Wundervolle Geburt des Bacchus.
Neptun und Merkur.
Neptun:
Kann man vor den Jupiter kommen,
Merkur?
Merkur: Diesmal nicht, Neptun.
Neptun: Melde mich nur wenigstens an.
Merkur: Sei nicht beschwerlich, Neptun; ich sage dir
ja, dass er jetzt keine Zeit hat, und dass du ihn nicht zu sehen
bekommen kannst.
Neptun: Hat er sich etwa mit der Juno eingeschlossen?
Merkur: Nein, es ist ganz was anders.
Neptun: Aha, ich verstehe! Ganymed ist drin.
Merkur: Auch das nicht - kurz, er ist nicht wohl.
Neptun: Wie sollte das zugehen, Merkur? Das ist ja
unbegreiflich!
Merkur: Es ist so, daß ich mich
schäme davon zu reden.
Neptun: Bin ich nicht dein Oheim? Mir wirst du es
doch nicht verschweigen wollen?
Merkur: Er ist eben von einem jungen Sohn entbunden
worden.
Neptun: Bist du toll? Er entbunden worden? Wer ist
denn der Vater? Er wäre also ein Zwitter gewesen, ohne
daß wir was davon gemerkt hätten? An seiner Dicke
konnte man ihm wenigstens nicht ansehen, dass er schwanger sei.
Merkur: Da hast du recht; das Kind lag aber auch
nicht wo sie gewöhnlich zu liegen pflegen.
Neptun: Es ist also wieder aus dem Kopfe gekommen,
wie die Minerva?
Merkur: Diesmal nicht; er ging (weil es doch heraus
muss) im Dickbein mit einem Kinde der Semele schwanger.
Neptun: Die Natur ist freigebig gegen ihn gewesen,
das muss man gestehen! Aber wer ist denn die Semele?
Merkur: Eine Thebanerin, der Töchter des
Kadmus eine, die von ihm schwanger wurde.
Neptun: Und nun hat er für sie geboren?
Merkur: Ich sehe, dass dir die Sache
lächerlich vorkommt, aber es ist doch nicht anders. Ich will
dir sagen wie es damit zuging. Juno, deren Eifersucht dir nicht
unbekannt ist, kam hinterlistiger Weise an die gute Semele, und
überredete sie, vom Jupiter zu verlangen, dass er in seiner
ganzen Herrlichkeit, mit Blitz und Donner, zu ihr kommen sollte.
Jupiter gewährte ihr ihre Bitte: aber darüber geriet
das Haus in Brand, und Semele selbst wurde vom Blitz erschlagen. Da er
die Mutter nicht retten konnte, befahl er mir, ihr wenigstens das Kind
aus dem Leibe zu schneiden und ihm zu überbringen. Weil es
aber erst sieben Monat alt und also noch nicht zeitig war, so machte er
sich eine Öffnung in den Schenkel, und steckte es hinein um es
vollends auszutragen. Nun hat er das Kind endlich nach neun Monaten zur
Welt gebracht, und befindet sich von den Geburtsschmerzen etwas
schwach.
Neptun: Wo ist denn das Kind?
Merkur: Ich musst' es nach Nyssa tragen, und unter
dem Namen Dionysos den Nymfen
aufzuziehen geben.
Neptun: Mein Herr Bruder ist also zugleich Vater und
Mutter zu dem kleinen Dionysos?
Merkur: So scheint es. Aber ich kann mich nicht
länger aufhalten. Ich muss Wasser für ihn holen, und
alles übrige besorgen was bei einer Wöchnerin
gebräuchlich ist.
(aus
den Dialogen von Lukian; 120-189 n.Chr.)
...
Bücher von Lukian bestellen ...