Jonathan Swift (1667-1745)


"It is easy for us who travel into remote Countries, which are seldom visited by Englishmen or other Europeans, to form Descriptions of wonderful Animals both at Sea and Land. Whereas a Traveller's chief Aim should be to make Men wiser and better, and to improve their Minds by the bad as well as good Example of what they deliver concerning foreign Places."

Zur Person
Jonathan Swift wurde am 30. November 1667 als zweites Kind und einziger Sohn von Jonathan und Abigail Erick in Irland geboren. Sein Vater, ein nach Irland ausgewanderter Engländer, starb noch bevor Jonathan zur Welt kam, und so wuchs der recht widerspenstige, zu Zornesausbrüchen neigende Knabe bei einer Amme in Whitehaven und später bei einem wohlhabenden Onkel väterlicherseits, Godwin, der ihm eine gediegene schulische Ausbildung angedeihen ließ, in Dublin auf. Abigail kehrte einige Jahre später zu ihren Verwandten in ihre Heimat, nach England, zurück. Jonathan, der früh zu Insubordination neigte, machte seinen Abschluss (Bachelor of Arts) am Trinity College im Jahre 1685 und studierte anglikanische Theologie. 1688 starb sein Onkel Godwin, und Swift war auf sich gestellt. Er reiste zu seiner Mutter nach Leicester und nahm eine Stelle als Sekretär bei Sir William Temple, einem Freund der Familie und weitschichtigen Verwandten an, die ihn jedoch nicht vollends zufrieden stellte, sodass er 1694 nach Dublin ging, wo er 1695 zum Priester geweiht wurde.

Doch er sollte schon bald wieder zu Sir William zurückkommen, um bei ihm zu wohnen, zu arbeiten und seinen Blick für politische wie gesellschaftliche Entwicklungen zu schärfen. Im Haus seines Dienstgebers begegnete er der damals achtjährigen Esther (Stella) Johnson, Tochter einer verwitweten Hausangestellten, deren Hauslehrer er - (das Wissen, ob es bei einer auf das Wissenschaftliche beschränkten Lehrer-Schülerin-Beziehung blieb, nahmen die beiden mit ins Grab, denn sie vermieden in den folgenden Jahren peinlichst jede gesellschaftlich kompromittierende Situation) - für längere Zeit wurde. Schon damals verfasste Swift eine erkleckliche Anzahl von Schriften, die er allerdings zumeist verbrannte.

Sein Arbeitgeber, Sir William, war zu jener Zeit ein überaus wichtiger Staatsmann, der beispielsweise mithalf, die Heirat der nachmaligen britischen Monarchen William und Mary zu arrangieren.
Sir William starb anno 1699, und Jonathan wurde wiederholt von seinen Verwandten finanziell unterstützt, was seinen Stolz wie auch seinen Menschenhass der späteren Jahre gesteigert haben wie erklären mag. Der junge Mann erwarb sich in angesehenen Londoner Kreisen bald den Ruf, ein außerordentlich gerissener Satirenschreiber zu sein. In seinen Schriften, scharfsinnig, ironisch ins Schwarze treffend, die Untugenden wie z. B. Heuchlerei, Eitelkeit, Gelehrsamkeit und würdeloses Verhalten anprangerten, führte er seinen Zeitgenossen das Spiegelbild einer von Schein- wie auch Doppelmoral geprägten Gesellschaft vor Augen und parodierte einige Werke - seines Dafürhaltens einfältiger - zeitgenössischer Schriftsteller, was alles in allem wiederholt Probleme auch für sein berufliches Fortkommen als Geistlicher zur Folge hatte. Außerdem verfasste er bedeutende Pamphlete zu kirchlichen wie politischen Fragen.

Swift engagierte sich zunehmend auch politisch, vor allem setzte er sich für die Belange der Iren ein, stand zunächst auf Seiten der fortschrittlichen Whigs, wechselte später allerdings, auch aufgrund erlittener Kränkungen, zu den konservativen Tories, deren Politik in weiten Bereichen seiner Weltanschauung entsprach. Er schrieb Zeitungsartikel, Pamphlete für den Frieden, verkehrte in einflussreichen Kreisen und hatte schon bald eine bedeutende gesellschaftliche Position inne, die er, dessen Gerechtigkeitssinn allgemein anerkannt wurde, zum Wohle Bedürftiger nützte.

Im April des Jahres 1713 wurde Swift zum Dekan an der St. Patricks Kathedrale in Dublin ernannt und musste also nach Irland zurückkehren. Mit seiner Gesundheit stand es nicht zum Besten, und er empfand seine Berufung nach Irland, der er nur widerwillig Folge leistete, als Verbannung. Bereits im Oktober kehrte er wieder nach London zurück, doch die politischen Wirrnisse jener Tage brachten es mit sich, dass er London nach dem Tod von Queen Anne erneut den Rücken kehrte und nach Dublin reiste, wo sich Esther (Stella), mit der ihn jahrzehntelange Zuneigung verband und die er verehrte, und Hester (Vanessa) Vanhomrigh, die ihn "die Liebe lehren wollte", während er sich eher als ihr väterlicher Freund sah, aufhielten. Unbestätigten Gerüchten zufolge hätte Swift Stella 1716 geheiratet, was zu einem als unwürdig zu bezeichnenden Briefwechsel der beiden Frauen geführt haben soll. Wie auch immer, Vanessa starb bald darauf, Stella, die Swift als seine treueste und wertvollste Freundin bezeichnete, im Jänner des Jahres 1728.

