Hrsg. Hans-Jörg Koch: "Wein. Eine literarische Weinprobe"
Wie Hans-Jörg Koch in seinem "Begrüßungsschluck für Leser", dem Vorwort also, anmerkt, ging es bei der Erstellung dieses Buches darum, nicht durch bloße Fülle zu erfreuen, sondern vielmehr darum, Erlesenes und Kostproben wie auch Raritäten aus zwei Jahrtausenden darzubieten, sich mit einem Glas Wein und diesem Buch zur stilvollen Lektüre zurückzuziehen, snobistische Floskeln sowie die "Vollkasko-Mentalität von Konsumfetischisten" hinter sich lassend.
Das Einstiegskapitel, "Was ist Wein" betitelt, liefert Definitionen vielerlei Ursprungs; da wird aus Gesetzesbestimmungen ebenso zitiert, wie Gelehrte und Schriftsteller zu Wort kommen; darunter Plutarch (um 46-120): "Der Wein ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien die schmackhafteste und unter den Nahrungsmitteln das angenehmste." Hans-Jörg Koch jedenfalls plädiert dafür, Wein seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen ...
Kapitel Nummer 2 trägt die launige Überschrift "Ein fröhlich Zechen" und beinhaltet folgerichtig zwei humorige Gedichte sowie eine Abschrift aus einer im Jahre 1830 erschienenen Enzyklopädie; Stichwort "Weingenuss und Temperament". Hierauf folgt "Tugenden des Weins", diese verbrieft in Texten von Erasmus von Rotterdam, Omar Chajjam, Thomas Mann - (der übrigens Wein als "Hilfsmittel von Format" bezeichnete!), Paul Claudel - (von diesem wurde Wein nicht als Feind, sondern als Ratgeber, als Lehrmeister des guten Geschmacks, betrachtet) sowie Lucius Annaeus Seneca, der dem Wein in seiner Schrift "Von der Ausgeglichenheit der Seele" zugesteht, dieser befreie von der Knechtschaft der Sorgen. Und sogar Jean-Jacques Rousseau fand lobende Worte für die Wirkungen des Weines!
In "Von Maß und Unmaß. Allerlei Poetisches wider die Völlerei" finden sich neben zahlreichen Bonmots, beispielsweise jenem: "Wer Wein mit Andacht trinkt, betet; wer ihn säuft, sündigt!" Textpassagen aus den Schriften Martin Luthers, aus dem 1494 verfassten "Narrenschiff" von Sebastian Brant, sowie aus den Werken des Minnesängers Walther von der Vogelweide und einiger weiterer Schriftsteller. Man liest gar Sonderbares vom Hessischen Orden der Mäßigkeit, zu dessen Geboten unter anderem "Täglich soll keiner mehr als 14 Ordensbecher voll Wein austrinken" gehörte. Diesem Orden war übrigens - wen wundert´s - kein Bestand gegeben. Auch aus Wilhelm Hauffs "Phantasien im Bremer Ratskeller" sowie weiteren spaßigen Texten wird munter zitiert.
Es ist ja kein Geheimnis, dass der Wein und die Liebe - jedes für sich genommen unbestritten, doch zusammen bisweilen deutlich intensivere - unversiegbare Inspirationsquellen darstellen. Und so ist es nur allzu verständlich, dass auch Hans-Jörg Koch auf solcherart entstandenes Schrifttum, sei es nun von Goethe, aus den "Carmina Burana" ("Bacchus weiß zu schmeidigen / Auch der Weiber Spröde, / Und nicht lange steht es an, / Tun sie nimmer blöde."), von Wilhelm Busch, Ovid oder seien es dem Volksgut entstammende Sprüche wie dieser: "Durch ein saures Weib sind schon mehr Männer zu Säufern geworden als durch den süßesten Wein", zurückgreift.
Darauf folgt nun "Lob des Weins", eingeleitet durch Verse von Franz Josef Degenhardt ("Weintrinker"). Doch was ist das? Ein paar Seiten weiter findet sich doch tatsächlich ein "Trinklied" der nicht gerade für ihren ausschweifenden Lebenswandel bekannten Dichterin Annette von Droste-Hülshoff, die sich solcherart offenbart: "Nun Du mein verlaßnes Fläschchen, / Das zu lang ich schon vergaß, / Dann und wann ein kleines Gläschen / Mach mir noch die Kehle naß! / Erst nach meinem Lebenslauf / Hört mein frohes Trinken auf." Neben Gedichten weniger bekannter Autoren enthält der Abschnitt thematisch passende Textstellen von Hermann Hesse und Charles Baudelaire ("Ist es nicht ein ganz einleuchtender Gedanke, dass die Leute, die - aus Naivität oder aus System - niemals Wein trinken, entweder Schwachköpfe oder aber Scheinheilige sein müssen ...").
"Noah aber fing an und ward ein Ackermann und pflanzte Weinberge." - Ein Kapitel, das solcherart eingeleitet wird, kann natürlich nur "Biblisches und Geistliches" heißen. So führt Hans-Jörg Koch denn auch zahlreiche, den Wein betreffende, Gleichnisse aus der Heiligen Schrift an, präsentiert Textpassagen über den bekanntermaßen großen Durst der Mönche, so zum Beispiel das Gedicht "Kapuzinerpredigt", aus dem folgende Strofe stammt: "Ach, schrieb er an den Philémon, / Durst, das ist der schlimmste Dämon! / Durst zu haben und nicht Wein, / Das ist eine Christenpein."
Weitere Abschnitte sind folgenden Themen gewidmet: "Die Kunst des Genießens" - (unter anderem kommt hier Nikolaus Lenau zu Wort, und zwar mit einem - wie nicht anders zu erwarten - recht schwermütigen Gedicht) , "Wein-Prominenz" - (beginnend beim ägyptischen König Psammetich, über Sokrates, Karl den Großen, Goethe, Napoleon, E. T. A. Hoffmann, Wilhelm Busch, bis Colette), "Wein und Gesundheit" - (hier wird u.a. aus den Schriften des Kirchenlehrers Augustinus zitiert), "Wein des Alters" - (mit Texten von Georg Büchner, Ernst Bloch, Georg Britting u.a.), "Kurioses rund um den Wein", bevor wir uns dem sinnlich-kulinarischen Bereich zuwenden, der von "Appetitliches und Wissenswertes" - "Rezepte mit Wein" (Getränke, Suppen, Fleischgerichte, Desserts, ...) über "Die Weinjahrgänge seit 1660" - (Kürzestanmerkungen zum jeweiligen Jahrgang; z.B. "1746 - nicht der Beste") bis zu den "Weinbegriffen von A bis Z" reicht.
Hans-Jörg Koch, geboren 1931, lebt in Wörrstadt. Er veröffentlichte zahlreiche Artikel zum Thema Wein und wurde mehrfach ausgezeichnet: So erhielt er beispielsweise 1972 den Preis des internationalen Weinamtes, 1977 den Deutschen Weinkulturpreis.
(Felix; 06/2002)
Hrsg. Hans-Jörg Koch: "Wein. Eine
literarische Weinprobe"
Reclam Leipzig, 2002. 144 Seiten.
32 Abbildungen.
ISBN 3-379-00788-9.
ca. EUR 14,90. Buch
bestellen