Sebastian Brant: "Das Narrenschiff" |
Eine Moralsatire in Verskapiteln aus Reimpaaren mit Dutzenden
Narrentypen
Zeitkritik und Sündenschelte
"In diesen Spiegel sollen schauen
die Menschen alle, Männer, Frauen;"
(Aus der Vorrede zum
"Narrenschiff")
Narr: Die Herkunft des nur dt. Wortes (mhd. narre, ahd. narro)
ist nicht sicher geklärt. Vielleicht ist ahd. narro aus spätlat.
nario "Naserümpfer, Spötter", entlehnt.
(Quelle: "Duden
- Das Herkunftswörterbuch")
Sebastian Brant wurde im Jahr 1457 als Sohn eines Gastwirtes und
Ratsherrn in Strassburg geboren. Er studierte in Basel, durchlief die
Stationen des Werdegangs eines Rechtsgelehrten (Promotion, Dekan,
Professur, Rechtskonsulent) und kehrte anno 1500 in seine Geburtsstadt
zurück, wo er von 1503 bis zu seinem Ableben am 10. Mai 1521 als
Stadtschreiber (Kanzler) in Erscheinung trat. Außerdem war er als Lektor
und Korrektor tätig.
Nicht von der Hand zu weisen ist die Annahme, Brant habe im Zuge seiner
beruflichen Tätigkeit Bekanntschaft mit mancherlei Narren und Narrheiten
gemacht und die eine oder andere derartige Begebenheit in sein
"Narrenschiff" eingebaut.
Brants schriftstellerisches Werk umfasst, neben juristischen,
historisch-geografischen und satirisch-didaktischen Schriften, an
antiken Vorbildern orientierte lateinische Dichtung sowie Editionen und
Übersetzungen antiker Autoren.
Bekanntlich lauscht das Volk zu allen Zeiten mehr oder weniger
aufmerksam den lehrreichen Predigten der Theologen, doch Brants Ansatz
war es, in der vorreformatorischen Zeit moralische Lehren durch
volksnahe Literatur zu vermitteln. Diese Strategie der
umgangssprachlichen Formulierungen ging auf: Sebastian Brants
"Narrenschiff" lief sozusagen im Jahr 1494 in Basel vom Stapel, zu einer
Zeit, als die Buchdruckerei in den Kinderschuhen steckte. Das Werk
erfreute sich schlagartig allergrößter Popularität, erstaunlicherweise
über den Umweg der Übertragung ins Lateinische,
welche Jakob Locher, ein Schüler Brants, unter dessen Aufsicht
anfertigte und 1497 als "Stultifera navis" veröffentlichte.
Kurioserweise legte erst diese lateinische Version, deren Aussagen vom
ursprünglichen Text in einigen Punkten deutlich abweichen, den
Grundstein für die weitere Verbreitung des Werkes in Europa.
Der Spiegel als Vermittler individueller Einsicht und
Selbsterkenntnis
Seit Sebastian Brants ungebrochen treffsichere Moralsatire "Das
Narrenschiff" erschienen ist, floss viel Wasser die zahlreichen Flüsse
des Kontinents meerwärts, und das Aussehen der Schiffe ist mittlerweile
ein anderes, doch der Basler Rechtsgelehrte und Humanist hätte auch
heute keinerlei Schwierigkeiten, reihenweise Passagiere für sein
Narrenschiff aufzutreiben - die Zeiten mögen sich geändert haben, die
menschlichen Verhaltensweisen blieben weitgehend gleich.
Anders als Noah sah sich Brant keineswegs dem Druck ausgesetzt, jeweils
zwei Narren einer Art, einen männlichen und einen weiblichen, zur
Sicherung des Fortbestands, auf sein Schiff zu schaffen; Narren sterben
bekanntlich niemals aus!
