stimme erinnert an einen geschichtenerzählenden
Seebären. Dabei behält sie eine wunderbare Klarheit,
so dass auch kleinste Nuancen des Vortrages verständlich
bleiben. Die verschiedenen Charaktere belegt Henning Boëtius
mit unterschiedlichen und klar unterscheidbaren Stimmen, so dass auch
jugendliche Hörer kein Problem haben werden, diese ohne
ständige und störende Namensnennung wieder zu
erkennen. Weiters fällt auf, dass Boëtius dabei
gleich eine Art "verbale Wertung" vornimmt; positiv und für
die Identifikation geeignete Figuren haben auch einen angenehmen Klang;
für "die Anderen" gilt genau das Gegenteil. Auch vor
Sangeskunst schreckt Boëtius nicht zurück. Doch ist
dies beileibe kein Grund, vor dem Hörbuch zurück zu
schrecken. Obwohl in der Literatur Klischees als verpönt
gelten, benutzt der Troubadour Boëtius eines auf meisterliche
Weise: Seine Singstimme klingt genauso, wie man sich die eines auf
Landgang befindlichen versoffenen, tabakspuckenden Matrosen nach einer
durchzechten Nacht vorstellt.
Doch Boëtius hat nicht nur eines der besten
Kinderhörbücher der letzten Zeit vorgelegt, sondern
nutzt sein schriftstellerisches Talent gekonnt dazu, auch unbequeme
Themen anzusprechen, wie folgendes Beispiel zeigen soll: Der "Diktator"
Ecke lässt seine Armee im Stechschritt marschieren und
verhängt drakonische Strafen für nonkonformes
Verhalten wie "notorische Friedfertigkeit" oder lässt
Bücher verbrennen.
Dabei wird diese Gesellschaftskritik perfekt und wie nebenbei
geäußert. Dies führt mit Sicherheit zu
keinem Lerneffekt. Aber so, wie steter Tropfen den Stein höhlt
und kleine Steinchen zu prächtigen Mosaiken zusammen
gefügt werden, so geben selbst kleine
Denkanstöße oft den Ausschlag für ein
Umdenken - und so kann man hoffen, dass bei vorurteilsfreien Kindern
solche in unterhaltsamer Form präsentierte ethisch-moralische
Grundsätze auf fruchtbaren Boden fallen.
(Wolfgang Haan; 06/2006)
Henning
Boëtius: "Troll Minigoll von Trollba"
Baumhaus Verlag, 2006. (Ab 8 J.)
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