Sterben und Auferstehn
Du
Menschenkind, sieh um dich her...
Und weißt du eine Lehre,
Die größer
und die tröstlicher
Für uns hienieden wäre? –
Dort,
wo die Siegespalmen wehn,
Ist Sein nur, ist kein Werden,
Kein Sterben
und kein
Auferstehn,
Wie hier bei uns auf Erden.
Dort
freun sie ewig ewig sich,
Ist ewig Licht und Friede,
Das Leben quillt
dort mildiglich
Aus sich, und wird nicht müde.
Doch
dieser Unterwelt ist nicht
Solch glorreich Los gegeben;
Hier ist ohn Finsternis
kein Licht,
Und ohne Tod kein Leben.
Der
Löwe
liegt und fäult und schwellt –
Dann geht vom Fresser Speise;
Der Same
in die Erde fällt
Und stirbt, – und keimt dann leise.
Und die
Natur
ein Spiegel ist;
Es wird darin vernommen:
Was deinem Geist du
schuldig bist
Soll er zum Leben kommen.
Willst
du wahrhaftig glücklich sein,
Auf festem Grunde bauen;
Mußt du den Dornenweg
nicht scheu'n,
Der Rosenbahn nicht trauen.
Einst
war ein großer Mann bedacht
Uns darin einzuweihen,
Und führte durch die
lange Nacht
Das Volk zum
Fest der Maien.
Drum spare dir viel Ungemach,
Du Menschenkind, und höre,
Und denke der
Verleugnung nach,
Und jener großen Lehre.
In uns ist zweierlei Natur,
Doch ein Gesetz für beide;
Es geht durch Tod
und Leiden nur
Der Weg zur wahren
Freude.
(von Matthias Claudius)