Der Revolutionsplatz

Die Wagen kommen angefahren und halten vor der Guillotine. Männer und Weiber singen und tanzen die Carmagnole. Die Gefangenen stimmen die Marseillaise an.

Ein Weib (mit Kindern)
Platz! Platz! Die Kinder schreien, sie haben Hunger. Ich muß sie zusehen machen, daß sie still sind. Platz!

Ein Weib
He, Danton, du kannst jetzt mit den Würmern Unzucht treiben.

Eine andere
Hérault, aus deinen hübschen Haaren laß ich mir eine Perücke machen.

Hérault
Ich habe nicht Waldung genug für einen so abgeholzten Venusberg.

Camille
Verfluchte Hexen! Ihr werdet noch schreien: »Ihr Berge, fallet auf uns!«

Ein Weib
Der Berg ist auf euch, oder ihr seid ihn vielmehr hinuntergefallen.

Danton (zu Camille)
Ruhig, mein Junge! Du hast dich heiser geschrien.

Camille (gibt dem Fuhrmann Geld)
Da, alter Charon, dein Karren ist ein guter Präsentierteller! - Meine Herren, ich will mich zuerst servieren. Das ist ein klassisches Gastmahl; wir liegen auf unsern Plätzen und verschütten etwas Blut als Libation. Adieu, Danton! (Er besteigt das Blutgerüst, die Gefangnen folgen ihm, einer nach dem andern. Danton steigt zuletzt hinauf.)

Lacroix (zu dem Volk)
Ihr tötet uns an dem Tage, wo ihr den Verstand verloren habt; ihr werdet sie an dem töten, wo ihr ihn wiederbekommt.

Einige Stimmen
Das war schon einmal da; wie langweilig!

Lacroix
Die Tyrannen werden über unsern Gräbern den Hals brechen.

Hérault (zu Danton)
Er hält seine Leiche für ein Mistbeet der Freiheit.

Philippeau (auf dem Schafott)
Ich vergebe euch; ich wünsche, eure Todesstunde sei nicht bittrer als die meinige.

Hérault
Dacht' ich's doch! er muß sich noch einmal in den Busen greifen und den Leuten da unten zeigen, daß er reine Wäsche hat.

Fabre
Lebe wohl, Danton! Ich sterbe doppelt.

Danton
Adieu, mein Freund! Die Guillotine ist der beste Arzt.

Hérault (will Danton umarmen)
Ach, Danton, ich bringe nicht einmal einen Spaß mehr heraus. Da ist's Zeit. (Ein Henker stößt ihn zurück.)

Danton (zum Henker)
Willst du grausamer sein als der Tod? Kannst du verhindern, daß unsere Köpfe sich auf dem Boden des Korbes küssen?


(aus "Dantons Tod" von Georg Büchner)
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