(...)
Wie ich einmal so dahinflog, erschien unter mir das Dorf namens Long-da, wo
der Bruder der verstorbenen Gattin eines Onkels von mir wohnte; die Frau war
durch die Trümmer ihres einstürzenden Hauses ums Leben gekommen. Der
Witwer hatte einen Sohn, und Vater und Sohn waren gerade dabei ein Feld zu bestellen,
als ich über ihnen hinwegflog. Der Sohn führte die Tiere, während
der Vater den Pflug lenkte. Der Sohn sah mich fliegen und sagte: "Schau,
ein fliegender Mensch!", und ließ seine Arbeit fahren
um zu mir aufzusehen. Der Vater sagte zu ihm: "Was für einen Grund
gibt es, dass du den Anblick bewunderst oder darüber in Entzücken
gerätst? Eine gewisse Niang Tscha Kargjen, eine äußerst bösartige
Frau hatte einen schlimmen Sohn, den Mila. Der ist dieser nichtsnutzige Hungerleider.
Mach eine Wende, pass auf, dass sein
Schatten
nicht auf dich fällt und führ die Tiere weiter." Und der Vater
selbst hatte sich gebückt, damit mein Schatten nicht auf ihn fiel. Doch
der Sohn sagte: "Wenn er ein Mensch ist, der fliegen kann, kann ich nicht
glauben, dass er ein Nichtsnutz ist. Es gibt nichts Schöneres als einen
Menschen, der fliegt." Und indem er das sagte, schaute er mir unverwandt
nach.
(...)
(aus der Autobiografie des Milarepa, des großen tibetischen Yogis; 1052-1135)