(...) Lin-chi (japanisch Rinzai) ging zum Meister und fragte: "Was ist das Prinzip des Buddhismus?" Doch er hatte noch nicht ausgesprochen, als der Meister ihm auch schon mehrere Schläge versetzte. Als der Mönchsvorsteher ihn zurückkommen sah, befragte er ihn über den Verlauf der Unterredung. Lin-chi berichtete, dass er gefragt, aber nur Schläge erhalten habe. Der Mönch sagte, er solle den Mut nicht sinken lassen, sondern abermals zum Meister gehen. Das tat er dreimal, erfuhr jedoch jedesmal die gleiche Behandlung, ohne Aufschluss über seine Frage zu erhalten.
Schließlich dachte er, es sei wohl das beste, einen anderen Meister aufzusuchen, und der Mönchsvorsteher stimmte zu. Er wurde zu Tai-yü (Taigu) geschickt. Als er zu Tai-yü kam, fragte jener. "Woher kommst du?"
"Von Huang-Po (Obaku)."
"Welche Unterweisung gab er dir?"
"Ich befragte ihn dreimal über das höchste Prinzip des Buddhismus, und jedesmal erhielt ich von ihm etliche Schläge, doch keine Unterweisung."
Tai-yü sagte: "Niemand als dieser alte Meister könnte von solcher Herzensgüte sein, und immer noch möchtest du wissen, worin dein Fehler bestand."
Dieser Tadel öffnete Lin-chi die Augen für die scheinbar so herzlose Behandlung durch Huang-po. Er rief aus: "Es ist doch nicht viel dran an Huang-pos Buddhismus!"
Tai-yü packte ihn und sagte: "Eben hast du noch gesagt, du verstündest nicht, und jetzt sagst du, es sei nicht viel dran an Huang-pos Buddhismus. Was meinst du damit?"
Lin-chi sagte nichts, sondern stieß ihm nur dreimal die Faust in die Rippen. Tai-yü ließ ihn los und sagte: "Dein Meister ist Huang-po; ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun."
Lin-chi kehrte zu Huang-po zurück, und dieser fragte ihn:
"Wie kommt es, dass du so bald zurück bist?"
"Das ist Eure großmütterliche Güte."
Huang-po sagte: "Wenn ich diesen Tai-yü sehe, werde ich ihm zwanzig Schläge geben."
"Warum so lange warten?" sagte Lin-chi und versetzte dem Meister einen deftigen Schlag. Der alte Meister lachte ein großes Lachen.


(aus "Koan - Der Sprung ins Grenzenlose" von Daisetz T. Suzuki;
erschienen im O.W.Barth Verlag)
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