(...)

Unterdes ging Satan, mit Dampf und Wolken umhüllet,
Durchs Tal Josaphat, über das Tote Meer finster hinüber.
Von da kam er zum wolkichten Karmel, vom Karmel gen Himmel.
Hier durchirrt er mit grimmigem Blicke den göttlichen Weltbau,
Daß er noch durch so viele Jahrhunderte, seit der Erschaffung,
In der ersten von Gott ihm gegebnen Herrlichkeit glänzte.
Gleichwohl ahmt' er ihm nach und änderte seine Gestalten
Durch ätherisches Glänzen, damit nicht die Morgensterne
Überall, wo er den irrenden Fuß ins Weltgebäu setzte,
Über sein finstres Ansehn in stillem Triumphe sich freuten.
Doch dies helle Gewand war ihm schon unerträglich; er eilte,
Aus den Bezirken der göttlichen Herrschaft zur Hölle zu kommen.
Itzo hatt er sich schon bei den äußersten Weltgebäuden
Stürmisch heruntergesenkt. Unermeßliche dämmernde Räume
Taten vor ihm wie unendlich sich auf. Die nennt er den Anfang
Seiner von ihm durchherrschten Bezirke. Hier sah er von ferne
Flüchtigen Schimmer, so weit die äußersten Sterne der Schöpfung
Noch das unendliche Leere mit matten Strahlen durchirrten.
Doch hier sah er die Hölle noch nicht, die hatte die Gottheit
Fern von sich und ihren Geschöpfen, den seligen Geistern,
Weiter hinunter in ewige Dunkelheit eingeschlossen.
Denn in unserer Welt, dem Schauplatz ihrer Erbarmung,
War kein Raum für Örter der Qual. Der Ewige schuf sie
Furchtbar, zum Verderben, zu seinem strafenden Endzweck,
Prächtig und vollkommen. In drei erschrecklichen Nächten
Schuf er sie und verwandte von ihr sein Antlitz auf ewig,
Jenes, mit welchem er huldreich nach seinen Geschöpfen herabsieht.
Zween von den heldenmütigsten Engeln bewachten die Hölle.
Dies war Gottes Befehl, da er sie mit allmächtiger Rüstung
Segnend umgab. Sie sollten den Ort der dunklen Verdammnis
Ewig in seinen Bezirken erhalten, damit nicht der Satan
Kühn mit seiner verfinsterten Last die Schöpfung bestürmte
Und das Antlitz der schönen Natur durch Verwüstung entstellte.
Wo sie beim Eingang der Hölle mit herrschendem Angesicht sitzen,
Von da senkt sich ein strahlender Weg, wie von Zwillingsquellen
Ein kristallener Strom, in geradefortlaufender Länge
Gegen den Himmel gekehrt, nach Gottes Welten hinüber,
Daß es ihnen in ihrer Entfernung an frommen Vergnügen,
Über die mannigfaltige Schönheit der Schöpfung, nicht fehle.
Neben diesem helleuchtenden Wege kam Satan zur Hölle
Und ging unsichtbar durch die eröffneten Höllenpforten.
Drauf hub er sich in einem von Schwefel dampfenden Nebel
Langsam auf seinen gefürchteten Thron. Ihn sähe kein Auge
Unter den Augen, die Nacht und Verzweiflung trübe verstellten.
Zophiel nur, ein Herold der Höllen, entdeckte den Nebel,
Der die erhabenen Stufen hinaufzog, und sagte zu einem,
Der gleich neben ihm stand: "Kehrt Satans oberste Gottheit
Etwa zur Hölle zurück? Verkündigt der dampfende Nebel
Seine von allen Göttern so lange gewünschte Zurückkunft?"
Indem, da er noch sprach, so floß der umhüllende Nebel
Ringsum von Satan; er saß auf einmal mit zornigem Antlitz
Fürchterlich da. Gleich eilte der flüchtige sklavische Herold
Gegen die Feuergebirge, die sonst mit Strömen und Flammen
Satans Ankunft dem Abgrund in allen Gegenden kundtun.
Zophiel stieg auf Flügeln des Sturms durch die Höhlen des Berges
Gegen die dampfende Mündung empor. Ein feuriges Wetter
Machte darauf den ganzen Bezirk der Finsternis sichtbar.
Jeder erblickte den schrecklichen König in schimmernder Ferne.
Alle Bewohner des Abgrunds erschienen. Die mächtigsten eilten,
Neben ihm auf die Stufen des Throns sich niederzusetzen.

