Der XXIII. Artikel: Vom Ehestand der Priester
Es ist bei jedermann,
hohes und niedem Stands, eine große mächtig Klag in der Welt gewesen von großer
Unzucht und wildem Wesen und Leben der Priester, so nicht vermochten, Keuschheit
zu halten, und war auch je mit solchen greulichen Lastern aufs hochst kommen.
So viel häßlichs groß Ärgernus, Ehebruch und andere Unzucht zu vermeiden, haben
sich etlich Priester bei uns in ehelichen Stand begeben. Dieselben zeigen diese
Ursache an, daß sie dahin gedrungen und bewegt seind aus hoher Not ihrer Gewissen,
nachdem die Schrift klar meldet, der eheliche Stand sei von Gott dem Herrn eingesetzt,
Unzucht zu vermeiden, wie Paulus sagt: «Die Unzucht zu vermeiden habe ein itzlicher
sein eigen Eheweib»; item: «Es ist besser, ehelich werden denn brennen.» Und
nachdem Christus sagt Matth. 19: «Sie fassen nicht alle das Wort», da zeigt
Christus an, welcher wohl gewußt, was am Menschen sei, daß wenig Leute die Gabe,
keusch zu leben, haben.
«Denn Gott hat den Menschen Männlein und Fräulein geschaffen.»,
Genesis
1. Ob es nun in menschlicher Macht oder Vermugen sei, ohne sondere Gab und
Gnad Gottes, durch eigen Furnehmen oder Gelubd, Gottes, der hochen Majestat,
Geschopf besser zu machen oder zu ändern, hatt die Erfahrung allzu klar gegeben.
Denn was guts, was ehrbar, zuchtigs Leben, was christlichs, ehrlichs oder redlichs
Wandels an vielen daraus erfolget, wie greulich, schrecklich Unruhe und Qual
ihrer Gewissen viel an ihrem letzten End derhalben gehabt, ist am Tag, und ihrer
viel haben es selbs bekannt. So dann Gottes Wort und Gebot durch kein menschlich
Gelubd oder Gesetz mag geändert werden, haben aus diesen und anderen Ursachen
und Grunden die Priester und andere Geistliche Eheweiber genommen.
So ist es auch aus den Historien und der Väter Schriften zu beweisen, daß in
der christlichen Kirchen vor Alters der Gebrauch gewesen, daß die Priester und
Diakon Eheweiber gehabt. Darumb sagt Paulus 1. Tim. 3: «Es soll ein Bischof
unsträflich sein, eins Weibs Mann.» Es sind auch in teutschen Landen erst vor
vierhundert Jahren die Priester zum Gelubd der Keuschheit vom Ehestand mit Gewalt
abgetrungen, welche sich dagegen sämbtlich, auch so ganz ernstlich und hart
gesetzet haben, daß ein Erzbischof zu Mainz, welcher das bäpstliche neu Edikt
derhalben verkundigt, gar nahe in einer Emporung der ganzen Priesterschaft in
einem Gedräng wäre umbbracht. Und dasselbige Verbot ist bald im Anfange so geschwind
und unschicklich furgenummen, daß der Bapst die Zeit nicht allein die kunftige
Ehe den Priestern verboten, sondern auch derjenigen Ehe, so schon in dem Stand
lang gesene, zurrissen, welchs doch nicht allein wider alle gottliche, naturliche
und weltliche Recht, sonder auch den Canonibus, so die Bäpste selbst gemacht,
und den beruhmbtesten Conciliis ganz entgegen und wider ist.
Auch ist bei viel hohen, gottfurchtigen, verständigen Leuten dergleichen Rede
und Bedenken oft gehört, daß solcher gedrungener Cölibat und Beraubung des Ehestandes,
welchen Gott selbs eingesetzt und frei gelassen, nie kein Guts, sondern viel
großer böser Laster und viel Arges eingefuhrt hab.
Es hat auch einer von
Bäpsten, Pius II., selbst, wie seine Histori anzeiget, diese Worte oft geredt
und von sich schreiben lassen: es muge wohl etlich Ursach haben, warum den Geistlichen
die Ehe verboten sei; es habe aber viel hoher, großer und wichtiger Ursachen,
warumb man ihnen die Ehe soll wieder frei lassen. Ungezweifelt, es hat Bapst
Pius als ein verständiger, weiser Mann dies Wort aus großem Bedenken geredt.