Jonathan Swift litt unter stärker werdenden Geräuschen im Ohr sowie Schwerhörigkeit, Menschenhass und seiner - wohl nicht völlig unbegründeten - Furcht vor Geisteskrankheit. In der finsteren Satire "A Modest Proposal for preventing the children of poor people from being a burden to their parents or the country" prangerte er die entsetzlichen Lebensumstände der notleidenden Iren an und sah für die Kinder armer Leute keine Möglichkeit für ein menschenwürdiges Dasein in einem Umfeld von Bettlern, Dieben und Verrückten, woraus er seinen "Vorschlag" sowohl zur Beseitigung des Problems der Überbevölkerung als auch der Hungersnöte ableitete: Es sei besser, jene armen Kreaturen zu verspeisen, als sie dem Elend einer Zukunft in Armut auszusetzen.

Swift schrieb und redete gegen die Ausbeutung der Iren durch England an, was ihn in den Augen seiner Landsleute zu einem Volkshelden machte. Er wirkte als Geistlicher an der St. Patricks Kathedrale und linderte das Elend vieler seiner Mitbürger durch gelebte Nächstenliebe, was auch milde Gaben mit einschloss.

Ab 1738 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide, 1742 fiel er in geistige Umnachtung. Er starb am 7. Oktober 1745 und wurde neben Stella bestattet.
Jonathan Swift vermachte sein Vermögen einer Irrenanstalt.
Auf einer Steintafel nahe Swifts Sarg stehen folgende von ihm verfasste Zeilen geschrieben:

Ubi Saeva Indignatio
Ulterius
Cor Lacerare Nequit
Abi Viator
Et Imitare Si Poteris
Strenuum Pro Virili
Libertatis Vindicatorem

"Gullivers Reisen"

Im Oktober 1726 erschien in London jenes Werk, das bisweilen in unlauter gekürzten Fassungen als Kinderbuch missverstanden wurde und wird, unter dem Titel "Travels into Several Remote Nations of the World in four parts, by Lemuel Gulliver, first a surgeon and then a captain of several ships" - bekannt als "Gulliver's Travels" ("Gullivers Reisen"). Der fantastische Reisebericht wurde schlagartig ein großer Erfolg ob der pointiert formulierten scharfen Kritik an Torheiten, Unvernunft und dem blinden Glauben an den wissenschaftlichen Fortschritt.

Daniel Defoes Roman "Robinson Crusoe", der die Erlebnisse eines Schiffbrüchigen schildert, war 1719 erschienen. Swifts Lemuel Gulliver strandet, wie weiland Sindbad der Seefahrer, im Laufe von 16 Jahren an vieler Länder Küsten und berichtet fünf Jahre nach der Rückkehr aus dem Land der Houyhnhnms ausführlich, wie dies ein Forschungsreisender tun würde (Swift entwarf eigens "Landkarten"!), von sprachlichen Barrieren, vom Zusammenleben der jeweiligen Inselbewohner, ihren besonderen Eigenschaften, Umgangsformen, Sitten und Gebräuchen, dem Bildungswesen; davon, wie sie mit ihm, dem Fremden "aus einer anderen Welt" umgehen und von seiner vorübergehenden Eingliederung in die verschiedenen Staatsgefüge. Wobei freilich stets klar ist, dass die gesellschaftlichen wie politischen Um- und Zustände (nicht nur) im England des 18. Jahrhunderts (soziales Elend, Krieg, Missstände bei Hofe, Korruption, Vetternwirtschaft, ...)  Modell gestanden haben, Swift jedoch unter meisterhafter Ausnützung aller zu Gebote stehenden Mittel die Ecken und Kanten, die Licht- und Schattenseiten für jedermann sichtbar machte.

