Streifzüge durch die zeitgenössische Literatur anderer Länder |
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Litauen |
Litauen erstreckt sich über eine Fläche von ca. 65.300 Quadratkilometern und hat rund 3.700.000 Einwohner. Die Hauptstadt Litauens ist Vilnius mit ungefähr 550.000 Einwohnern. Die Landessprache (Litauisch) ist dem Sanskrit verwandt und gehört der Gruppe der baltischen Sprachen innerhalb der indoeuropäischen Sprachfamilie an. Die litauische Währung ist (seit 1992) der Litas (LTL). 1 Litas = 100 Centas.
Bei www.sandammeer.at finden Sie Informationen über folgende Autoren und ihre Werke:
Jurga Ivanauskaitë: "Die Regenhexe"
"Ich bin die erste und
die letzte. Ich bin
die Verehrte und die Verachtete.
Ich bin die Hure, und ich bin die
Heilige."
"Es war einmal
... So beginnen doch alle Märchen, nicht wahr? Die Sonne
schien warm, die Vögel
zwitscherten, alles roch betörend, und ich hatte Lust, vor
Zufriedenheit zu
schnurren wie eine Katze. Doch plötzlich sah ich, wie der
Priester Paulius auf
der Wiese näher kam. An jenem Vormittag, als ich Vater Paulius
sah, spürte ich
ein unbeschreibliches, wildes Urgefühl ...."
Ein Roman, kraftvoll und bilderreich, der drei
Frauenschicksale auf drei
Zeitebenen virtuos miteinander verknüpft.
So lernen sich
Paulius und Viktorija kennen. Sie möchte ihn
verführen und provoziert ihn mit
aufreizender Kleidung, denkt dabei aber vorerst lediglich an eine eher
platonische Beziehung und glaubt, dass es eine Grenze geben wird, die
sie beide
nicht überschreiten werden. Als sie erkennt, dass Paulius sie
voller
Leidenschaft begehrt zögert Viktorija vorerst, doch er weckt
in ihr eine
leidenschaftliche, animalische Erregung, und ihre verbotene Beziehung
beginnt.
Viktorija ist gefangen in einem Strudel der Leidenschaft, begehrt
Paulius, macht
ihn zu ihrem Lebensmittelpunkt, zu ihrem Retter, zu ihrem Fels,
reduziert ihr
ganzes Leben auf diese große Liebe, die eigentlich
Selbstaufgabe bedeutet. Als
er sie verlässt um sich endgültig für ein
Leben im Kloster zu entscheiden, stürzt
er sie in einen Abgrund. Sie sucht Mittel und Wege um sich selbst zu
demütigen,
rasiert ihr Haupt kahl, lässt sich von Männern
benützen um ihm in der Beichte
davon zu berichten. Letztendlich nimmt sie psychologische Hilfe in
Anspruch,
beseelt von dem Wunsch, ihn zu vergessen.
Die beiden anderen
Hauptpersonen dieses Romans sind einerseits Maria Magdalena und ihre
Beziehung
zu Jesus, der sie vor der rasenden Menschenmasse beschützt,
sie zum Glauben an
Gott bekehrt und sie davon abhält, weiterhin ihrem Gewerbe
nachzugehen. Auch
sie zentriert ihr Leben auf ihn, dem sie von nun an folgen wird,
erträgt
Schmach und Zurückweisung durch ihre Umgebung, sieht in ihm
den Felsen, legt
ihr Schicksal in seine Hände und liebt ihn mehr als ihr Leben.
Andererseits
lernt der Leser noch Marija Viktorija kennen, die der Hexerei
beschuldigt wird
und in einem Kerker vor sich hinvegetiert, nachdem sie sich
öffentlich zu ihrer
Beziehung zu Povilas Paukstietis, einem Einsiedler, der als Heiliger im
Mittelalter verehrt wurde, bekannt hat.
Das Schockierende
an diesem Buch ist diese bedingungslose Liebe zu Männern, wo
von vornherein
feststeht, dass diese sich niemals zu den Frauen bekennen werden. Die
Selbstaufgabe der Frauen ist erschreckend, genauso wie die
Selbstverständlichkeit
der Männer die Zweisamkeit mit den Frauen zu
genießen, sich plötzlich der
eigentlichen Bestimmung zu besinnen, das Verhältnis als
unpassend zu empfinden
und zu beenden. Nicht etwa gefühlvoll oder
rücksichtsvoll, sondern ohne Wenn
und Aber und mit Sprüchen wie "Lehre mich, nicht das
Unmögliche zu
verlangen und nicht wegen des Unabänderlichen zu trauern", die
keinesfalls
als Trost verstanden werden können und die vermeintliche
Sehnsucht nach dem
verlorenen Paradies in den verlassenen Frauen noch schüren.