Derhalben wollen wir uns in Untertänigkeit zu Kaiserlicher Majestat vertrösten,
daß ihre Majestat als ein christlicer hochloblicher Kaiser gnädiglich beherzigen
werden, daß itzung in letzten Zeiten und Tagen, von welchen die Schrift meldet,
die Welt immer ärger und die Menschen gebrechlicher und schwächer werden.
Derhalben wohl hochnötig, nutzlich und christlich ist, diese fleißige Einsehung
zu tun, damit, wo der Ehestand verboten, nicht ärger und schändlicher Unzucht
und Laster in teutschen Landen möchten einreißen. Dann es wird je diese Sachen
niemands weislicher oder besser ändern oder machen kunnen dann Gott selbs, welcher
den Ehestand, menschlicher Gebrechlichkeit zu helfen und Unzucht zu wehren,
eingesatzt hat.
So sagen die alten Canones auch, man muß zu Zeiten die Schärfe und rigorem lindern
und nachlassen, umb menschlicher Schwachheit willen und Ärgers zu verhüten und
zu meiden. Nu wäre das in diesem Falle auch wohl christlich und ganz hoch vonnoten.
Was kann auch der Priester und Geistlichen Ehestand gemeiner christlichen Kirchen
nachteilig sein, sonderlich der Pfarrer und anderer, die der Kirche dienen sollen?
Es wird wohl kunftig an Priestern und Pfarrern mangeln, so dies hart Verbot
des Ehestands länger währen sollt.
So nu dieses, nämlich daß die Priester und Geistlichen mögen ehelich werden,
gegründet ist auf das göttliche Wort und Gebot, dazu die Historien beweisen,
daß die Priester ehelich gewesen, so auch das Gelubd der Keuschheit so viel
häßliche, unchristliche Ärgernus, so
viel Ehebruch, schreckliche, ungehorte
Unzucht und greuliche Laster hat angericht, daß auch etliche redliche unter
den Tumbherrn, auch etlich Kurtisan zu Rom, solchs oft selbs bekannt und kläglich
angezogen, wie solch Laster in clero zu greulich und ubermacht, Gottes Zorn
wurd erregt werden, so ists je erbärmlich, daß man den christlichen Ehestand
nicht allein verboten, sondern an etlichen Orten aufs geschwindest, wie um groß
Uebeltat, zu strafen unterstanden hat, so doch Gott in der heiligen Schrift
den Ehestand in allen Ehren zu haben geboten hat.
So ist auch der Ehestand in kaiserlichen Rechten und in allen Monarchien, wo
je Gesetze und Rechte gewesen, hoch gelobet. Allein dieser Zeit beginnet man
die Leute unschuldig, allein umb der Ehe willen, zu martern, und darzu Priester,
der man vor anderen schonen sollt, und geschicht nicht allein wider gottlich
Recht, sondern auch wider die Canones. Paulus der Apostel 1. Timoth. 4 nennet
die Lehre, so die Ehe verbieten, Teufelslehre. So sagt Christus selbs Johann.
8., der Teufel sei ein Morder von Anbeginn, welchs dann wohl zusammenstimmet,
daß es freilich Teufelslehre sein mussen, die Ehe verbieten und sich unterstehen,
solche Lehre mit Blutvergießen zu erhalten.
Wie aber kein menschlich Gesetz Gottes Gebot kann wegtun oder ändern, also kann
auch kein Gelübde Gottes Gebot ändern. Darum gibt auch Sanctus Cyprianus den
Rat, daß die Weiber, so die gelobte Keuschheit nicht halten, sollen ehelich
werden, und sagt Epist. 11 also: «So sie aber Keuschheit nicht halten wellen
oder nicht vermugen, so ists besser, daß sie ehelich werden, dann daß sie durch
ihre Lust ins Feur fallen, und sollen sich wohl fursehen, daß sie den Brüdern
und Schwestern kein Ärgernus anrichten.»
Zudem, so brauchen auch alle Canones großer Gelindigkeit und Äquität, gegen
diejenigen, so in der Jugend Gelubd getan, wie dann Priester und Mönche des
mehrernteils in der Jugend in solchen Stand aus Unwissenheit kummen seind.
(aus "Die Augsburgische Konfession"
von Philip Melanchthon; 1497-1560)
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