Das Wessobrunner Gebet, auch bekannt als der Wessobrunner Schöpfungsbericht
Hierbei handelt es sich um das
älteste derzeit
bekannte Dokument in bairischer Sprache.
Man geht davon aus, dass das Wessobrunner
Gebet um 790 zum Zweck der Heidenmissionierung entstand. Die vorliegende Fassung
ist in einer vermutlich im Jahr 814 im Bistum
Augsburg fertiggestellten lateinischen Sammelhandschrift überliefert, welche in
der Bayerischen Staatsbibliothek in München
aufbewahrt wird.
Der Autor des aus zwei Teilen bestehenden
Wessobrunner Gebets, welches im ehemaligen
Kloster Wessobrunn im Landkreis Weilheim gefunden wurde, ist unbekannt.
Beim ersten Teil handelt es sich um eine Bearbeitung der Schöpfungsgeschichte
in Form eines stabreimenden Fragments, das sowohl Elemente der christlichen
Genesis als auch germanisch-heidnischer Mythen von der Entstehung der Welt
beinhaltet, der zweite Teil ist eine Gebetsformel in Prosa.
De Poeta Dat *fregin ih mit firahim firiuuizzo meista, Dat ero ni uuas noh ûfhimil, noh paum noh pereg ni uuas, ni noh heinîg noh sunna ni scein, noh mano ni liuhta, noh der mâręo sêo. Do dar niuuiht ni uuas enteo ni uuenteo, 7 do uuas der eino almahtîco cot, manno miltisto, 7 dar uuarun auh manake mit inan cootlihhe geistâ 7 cot heilac. Cot almahtico, du himil enti erda *uuorahtôs 7 du mannun sô manac coot for*pi: forgip mir in dîno ganâda rehta galaupa 7 côtan uuilleon, uuîstôm enti spâhida enti craft, tiuflun za uuidarstantanne 7 arc za piuuisanne 7 dînan uuilleon za *uurchanne. *
= Senkrecht durchgestrichene Rune
(Sternrune)
für das Präfix ga-. |
Der Text und seine freie Übertragung in heutiges Deutsch:
De Poeta | Vom Dichter |
Dat gafregin ih mit firahim firiuuizzo meista, | Ich erfragte das bei den Menschen als größtes der Wunder: |
Dat ero ni uuas noh ûfhimil, | dass es weder Erde noch Himmelsdach gab, |
noh paum ... noh pereg ni uuas, | weder Baum noch Berg |
ni noh heinîg ... noh sunna ni scein, | weder irgendeinen ... noch schien die Sonne, |
noh mano ni liuhta, noh der mâręo sêo. | weder leuchtete der Mond, noch das Urmeer. |
Do dar niuuiht ni uuas enteo ni uuenteo, | Als nirgendwo etwas war, weder Enden noch Wenden, |
enti do uuas der eino almahtîco cot, | war da der eine allmächtige Gott, |
manno miltisto, enti dar uuarun auh manake mit inan | der Menschen barmherzigster, und da waren auch manche gütige |
cootlihhe geistâ enti cot heilac. | Geister mit dabei und der heilige Gott. |
X | |
Cot almahtico, du himil enti erda gauuorahtôs enti du mannun sô manac coot forgâpi: | Allmächtiger Gott, du hast Himmel und Erde erschaffen und du hast den Menschen so viel Gutes gegeben: |
forgip mir in dîno ganâda
rehta galaupa enti côtan
uuilleon,
uuîstôm enti spâhida enti
craft, tiuflun za uuidarstantanne enti arc za piuuisanne enti dînan uuilleon za gauurchanne. |
Gib mir in deiner Gnade rechten Glauben und guten Willen, Weisheit
und Einsicht und Kraft, Teufeln zu widerstehen und das Böse zu vermeiden und Deinem Willen zu gehorchen. |
Anmerkung:
Nach herrschender Lehrmeinung
bedeutet firahim "Menschen"; anderslautende
Erkenntnisse werden gerne entgegengenommen! (literat@sandammeer.at)
(kre; 06.09.2004)