Die du entzückt voll Feuer und Ernst nach der Höllen hinabsiehst,
Weil du zugleich im Angesicht Gottes Klarheit erblickest
Und Zufriedenheit über sich selbst, wenn er Sünder bestrafet,
Zeige sie mir, Göttin, doch laß die mächtige Stimme
Rauschend, wie den Sturmwind, wie Gewitter Gottes, ertönen.

Adramelech kam erst, ein Geist, boshafter als Satan
Und verdeckter. Noch brannte sein Herz von grimmigem Zorne
Wider Satan, daß dieser zuerst den Abfall gewaget;
Denn er hatte schon lange bei sich den Abfall beschlossen.
Wenn er was tat, so tat er's nicht, Satans Reiche zu schützen;
Seinentwegen tat er's. Seit langen undenklichen Jahren
Hatt er darauf schon gedacht, wie er sich zur Herrschaft erhübe,
Wie er Satan von neuem mit Gott zu kriegen bewegte
Oder ihn in den unendlichen Raum auf ewig entfernte
Oder zuletzt, war alles umsonst, durch Waffen bezwänge.
Damals schon, als die gefallenen Engel vorm Donnerer flohen,
Sann er darauf. Als alle zusammen die Hölle schon einschloß,
Kam er zuletzt und trug vor seinem kriegrischen Harnisch
Eine helleuchtende goldene Tafel und rief durch den Abgrund:
"Warum fliehen die Könige so? In hohem Triumphe
Solltet ihr, o Krieger, für unsre behauptete Freiheit
In die neue Behausung der Pracht und Unsterblichkeit einziehn!
Denn da Messias und Gott den neuen Donner erfanden
Und, im Kriegesgeschäfte vertieft, euch zornig verfolgten,
Stieg ich ins Allerheiligste Gottes, da fand ich die Tafel
Voll vom Schicksal, das unsre zukünftige Größe verkündigt.
Sammelt euch, seht die heilige Reih offenbarender Schriften:

Einer von denen, die Gott als dienstbare Geister beherrschet,
Wird, daß er Gott sei, erkennen, er wird den Himmel verlassen
Und mit seinen vergötterten Freunden im einsamen Räume
Wohnungen finden. Die wird er zwar erst mit Abscheu bewohnen
Wie der Gott, der ihn vertrieb, eh ich ihm den Weltkreis erbaute,
Lange Zeit, dies war mein Wille, des Chaos Tiefen bewohnte.
Aber er soll nur das Reich der Hölle mutig betreten;
Denn aus ihr entstehet dereinst ein herrlicher Weltbau.
Den wird Satan erschaffen, doch soll er den göttlichen Grundriß
Selber von mir vor meinen erhabenen Sitzen empfangen.
Also saget der Gott der Götter, ich, der ich alleine
Alle Bezirke des Raums, mit ihren Göttern und Welten,
Ringsum, mit meiner vollkommensten Welt unendlich umgrenze!"

Gott Jehova, der Ewige, hörte die Stimme der Lästrung.
Ruhig in sich selber, in seiner unendlichen Größe,
Hört er sie, sagte zu sich: "Ich werde sein, der ich sein werde!
Aber, du Sklave des Elends, sollst sehn, wen du itzo geschmäht hast!"

Alsobald ging das ernste Gericht vom Angesicht Gottes.
Tief in der innersten Höllen erhebt sich ein feuriger Klumpen
Aus dem Flammenmeer und geht in des Todes Meer unter.
Der stürzt Adramelech ins Meer des Todes. Da wurden
Sieben Nächte, statt einer; die Nächte lag er im Abgrund.
Lange darauf erbaut' er der obersten Gottheit den Tempel,
Wo er als ihr Priester die goldnen Tafeln des Schicksals
Über die hohen Altäre gestellt hat. Hier ehret die Hölle,
Die dich, Jehova, verwarf, ein unendliches ewiges Unding.
Selber Satan erscheinet hier oft und fraget den Priester
Wegen der Reis ins Unendliche, die er schon vielmal gewagt hat,
Doch nicht so weit, als Adramelech aus Herrschsucht es wünschte.
Itzo kam Adramelech vom Tempel und saß auf dem Throne
Mit verborgenem Grimm bei Satans linker Hand nieder.