Das stimmige Bild vom Lebensweg als Schiffsreise oder auch vom Schiff
als Miniaturwelt, als Spiegel der Gesellschaft, findet sich in zahllosen
Abwandlungen in der Galerie der Weltliteratur, man denke beispielsweise
an Homers "Odyssee"
oder Samuel
Taylor Coleridges "The Rime of the Ancient Mariner", und
das Motiv des Narrenschiffs war Brants Zeitgenossen überdies tatsächlich
geläufig.
Wie das?
Einerseits sind Wahnsinn und Wasser in der Gedankenwelt des
abendländischen Menschen miteinander verknüpft: Wasser reinigt, befreit
von Sünden und läutert, ausgehend von der Vorstellung, die Seele sei ein
Schiff, das nur der Glaube davor bewahre, im Meer von Begierden und
Sorgen zu kentern und unterzugehen.
Andererseits wurden im 15. Jahrhundert "Irre" auf Schiffen weggebracht,
und bisweilen siedelte sich die "menschliche Fracht" fernab großer
Städte an Pilgerorten an.
Äußerlich gibt sich der bekennende Narr, zumindest in der Literatur,
durch Eselsohrenkappe, Schellen, Spiegel, Dudelsack und Marotte, (ein
Narrenzepter, dessen Kopfende das Ebenbild seines Trägers ziert), zu
erkennen, im Übrigen gilt, dass man ihn letztendlich an den Früchten
seines Tuns erkennt.
Im
Mittelalter wurden Menschen, deren geistige Fähigkeiten im
Erwachsenenalter jene kleiner Kinder nicht überflügelten oder solche,
die Anzeichen einer Geisteskrankheit aufwiesen, als Narren bezeichnet.
Der Narr stand (und steht) außerhalb der jeweiligen gesellschaftlichen
Normen.
"Kinder und Narren sagen die Wahrheit", heißt es. Solche Narren
sind z. B. Till
Eulenspiegel und der
"brave Soldat Schwejk" (eine von Jaroslav Hašek, 1883-1923,
erfundene Figur), und auch die zahlreichen Narren in Theaterstücken (z.
B. in Shakespeares
"König Lear") erfreuen sich stets einer gewissen Meinungsfreiheit.
Sebastian Brants Narren jedoch sind mit ihrem Schiff weit von jeder
Wahrheit entfernt und stechen unverzagt gen "Narragonien" in See;
freilich erwartet sie alle dereinst das Jüngste Gericht ...
Die hier rezensierte, sprachlich unseren Tagen angepasste Ausgabe, die
sich übrigens jeder Anmerkung zu Sebastian Brant, Entstehungszeit und
-geschichte des "Narrenschiffs" enthält, beeindruckt aufgrund der
Illustrationen, (es handelt sich um Holzschnitte; einige davon soll
niemand Geringerer als Albrecht Dürer beigesteuert haben), welche die
jeweiligen Narreteien abbilden, darunter beispielsweise Buhlschaft,
Tanzen, Habsucht, Modetorheiten, Gewalt, Völlerei,
Trunksucht, Reichtum, Aberglaube, Selbstverliebtheit und fehlende
Nächstenliebe. Sechs Seiten Anmerkungen erläutern im Text verwendete,
möglicherweise unbekannte Begriffe, darunter "Gauch",
"Glimpf", "tabernieren".
Sebastian Brant schifft sich mit den anderen Narren ein, und die Reise
beginnt. (Wobei anzumerken ist, dass es für die allermeisten der
geschilderten Torheiten völlig unerheblich ist, dass sich die Narren
nicht auf festem Erdboden befinden ...) Narretei setzt sich bekanntlich
über sämtliche Grenzen hinweg, seien es nun jene des Standes, des
Geschlechts oder des Alters. Bei Brant verkörpert der Narr verderbliches
Bestreben, Maßlosigkeit, verwerfliches Suchen, gottlose Neugier, Abkehr
vom gottgefälligen Leben schlechthin.
