149. Untersuchung
Die Nüchternheit

Feststellungen

1. Ist der Gegenstand bei der Nüchternheit der Trank?

Bei Nüchternheit (sobrietas) steht am meisten der Trank in Rede, der die Kraft hat, trunken zu machen.

2. Ist die Nüchternheit eigengemäß eine besonderartige Tugend?

Die Nüchternheit ist die besondere Art von Tugend, mit der wir die besonderartige Hinderung der Vernunft fernhalten, die aus allzuvielem Weintrinken herkommt.

3. Ist der Gebrauch von Wein gänzlich unerlaubt?

Obwohl der Gebrauch von Wein sich selber nach nicht unerlaubt ist, so kann er doch beischaftlich unerlaubt werden, entweder, wenn er den Trinkenden angreift oder das Maß überschreitet oder gegen das Gelübde genommen wird oder die Ursache von Ärgernis ist.

4. Ist die Nüchternheit in höherem Grade bei den höher gestellten Personen erforderlich?

Die Nüchternheit ist in höherem Grade erforderlich: den Frauen und den Jugendlichen, wenn wir die Neigung, sich leibliche Wolllüste zu verschaffen, berücksichtigen, den alten Leuten aber und den Personen in Ehrenstellungen, wenn wir auf die Vernunft sehen, die vor allen bei diesen Personen in voller Kraft sein soll.

(aus der "Summe der Theologie" von Thomas von Aquin: 1225-1274)