Die Frauen werden
zurückgelassen, losgerissen von der Welt, einsam, voller Hass
und Verzweiflung.
Viktorija erzählt
ihrer Therapeutin einmal eine Episode aus dem Leben ihrer Schwester,
als diese
einen Zigeuner vermöbelt und anschließend
erklärt: "Ich habe nicht den
Zigeuner vermöbelt, sondern mich am ganzen Geschlecht der
Männer gerächt!
Auch wenn so eine Rache noch gar nichts ist. Wenn ich könnte,
würde ich ihnen
........!" Dieser Hass war für mich beim Lesen
großteils präsent, aber
auch Leidenschaft und die Frage "Was ist Liebe?"
Der Autorin ist mit
diesem Roman eine aufwühlende Geschichte gelungen, die einen
Bogen vom Neuen
Testament über das Mittelalter bis in die heutige Zeit spannt.
Sie beschreibt
drei Paarbeziehungen, die jeweils von den Männern
gelöst werden und bei allen
drei Frauen einen unglaublichen Schmerz auslösen, obwohl jede
die emotionale
Katastrophe auf ihre Weise zu lösen versucht.
(Margarete)
Jurga Ivanauskaitë:
"Die Regenhexe"
(Originaltitel "Ragana ir lietus". Aus dem Litauischen von Markus
Roduner.
dtv.)
"Die
Regenhexe"
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"Placebo"
In Vilnius wird die Wahrsagerin Julija ermordet - eine elegante,
erfolgreiche Frau, bei der die Spitzen der Gesellschaft verkehrten.
Stecken politische Kreise hinter dem Mord? Oder etwa die Mafia? Einige
von Julijas Freunden versuchen diese Fragen zu beantworten. Welche
Rolle spielt der geheimnisvolle "Er", der Repräsentant der
mysteriösen Organisation "Placebo", deren Ziel es ist, die
Menschen der Globalisierung zu unterwerfen, ihnen den Individualismus
auszutreiben und den freien Willen zu nehmen ... (dtv)
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Jurga Ivanauskaitë wurde
1961 in Vilnius geboren. Sie stammte aus einer literarischen Familie und
absolvierte zwischen 1979 und 1985 ein Studium an der Kunsthochschule
Vilnius.
In Litauen war sie sowohl als Schriftstellerin als auch als Malerin
bekannt; sie hat einige Romane, darunter drei
über Reisen in Tibet, sowie zwei Erzählbände
("Das
Maiglöckchenjahr", 1985, "Reise
nach
Shambala"
- Originaltitel: "Kelione i Sambala", 1997) veröffentlicht.
Der Durchbruch gelang ihr 1993 mit dem Roman "Die Regenhexe", welcher
von der litauischen Ethikkommission als pornografisch und
antichristlich
eingestuft wurde.
In "Reise nach Shambala" hielt sie ihre
Reiseeindrücke, Begegnungen
mit einfachen Menschen, hochrangigen Geistlichen, Wahrsagern und Weisen
fest.
Darüber hinaus erfährt der Leser viele historische
Einzelheiten sowie
einiges
über Buddhismus. Die Suche nach dem mystischen
Shambala ist eine Reise ins
Innere der menschlichen Seele. Die Wahrnehmung der Schriftstellerin
wird noch
verschärft durch die tödliche Bedrohung durch eine
schwere Erkrankung, die sie
mit Hilfe einer Hellseherin in Kathmandu überwindet.
Ihr Schreiben war inspiriert durch den Feminismus, östliche
Philosophie und die
gnostischen Schriften. Sie galt als eine der wichtigsten und
erfolgreichsten
Vertreterinnen der litauischen Literatur der Gegenwart.
Jurga Ivanauskaitë starb am 17. Februar 2007 in Vilnius.
Icchokas Meras: "Remis für Sekunden"
Das
Thema
Faschismus hat den Autor nie losgelassen. "Remis für Sekunden"
ist
ein Roman, der auf feinfühlige Art und Weise Einzelschicksale
in einem Ghetto
schildert, die mit der Brutalität des Kommandanten Schoger
kontrastieren.
Die Literatur
Litauens ist in hiesigen Breitengraden nahezu unbekannt. Der Autor
Icchokas
Meras hat das vorliegende Buch, das 1966 erstmals
auf deutsch
erschien, bereits 1963 geschrieben. So viele Jahre später also
erlebt der Roman
eine neue Auflage. Die Eltern von Icchokas Meras fielen gleich zu
Beginn der
faschistischen Besetzung Litauens der Judenverfolgung zum Opfer. Er und
seine
Schwester entgingen durch Zufall dem Tod, da sie eine litauische
Familie bis
1944 versteckte. 1973 emigrierte er nach Israel.