Solcherart verspielt der Narr seine Tugendhaftigkeit, sein Seelenheil
und schädigt die Gemeinschaft durch törichtes Verhalten. Brant beklagt
den Verfall des Glaubens, liefert ausführliche Darstellungen
menschlicher Schwächen und Verfehlungen, widmet den Todsünden,
die da wären: Hoffart, Wollust, Völlerei, Neid, Trägheit, Geiz und Zorn
umfangreiche Betrachtungen, betont die Verantwortung und
Bildungsfähigkeit des Individuums, mahnt zur Einsicht, denn: die
Verweigerung der Selbsterkenntnis brandmarkt den lebenslangen Narren. Es
gilt folglich, die Klippen der Dummheit, der Eitelkeit, des Leichtsinns,
des Übermuts und der Lasterhaftigkeit zu umschiffen!
Auf der Grundlage spätmittelalterlicher Traditionen kritisiert
Brant die Neuorientierungen der Wertmaßstäbe und Interessen an der
Schwelle zur Neuzeit, liefert ein farbiges Sittengemälde der
politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und kirchlichen
Wirklichkeit, innerhalb derer die göttliche Ordnung ins Wanken zu
geraten scheint. Er sucht, die Heiden mit Worten zu bekämpfen, äußert
sich zu Forschung, Alltagskultur, Medizin und Religion.
Hierbei verwendet Sebastian Brant Elemente der populären
Schwankdichtung, ermöglicht Perspektivenwechsel, indem er dem Leser
einen Spiegel vorhält, stets auf Belehrung und Unterhaltung
gleichermaßen abzielend. Er nimmt dabei auf die Bibel, Schriftsteller
der römischen Antike und Quellen aus dem Mittelalter Bezug, vermischt
Motive christlichen und antiken Schrifttums, erwähnt Heilige und
klassische Helden, auch tauchen volkstümliche Redensarten und
Sprichwörter auf.
Und mit folgenden Zeilen wendet sich Sebastian Brant abschließend an den
Leser:
"Hier endet nun das Narrenschiff. Heilsamer Ermahnung zum Nutzen und
zur Erlangung von Weisheit, Vernunft und guten Sitten. Auch zur
Verachtung und Strafung von Narrheit, Blindheit, Irrsal und Torheit
aller Stände und Geschlechter der Menschen. Mit besonderem Fleiß, Mühe
und Arbeit gesammelt durch Sebastian Brant, Doktor beider Rechte.
Gedruckt zu Basel während der Fastnacht, die man der Narren Kirchweih
nennt, im Jahre des Herrn 1494."
An dieser Stelle seien einige bekannte Zeitgenossen Sebastian Brants,
die sich in der Epoche der geistigen Umwälzung gleichfalls zeit- und
gesellschaftskritisch äußerten, erwähnt:
Einer davon war der niederländische Universalgelehrte und Humanist
Erasmus von Rotterdam (Desiderius Erasmus Roterodamus; um 1466-1536). In
seinem im Jahr 1508 niedergeschriebenen und 1511 erschienenen Werk "Das
Lob der Torheit" ("Enkomion moriae") prangert Erasmus von
Rotterdam mit Ironie, Spott und Witz die herrschenden Zustände an, wobei
freilich die sprachliche Eleganz keineswegs zu kurz kommt.
"Leiht mir nur geduldig euer Ohr", sagt die Torheit zu Beginn
ihrer Rede,
"freilich nicht wie ihr den Predigern zuzuhören pflegt, sondern wie
ihr euch den Spielleuten, Possenreißern und Narren widmet ..."
Auch der Franziskaner Thomas Murner (1475-1537), übrigens ein Schüler
Jakob Lochers, geißelt in "Narrenbeschwörung" und "Schelmenzunft" die
menschlichen Laster; er befleißigt sich einer eher derb zu nennenden
Sprache. Eines seiner bekannteren Werke trägt den Titel "Von dem großen
Lutherischen Narren" - unschwer zu erkennen: Murner war kein Freund der
Reformation.
