Bacchus in Bünden
Wo
stürzend aus rätischen Klüften der Rhein
Um silberne Hüften sich gürtet den
Wein
Ziehn paukende Masken mit Zimbelgeläut
"Du Traube von Trimmis, dich
wimmeln wir heut!"
Sie
treten den Reigen, sie stampfen den Chor
Da dunkelts und lodern die Fackeln
empor:
Ein Kranz in den Lüften! Ein wirbelndes Paar!
Ein brennender Nacken!
Ein purpurnes Haar!
Die
Fackeln verlöschen. Es hebt sich der Glanz
Des schimmernden Monds und vergeistert
den Tanz -
Ein adliger Jüngling von fremder Gestalt
Bemeistert den Reigen
mit Herrschergewalt.
Er
schwebt in der Mitte, bekränzt und allein,
Mit leuchtenden Füssen in himmlischem
Schein,
Die Schulter umflattert getigertes Fell,
Er trägt einen Zepter,
der kühne Gesell.
Er neigt
ihn vor Irma, der träumenden Maid:
"In nachtdunkle Haare taugt blitzend Geschmeid!"
Er greift in den Himmel mit mächtiger Hand,
Er raubt aus den Sternen ein
flimmerndes Band:
Schön
Irma schwebt hin mit dem Krönlein von Licht,
Als fesselte fürder die Erde
sie nicht,
Er schwingt ihr zu Häupten den Thyrsus, umrankt,
Mit üppigem
Laube, von Trauben
umschwankt ...
Zwölf Schläge
verkünden die Mitte der Nacht.
Der Reigen ermüdet. Das Fest ist vollbracht!
"Herunter die Masken! So will es der Brauch!
Du Führer des Reigens, entlarve
dich auch!
Wir sind unser
zwanzig, und voll ist die Zahl!
Wer bist du, der frech in die Gilde sich stahl?
Ein Gaukler? Ein Zaubrer? Sprich, wie du dich nennst!
Sonst
fürcht unsre Messer, bist du kein Gespenst!"
Ein
Mönchlein, ein zechend entschlafnes, wird reg:
"Wer bist du? Der Satan?
Dir weis ich den Weg!"
Er zeichnet ein Kreuz. "Nun entmumme dich nur!
Ich
bin der gelehrte Pankrazi von Cur!"
Der Jüngling entlarvt ein von Eppich umlaubt,
Ein hohes, ein mildes, ein gnädiges
Haupt
"Zu Füssen dem Herrscher, vermessen Gesind.
Ich bin Dionysos,
des Donnerers Kind!"
Er
lächelt dem Mönch in das feiste Gesicht:
"Silenos, Silenos, verleugne mich
nicht!
Mich hat seine Gnaden, der Bischof, gebannt
Und ist doch mein treuster
Bekenner im Land.
Weinfröhliche
Räter, etrurisch Geschlecht,
Ihr habt schon am Reno gehörig gezecht,
Doch
hüben am Rhein in germanischer Mark
Bezecht ihr euch doppelt und dreimal so
stark!"
(von C. F. Meyer; 1825-1898)