Drauf kam Moloch, ein kriegrischer Geist, von seinen Gebirgen,
Die er, wenn etwa der donnernde Krieger, so nennt er Jehova,
In die Gefilde der Hölle, sie einzunehmen, herabkäm,
Sich zu verteidigen, stolz mit neuen Bergen umtürmt hat.
Oft wenn der traurige Tag an des flammenden Ozeans Ufern
Dampfend hervorsteigt, erblicken ihn schon der Hölle Bewohner,
Wie er unter der Last, vom eisernen Rauschen umstürmet,
Mühsam geht und sich dem hohen Gipfel des Berges
Endlich nähert. Und wenn er alsdann die neuen Gebirge
Auf die Höh, dem Gewölbe der Höllen entgegengetürmt hat,
Steht er in Wolken und donnert daraus mit schwerer Arbeit
Langsam hervor. Ihn sehen die Seelen der Erdenbezwinger
Unten erstaunungsvoll an. Er rauschte von seinen Gebirgen
Durch sie gewaltig einher. Sie wichen auf beiden Seiten
Schüchtern hinweg. Er ging, von seiner tönenden Rüstung
Dunkel, wie der Donner von schwarzen Wolken, umgeben.
Vor ihm bebte der Berg, und hinter ihm sanken die Felsen
Sandig herab. So ging er und kam zum Throne des Satans.

Nach ihm erschien Belielel. Er kam in trauriger Stille
Aus den Wäldern und Auen, wo sich die Bäche des Todes
Dunkel aus nebelndem Quell nach Satans Throne zuwälzen.
Allda wohnt Belielel. Umsonst ist seine Bemühung,
Ewig umsonst, die Gegend des Fluchs nach den Welten des Schöpfers
Umzuschaffen. Ihm siehst du mit hohem erhabenen Lächeln,
Ewiger, zu, wenn er den furchtbar brausenden Sturmwind
Sehnsuchtsvoll, mit ohnmächtigem Arm, gleich kühlenden Zephirn,
Vor sich am traurigen Bache vorüberzuführen bemüht ist;
Denn der braust unaufhaltsam dahin, die Schrecknisse Gottes
Rauschen auf seinen verderbenden Flügeln. Die öde Verwüstung
Bleibt ungestalt im erschütterten Abgrund hinter ihm liegen.
Unmutsvoll denkt Belielel an jenen unsterblichen Frühling,
Der die himmlische Flur wie ein junger Seraph umlächelt;
Ihn will er in den Wüsten der Hölle von ferne nachbilden.
Doch er ergrimmt und seufzet vor Wut; die traurigen Auen
Liegen vor ihm in entsetzlichem Dunkel unbildsam und öde,
Ewig unbildsam, unendliche lange Gefilde voll Jammer.
Belielel kam traurig zu Satan. Noch brannt er vor Rachsucht
Wider den, der ihn von himmlischen Auen zur Höllen hinabstieß
Und sie, so dacht er, mit jedem Jahrhundert erschrecklicher machte.

Auch du sähest in deinen Gewässern die Wiederkunft Satans,
Magog, des toten Meeres Bewohner. Aus brausenden Strudeln
Kamst du hervor. Die Meere zerflossen in lange Gebirge,
Da die Rosse vor dir die schwarzen Fluten zerteilten.
Magog fluchte dem Herrn, der wilden Lästerung Stimme
Brüllt unaufhörlich aus ihm. Seit seiner Verwerfung vom Himmel
Flucht er dem Ewigen. Voll von Rachsucht will er die Hölle,
Braucht er auch Ewigkeiten dazu, doch endlich vernichten.
Itzo, da er das Trockne betrat, da warf er verwüstend
Noch ein ganzes Gestade mit seinen Bergen in Abgrund.

(...)


(aus "Der Messias" von Friedrich Gottlieb Klopstock; 1724-1803)
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