Johannes Geiler von Kaysersberg (1445-1510), ein Freund Brants, Prediger
und Seelsorger in Strassburg, verfasste einen Zyklus in lateinischer
Sprache über Brants "Narrenschiff", die sogenannten "Narrenpredigten".
(kre)
Sebastian Brant: "Das Narrenschiff"
Marixverlag, 2004. 320 Seiten.
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Literaturgeschichtliche
Anmerkungen:
Scherz, Ironie und Satire: Eulenspiegel, Die Rollwagenbücher
Die Welt krachte damals in allen Fugen. Die ersten Wehen der Reformation
kündeten eine neue Ära an. Sebastian Brant aus Straßburg (1458 bis
1521) hatte als Sohn eines Gastwirts früh offene Augen für die
Lächerlichkeiten und Laster seiner Mitmenschen bekommen. In
Übergangszeiten, wo die Begriffe schwanken und wie Karten eines
Kartenspieler durcheinandergemischt werden, pflegen sich alle
närrischen Eitelkeiten der Menschheit wie in einem konkaven Spiegel
noch ins Breite zu verzerren und zu vergröbern.
Sebastian Brant studierte Recht - ohne es irgendwo zu finden. Er
promovierte an der Universität Basel. 1494 erschien sein "Narrenschiff".
Auf dieses hatte er alle Narren zu Gast gebeten, die er nur auftreiben
konnte. Aber das Schiff erwies sich als zu klein. Die Säufer, die
Gecken, die Spieler, die Kirchenschänder, die Geizhälse, Wucherer,
Studenten, Ehebrecher, Huren füllten es bis an den Rand. Auch du
lieber Leser, und ich, wenn wir nur ein wenig in uns gehen und
nachdenken: wir befinden uns unter jenen Narren. Sebastian Brant hat
uns, fünfhundert Jahre, bevor wir geboren wurden, trefflich
abkonterfeit. Aber es ist ein Bild, das wir uns nicht hinter den
Spiegel stecken oder unserer Base zum Geburtstag schenken werden.
- Zwanzig Jahre nach dem Narrenschiff legte Knecht Rupprecht 1519 den
Deutschen die erste Ausgabe des Volksbuches von Tyll Eulenspiegel auf
den Weihnachtstisch. Die hatten eine Freude wie wohl seit hundert
Jahren nicht über ein Buch. Noch im 16. Jahrhundert erscheinen
achtzehn deutsche Ausgaben; es wurde sofort ins Vlämische,
Niederländische, Englische und Französische übersetzt. Woher dieser
spontane Erfolg? Brants Narrenschiff war eine mehr oder weniger
literarische Angelegenheit gewesen, im Eulenspiegel sah und lachte das
Volk sich wieder einmal selber ins Gesicht. In allen
Fastnachtskomödien war er ja schon als Kasperle oder Hanswurst
figürlich aufgetreten, hier hatte man seine in wohlgesetzte Worte
gebrachte Biographie des komischen Heldenlebens. Eulenspiegel, der
ernsthafte Schalk, ist die Typisierung der einen Seite des deutschen
Ideals, dessen andere Seite (ob Rück- oder Vorderseite der Medaille
bleibe dahingestellt) den Doktor Faust, titanischen Ringer um die
letzten Probleme zeigt. Eulenspiegel tritt auf als Richter der
Menschheit: er richtet sie mit einem schiefen Zucken seines Mundes,
mit der sofortigen Realisierung ihrer Ideen, deren Wert und
Möglichkeit dadurch ad absurdum geführt werden. Er ist zugleich
leicht- und tiefsinnig. Seine Späße exemplifizieren das Chaos. Sie
dozieren bis zur Brutalität das Bibelwort: Der Mensch ist aus Dreck
gemacht. Das Urbild des Tyll Eulenspiegel hat wirklich gelebt.
