Eine kurze Abhandlung über das christliche Konzept der Erbsünde
Die Sache (Erbsünde, Erbschuld) ist - wie immer in theologischen
Fragen - etwas komplizierter, als man es sich erhoffen würde, und bedarf deswegen
auch einer in aller gebotenen Kürze doch umfassenderen Darstellung, um allzu
krasse Vereinfachungen zu meiden.
Jeder Mensch ist mit Erbsünde behaftet, dadurch dass er in das Menschengeschlecht
hineingeboren wird, wobei es sich um keine höchstpersönliche Sündhaftigkeit
handelt, sondern um ein Gattungsmerkmal. Man darf - grob vereinfachend - sagen,
dass - allerdings nur nach röm. kath. Ritus - die Taufe den Menschen von der
Erbsünde erlöst, oder auch nicht. ... ein diffiziles theologisches Problem ist's
noch allemal, das sich nicht einfach über einen Kamm scheren lässt, weil sich
die Gelehrten nämlich offenbar uneins sind.
Aurelius
Augustinus vertritt etwa die Auffassung, dass die Taufe nicht schon
geeignet ist, den durch die Erbsünde verursachten Schaden an der menschlichen
Natur zu beheben (die Erlösung erfolgt erst in der Verklärung, was auch wiederum
theologisches Kopfzerbrechen bedeutet). Die Tendenz
zum
Bösen im Menschen begründet Augustinus deswegen mit der Erbschuld,
die
der
Mensch zu Beginn seiner Geschichte auf sich geladen hat. Von
ihr kann er sich nicht aus eigner Kraft befreien, sondern ist auf die Gnade
Gottes angewiesen, wobei die Sakramentsgnade der Taufe seines Erachtens alleine
nicht reicht. Heute neigen Theologen eher dazu, die Erbsünde an sich herunterzuspielen,
weshalb sie jedoch nichtsdestoweniger weiterhin ein gewichtiges Thema ist, zumal
Jesus den Kreuzestod erlitten hat, um die Menschheit von der Erbsünde zu erlösen
("Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt ..."). Hinsichtlich ihrer
Behebbarkeit vermittels der Taufe ist in unterschiedliche theologische Auslegungen
zu differenzieren, wobei insbesondere auch auf die jeweilige Konfession zu achten
ist. Ihren Folgen nach, d.h. als Quelle von
Sünden und
Tod, ist die Erbsünde
allgemein unbehebbar (da hilft keine Sakramentsgnade). Lt vorherrschender katholischer
Auffassung behebt die Taufe den Mangel göttlicher - heiligender - Gnade, nicht jedoch die aus der Erbsünde resultierenden Folgen (Sterblichkeit und sinnlich-sündiges
Begehren). Nach protestantischer Auffassung besteht die Erbsünde in allgemeiner
Verderbtheit der menschlichen Natur, worüber keine Sakramentsgnade hinweghilft.
Dies natürlich grob vereinfachend dargestellt. Wesentlich ist mir zu verdeutlichen,
dass die Folgen der Erbsünde als sündiges Dasein wirksam sind und Strukturen
des Bösen erhalten und immer wieder auf ein Neues schaffen. So verhält sich
die Sache mit der Erbschuld, welche immer dann relevant sein wird, wenn man
sich der christlichen Betrachtungsweise von Wirklichkeit bedient.
(misanthropos; Mai 2002)