Im ersten Teil, "A Voyage to Lilliput", verschlägt es Gulliver auf eine von Zwergen, die in ihrer Eitelkeit, Betriebsamkeit und Wichtigtuerei nachgerade grotesk wirken, bewohnte Insel.
Die zweite Reise, "A Voyage to Brobdingnag", führt ihn in das Land recht einfältiger Riesen, und nun ist es Gulliver, der als Zwerg und sogar technisches Wunderwerk bestaunt und untersucht wird, als hinge der Grad der Akzeptanz eines Wesens innerhalb einer Gemeinschaft hauptsächlich von dessen körperlicher Größe ab. Was die menschliche Gesellschaft normalerweise bereits abstoßend macht, tritt bei den Riesen um ein Vielfaches grotesker, ekelhafter und bedrohlicher zu Tage.
Im dritten Teil, "A Voyage to Laputa, Balnibarbi, Luggnagg, Glubbdubdrib, and Japan", wird von einer fünf Jahre und sechs Monate dauernden Reise zu einer fliegenden Insel berichtet, des Weiteren von einem Eiland der Zauberer, welche die Geister Verstorbener - selbstverständlich unter Beachtung zeitlicher Einschränkungen - (vermutlich handelt es sich hier um einen Verhandlungserfolg einer Geister-Sozialpartnerschaft?) rufen können, wodurch Gulliver Gelegenheit erhält, sich mit Größen der Antike zu unterhalten - darunter Alexander, der die wahre Ursache seines Ablebens preisgibt, Hannibal und Julius Cäsar, Homer und Aristoteles - und am Rande erwähnt wird, dass einige der langverstorbenen Herrscher und Geistesgrößen im Jenseits ein Sextumvirat gebildet haben. Selbstverständlich beinhaltet auch dieser Teil Gedanken und Ausführungen zu Swifts zentralen Anliegen: der zweifelhaften Errungenschaft eines auf bevorzugte Schichten beschränkten Wohlstands, der Steigerung der Lebensqualität aller Einwohner, der Sehnsucht nach dem Einfachen, einem möglichst uneingeschränkten Leben, das jedem Menschen seine persönliche Entfaltung ermöglicht. Außerdem wird das absurde Streben zeitgenössischer Wissenschafter und Gelehrter kritisiert. Doch wohin Gulliver auch kommt, nirgendwo findet er seine Vision einer besseren Welt verwirklicht, bis er das Land Houyhnhnms betritt.
Im vierten Teil, "A Voyage to the Country of the Houyhnhnms", lässt Gulliver anno 1710 abermals Weib und Kinder hinter sich und wird nach einer Meuterei auf seinem Schiff im Mai des Jahres 1711 an einer unbekannten Küste ausgesetzt, wo er Fußabdrücke von Menschen, Pferden und Kühen entdeckt und bald darauf behaarter, abstoßender Ungeheuer ansichtig wird, die ihn mit ihren Exkrementen bewerfen. Aus dieser misslichen Lage befreit ihn ein Pferd, vor dem die zottigen Bestien Reißaus nehmen. Die tugendhaften Houyhnhnms (Pferde) bewohnen ansehnliche Häuser und halten einige der vorhin erwähnten degenerierten Menschenwesen, Yahoos genannt, als Nutztiere, während sich große Horden der verachteten Kreaturen im Land herumtreiben und damit zu Debatten in Houyhnhnms-Versammlungen Anlass geben. Ein weiteres Mal stellt sich die Frage, wo Gullivers Platz in einer solch fremdartigen Umgebung sein kann, und wieder hilft ihm seine Sprachbegabung dabei, als intelligente Lebensform anerkannt zu werden. Gulliver ernährt sich während seines drei Jahre währenden Aufenthaltes von Kuhmilch und selbstgebackenem Brot, und das völlige Fehlen von Salz im Land der Houyhnhnms veranlasst ihn zu folgender Bemerkung: "I was at first at a great loss for Salt; but Custom soon reconciled the Want of it; and I am confident that the frequent use of Salt among us is an Effect of Luxury, and was first introduced only as a Provocative to Drink; except where it is necessary for preserving of Flesh in long Voyages, or in Places remote from great Markets. For we observe no Animal to be fond of it but Man: And as to myself, when I left this Country, it was a great while before I could endure the Taste of it in anything that I eat."
Nach und nach kann Gulliver den Eindruck, er sei nichts als eine einzigartige Laune der Natur, widerlegen und seinem weisen Gastgeber von seiner Heimat erzählen, wo Pferde als Nutztiere gehalten werden und Menschen herrschen, sowie die Englische Verfassung erläutern. Umgekehrt lernt Gulliver die Gesetze und Bräuche der Houyhnhnms kennen und schätzen; mehr noch, er fühlt sich langsam aber sicher wie einer von ihnen. Doch nicht alle Houyhnhnms halten den "intelligenten Yahoo" für einen gleichwertigen Mitbürger, vielmehr betrachten ihn einige als latente Gefahr für die herrschende Ordnung, als möglichen Anführer der anderen Yahoos, und so muss Gulliver unter dem stärker werdenden Druck der Widersacher an Bord eines selbst gebauten Bootes schweren Herzens Abschied vom Land der von ihm so bewunderten Houyhnhnms nehmen.
Er kehrt schließlich am 5. Dezember 1715 zu seiner überraschten Familie zurück, die ihn für tot gehalten hat, doch Gulliver empfindet beim Anblick seiner Angehörigen nur Hass, Abscheu und Verachtung. Allein der Gedanke, sich fortgepflanzt zu haben, ruft bei ihm Scham, Verwirrung und Grauen hervor, und es dauert Jahre, bis er die Gegenwart der Familie einigermaßen ertragen kann, allerdings fühlt er sich auch dann noch ausschließlich bei seinen Pferden richtig wohl.

Swift verfasste das Werk in der Absicht, die Welt zu verbessern und die Bedeutung vernünftigen Handelns zu unterstreichen, was er abschließend betonte.

(kre)