Chroniken berichten von seinem 1350 zu Mölln erfolgten Tode, wo noch
heute sein Grabstein gezeigt wird.
Vorher waren schon Schwankbücher wie Jörg Wickrams "Rollwagenbüchlein"
oder des Bruders Johannes Pauli "Schimpf und Ernst" (1522)
Mode geworden: Bücher, die heitere oder moralische Anekdoten erzählen,
die sich nicht um einen einzelnen Narren gruppierten: die damalige
Reiselektüre, auf den Rollwagen mitzunehmen. Wobei zu bemerken ist,
daß diese Reiselektüre unendlich gehaltvoller war als die heute
verbreitete. Bruder Johannes Pauli ist ein belesener und witziger
Mann, der ausgezeichnet zu erzählen vermag und unsere Stratz und
Höcker überragt wie ein Kirchturm eine verkrüppelte Kiefer. Da liest
man nun folgendes:
"Man zog einmal aus in einen Krieg mit großen Büchsen und mit viel
Gewehren, wie es denn so Sitte ist; da stund ein Narr da und frage,
was Lebens das wäre? Man sprach: Die ziehen in den Krieg! Der Narr
sprach: Was tut man im Krieg? Man sprach: Man verbrennt Dörfer und
gewinnt Städte und verdirbt Wein und Korn und schlägt einander tot.
Der Narr sprach: Warum geschieht das? Sie sprachen: Damit man Friede
mache! Da sprach der Narr: Es wäre besser, man machte vorher
Frieden, damit solcher Schaden vermieden bliebe. Wenn es mir
nachginge, so würde ich vor dem Schaden Frieden machen und nicht
danach; darum so bin ich witziger als eure Herren." Hätten wir
Deutschen vor dem Kriege Johannes Pauli als Reiselektüre gelesen an
Stelle von Walter Bloems "Eisernem Jahr": vielleicht wäre es
nicht zum Kriege gekommen, und wir hätten uns dieses Narren Meinung zu
Herzen genommen.
(Aus "Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde" von Klabund)
Ergänzende
Buchempfehlungen zum Thema:
Michael Rupp: " 'Narrenschiff' und 'Stultifera navis' "
Deutsche und lateinische Moralsatire von Sebastian Brant und Jakob
Locher in Basel 1494-1498.
Das lateinische "Narrenschiff" war der Ausgangspunkt für zahlreiche
weitere Bearbeitungen, für Rückübersetzungen in andere Volkssprachen
wie für ebenfalls lateinische Um- und Nachdichtungen. Eines allerdings
ist die "Stultifera navis" nicht: eine Übersetzung verbum di verbo.
Gegenüber der Vorlage ist sie geprägt durch zahlreiche Abwandlungen
und Unterschiede, hinter denen durchaus eine Absicht erkennbar wird.
Hier setzt diese Arbeit mit einem komparatistischen Zugriff auf beide
Versionen an und eröffnet den Blick auf kulturgeschichtliche
Transformationsprozesse des Humanismus, darauf, wie der Dichter mit
dem Beinamen Philomusus das für ein volkssprachliches Publikum
geschriebene "Narrenschiff" an den Erwartungs- und Verständnishorizont
der lateinischsprachigen res publica litteraria anpasst. In diesen
Kreisen, wo die Gebildeten aus ganz Europa versammelt waren, verstand
man als gemeinsamen Hintergrund im Gegensatz zu den regional
begrenzten volkssprachlichen Kulturen und ihren jeweiligen Traditionen
die römische Antike, auf der die zeitgenössische lateinische Literatur
aufbaute. Im Hinblick auf diese kulturelle Schicht schuf Locher mit
der "Stultifera navis" nicht eine Übersetzung im heutigen Sinne,
sondern eine kongeniale Nachdichtung, die auf die veränderten
Rezeptionsbedingungen Rücksicht nahm.