Der
Ghettokommandant ist jeglicher Menschlichkeit beraubt, und so ist die
Wette, die
er mit dem Vater von Isaak eingeht, nicht weiter verwunderlich. Er
droht damit,
die Kinder aus dem Ghetto zu schaffen, und Abraham Lipman ersucht den
unbarmherzigen Schoger, sie im Ghetto zu belassen. Es sind nur mehr
wenige
Kinder verblieben, und der Kommandant bietet Abraham an, dass dessen
Sohn Isaak
mit ihm eine Partie Schach spielen möge. Sollte Isaak
gewinnen, werde er
erschossen, die Kinder aber würden nicht weggebracht;
verlöre Isaak, dann
bliebe er am Leben, die Kinder würden aber weggebracht. Nur
bei einem Remis könnten
beide Teile unbeschadet bleiben.
Die Schachpartie
bildet den Hintergrund für die erwähnten
Einzelschicksale, die tief ins Herz
hineingehen. Meras versteht es ausgezeichnet, sich in Menschen hinein
zu
versetzen, die keinerlei Perspektive mehr haben und doch
bemüht sind, sich den
Stolz zu bewahren und mutig dem Ende entgegen zu treten. Die Qualen
sind kaum
auszuhalten, aber es bilden sich Keimzellen der Hoffnung, und diese
Hoffnung
gilt es nie zu verlieren. Der Tod ist unabwendbar, doch die menschliche
Würde
ist unantastbar.
Der Umschlag des
Buches zeigt einen Schelm, der dabei ist, einen Schachzug zu machen.
Die
aufgezeichnete Stellung der Figuren könnte auf ein baldiges
Remis hindeuten.
Jeder erfahrene Schachspieler weiß, dass ein Remis zwar ein
häufiges Ergebnis
eines Spiels sein kann; es aber fast unmöglich sein mag, es
auf dieses Ergebnis
anzulegen. Somit ist die Aufgabe für Isaak extrem schwierig,
und der gewünschte
Ausgang hat insgesamt eine Symbolwirkung, die tief in die Seele des
Menschen
hinein gehen kann.
Es gibt Sieger und
Verlierer auf dieser Welt. Der Grund dafür ist der, dass es
keine Solidarität
gibt. Stets gilt es, den Konkurrenten auszustechen. Der Sieg des Einen
geht
immer auf Kosten des Anderen. Die biologistische Erkenntnis, dass nur
die
"stärkeren", "bestangepassten" Lebewesen auf Dauer
überleben
können, konterkariert mit der Vorstellung von
Solidarität, die sich gerade der
Verlierer dieses Systems annehmen sollte. Ein Unentschieden kennt keine
Sieger
und keine Verlierer. Es ist die einzige Lösung, Menschen
miteinander ins Gespräch
zu bringen. Die unbarmherzige Nazi-Herrschaft ging von der Vorstellung
aus, dass
es "Untermenschen" (die Juden) gäbe, die vertilgt
gehörten, um der
"Herrenrasse" (den Ariern) den Rang der "natürlichen"
Exklusivität nicht streitig zu machen. Es ist immer die Angst
vor der
Niederlage, die Menschen innerlich zerstören kann. Die
Menschen im Ghetto waren
dazu gezwungen, sich Regeln anzupassen, die sie selbst nicht in
geringster Weise
abändern konnten. Einen kleinen Rest von Freiheit zu bewahren,
schien ein unmögliches
Unterfangen. Und dann erfolgt diese Schachpartie, die über
Leben und Tod
entscheiden soll. Der Mensch lernt die Kraft des Remis kennen, wenn er
zu teilen
beginnt. Die Zustände im
heutigen Israel beweisen auf erschreckende Weise die Wahrheit
dieser
Feststellung. Solange jede Seite auf einem Recht beharrt, das nur
darauf
abzielt, die Gegenseite zu diskreditieren, kann es keinen Frieden
geben. Krieg
und Zerstörung hätten ein Ende, würde die
Erkenntnis der Solidarität dem
Wunsch nach der Vorherrschaft über den Anderen endlich den
Boden abgraben,
sodass nicht nur ein "Remis für Sekunden", sondern
für alle Zeit entstehen könnte.
(Jürgen Heimlich)
Icchokas Meras: "Remis für Sekunden"
(Originaltitel "Lygiosios trunka akimirka".
Aus dem Litauischen von Irene Brewing. Aufbau TB.)
"Remis
für Sekunden"
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Sigitas
Parulskis:
"Drei Sekunden Himmel"
Sigitas Parulskis, einer der wichtigsten Schriftsteller Litauens,
hat einen
schonungslos wütenden, poetisch-komischen Roman über die verlorene
Generation
des Ostens geschrieben.