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Nina Hartl: "Die
'Stultifera Navis' "
Jakob Lochers Übertragung von Sebastian Brants "Narrenschiff"
Bd. I.1 Untersuchung und Kommentar; Bd. I.2 Teiledition und
Übersetzung
1497 erschien die lateinische Version des epochemachenden Werkes "Das
Narrenschiff", verfasst von dem Humanisten Jakob Locher.
Mit dieser kritischen Edition wird die "Stultifera Navis" erstmals
einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Die Kapitelauswahl wird
ergänzt durch sämtliche Vorreden, Briefe und Widmungsgedichte Brants
und Lochers. Eine Übersetzung ins Deutsche und ein Stellenkommentar
erschließen den Lesern das lateinische Werk. In welcher Hinsicht sich
Brants "Narrenschiff" und Lochers Bearbeitung unterscheiden, ist
Gegenstand der vergleichenden Untersuchung, die u. a. das Motiv der
Schifffahrt, den Exempelgebrauch und die Gewichtung von satirischer
delectatio und utilitas behandelt. Wie Lochers Arbeitsmethode zeigt,
entspringen die antiken Stilisierungen des lateinischen
"Narrenschiffs" dem imitatio-Prinzip humanistischer Dichtung. Auch das
"Herzstück" der "Stultifera Navis" verdankt sich der Orientierung am
antiken Vorbild: Im allegorischen Wettstreit von Virtus und Voluptas
spiegeln sich die neuplatonisch geprägte Weltsicht Lochers und sein
dichterisches Selbstverständnis.
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Thomas Wilhelmi (Hrsg.):
"Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum
'Narrenschiff' und zum übrigen Werk"
Thomas Wilhelmi (Heidelberg/Basel), ein anerkannter Brant-Bibliograf
und -Editor, hat in diesem Band eigene und fremde Artikel vereinigt,
welche die Kenntnis von Brants Leben und Werk um neue Fakten und
überzeugende Interpretationen erweitern.
Er selber veröffentlicht in "Zum Leben und Werk Sebastian Brants"
etliche kleine Funde, die er im Laufe der Jahre in Strassburg, Basel
und anderswo machen konnte. Mit diesen Mosaiksteinchen wird
insbesondere die Biografie in einigen Teilen ergänzt.
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Erasmus
von Rotterdam: "Das Lob der Torheit"
Die Weltherrscherin Torheit verkündet die Wahrheit, und sie tut es
lachend: Dank ihrer dienstfertigen Zofen - Eigenliebe, Schmeichelei,
Vergesslichkeit, Faulheit oder Lust - hat sie das ganze Erdenrund
ihrer Macht unterworfen und ist nun Königin selbst über Könige.
In diesem Meisterstück vorurteilsfreien Denkens erweckte Erasmus von
Rotterdam die ironische Lobrede zu neuem Leben. Mit unübertroffener
Leichtigkeit und rhetorischer Eleganz, rhythmischem Zauber und
einzigartiger Musikalität zielt seine Rede nicht auf eine bestimmte
Person, sondern auf alle denkbaren Dummheiten und Laster. "Das Lob der
Torheit" ist ein unterhaltsames Buch, das in seiner scharfsinnigen
Überzeichnung zum Lachen reizt. Die philosophische Tiefe des Buches
besteht darin, dass die Torheit - ob als Forscherdrang oder
Spielleidenschaft, Aberglaube oder Adelsstolz, Sophismus oder
Eitelkeit - nicht nur als verdammenswertes Laster gesehen wird,
sondern auch als notwendige Illusion, damit das Dasein überhaupt
erträglich wird. Weisheit bedeutet demnach für Erasmus Erkenntnis der
eigenen Beschränktheit und gelassenes Sich-Abfinden mit dem
illusionären Charakter des Lebens: Torheit ist die wahre Weisheit,
eingebildete Weisheit ist Torheit.
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