Am Ostseestrand sitzt, den Blick aufs Meer gerichtet, der vierzigjährige
Robertas. Am äußersten Rand des untergegangenen Sowjetreichs, in den
riesigen
Dünen der kurischen Nehrung, die vor seinem inneren Auge die
Mondlandschaft
eines Truppenübungsplatzes heraufbeschwören, lässt er die wichtigsten
Stationen seines Militärdienstes in der DDR an sich vorbeiziehen: die
Einberufung zur Eliteeinheit der Fallschirmjäger, die brutale Ausbildung
in
einer sowjetische Garnison bei Cottbus, den soldatischen Alltag, geprägt
von
skurrilen Konflikten und berührenden Begegnungen mit Kameraden,
Vorgesetzen und
der ostdeutschen Bevölkerung. Zwischendurch schweift Robertas ab in eine
unglückliche
Liebesgeschichte, die ihn ebenso wenig loslässt wie der Wehrdienst.
Dabei
bringt er ein existenzielles Grundgefühl zum Ausdruck: Wie der Springer
in den
drei Sekunden, bevor er den Fallschirm öffnen darf, schwebt hier eine
ganze
Generation über dem Boden der Wirklichkeit, verloren zwischen
traumatischem
Gestern und ungewissem Morgen.
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Sekunden Himmel" bei amazon.de bestellen
(Originaltitel "Trys sekundės dangaus". Aus dem Litauischen von
Claudia Sinnig. Claassen Verlag)
Sigitas Parulskis, geboren 1965 in Obeliai, Litauen. 1991 erschien sein erster Gedichtband, für den er mit dem Zigmas-Gele-Preis für das beste Debüt des Jahres ausgezeichnet wurde. Sein erster Roman Drei Sekunden Himmel, in dem er die Erfahrungen während seiner Stationierung bei den Luftlandetruppen der sowjetischen Armee in den 80er Jahren verarbeitet, erschien 2002 und wurde vom litauischen Schriftstellerverband zum besten Buch des Jahres gekürt. Im Jahr 2004 erhielt er für sein bisheriges Werk den litauischen Staatspreis für Literatur. Seine Werke werden in elf Sprachen übersetzt, Drei Sekunden Himmel wird derzeit verfilmt. Sigitas Parulskis lebt in Vilnius
"Meldung
über Gespenster - Erzählungen
aus Litauen"
Literatur
dient als Sonde, die
das Leben in einem noch immer weitgehend unbekannten Land Europas
erkundet. Von
der Unmöglichkeit, die Gespenster des KGB loszuwerden, ist die
Rede, aber auch
von der archaischen Vergangenheit des Heidentums und
bedrängenden Problemen der
Gegenwart.
Die Umwälzungen des pulsierenden postkommunistischen
Jahrzehnts, das Leben in der Sowjetunion - geprägt von Mangel
und Misstrauen, aber auch von den skurrilen Schlupflöchern des
Alltags, der Überlebenskampf der Emigranten nach dem Zweiten
Weltkrieg und das weitgehend agrarisch geprägte Litauen der
Vorkriegszeit - all das wird sichtbar in dieser Anthologie litauischer
Erzählungen.
Autorinnen und Autoren der jüngsten Generation sind ebenso
vertreten wie
litauische Klassiker des 20. Jahrhunderts, u.a. Renata
Šerelytė, Jurgis Kunčinas, Ričardas Gavelis, Jurga
Ivanauskaitė,
Romualdas Granauskas, Saulius Šaltenis, Icchokas Meras;
verschiedene Stile,
Schreibweisen und Weltanschauungen kommen zu Wort.
Ein Nachwort des Herausgebers, Cornelius Hell, erschließt
Autorenbiografien und
literarische Strömungen. (Otto Müller Verlag.)
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über Gespenster" bei amazon.de bestellen
Bücher über Litauen
"Litauen. Ein literarischer Reisebegleiter"
Von Claudia Sinnig (Hrsg.).
Insel Taschenbuch. Buch bei amazon.de bestellen
"Litauen"
Von Marianna Butenschön.
Deutsche und Litauer waren 700 Jahre lang Nachbarn an der Ostsee. Doch
nach 1945 wurde Litauen, das Land "ein Ende hinter Deutschland" (Arno
Surminski). Daran hat sich auch nach der Wiederherstellung der
Unabhängigkeit 1990/91 nicht viel geändert. Das
vorliegende Buch ist die erste Gesamtdarstellung dieses baltischen
Landes in deutscher Sprache - seiner langen Geschichte, seiner
multinationalen Kultur und seiner komplizierten Gegenwart. (C. H. Beck)
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