MEPHISTOPHELES:
Doch wählt
mir eine Fakultät!
SCHÜLER:
Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.
MEPHISTOPHELES:
Ich kann es Euch so sehr nicht übel nehmen,
Ich weiß, wie es um diese Lehre
steht.
Es erben sich Gesetz' und Rechte
Wie eine ew'ge Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rücken sacht von
Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel
bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist, leider! nie die
Frage.
SCHÜLER:
Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt.
O glücklich der, den Ihr belehrt!
Fast möcht ich nun Theologie
studieren.
MEPHISTOPHELES:
Ich wünschte nicht, Euch irre zu führen.
Was diese Wissenschaft betrifft,
Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel
verborgnes Gift,
Und von der Arzenei ist's kaum zu unterscheiden.
Am besten
ist's auch hier, wenn Ihr nur einen hört,
Und auf des
Meisters Worte schwört.
Im ganzen- haltet Euch an Worte!
Dann geht Ihr
durch die sichre Pforte
Zum Tempel der Gewißheit ein.
SCHÜLER:
Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein.
MEPHISTOPHELES:
Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen
Denn eben wo Begriffe
fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt
sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt
sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.
SCHÜLER:
Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen,
Allein ich muß Euch noch
bemühn.
Wollt Ihr mir von der Medizin
Nicht auch ein kräftig Wörtchen
sagen?
Drei Jahr ist eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
Läßt
sich's schon eher weiter fühlen.
MEPHISTOPHELES
(für sich):
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
Muß wieder recht
den Teufel spielen.
(Laut) Der Geist
der Medizin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudiert die groß, und
kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie's Gott gefällt.
Vergebens,
daß Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur, was er lernen
kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr
seid noch ziemlich wohl gebaut,
An Kühnheit wird's Euch auch nicht fehlen,
Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,
Vertrauen
Euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber führen;
Es ist ihr
ewig Weh und Ach
So tausendfach Aus einem Punkte zu kurieren,
Und wenn
Ihr halbweg ehrbar tut,
Dann habt Ihr sie all unterm Hut.
Ein Titel muß
sie erst vertraulich machen,
Daß Eure Kunst viel Künste übersteigt;
Zum
Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre
streicht,
Versteht das Pülslein wohl zu drücken,
Und fasset sie, mit feurig
schlauen Blicken,
Wohl um
die schlanke Hüfte frei,
Zu sehn, wie fest geschnürt sie sei.
SCHÜLER:
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie.
MEPHISTOPHELES:
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.
SCHÜLER:
Ich schwör Euch zu, mir ist's als wie ein Traum.
Dürft
ich Euch wohl ein andermal beschweren,
Von
Eurer Weisheit auf den Grund zu hören?
MEPHISTOPHELES:
Was ich vermag, soll gern geschehn.
SCHÜLER:
Ich kann unmöglich wieder gehn,
Ich muß Euch noch mein Stammbuch überreichen,
Gönn Eure Gunst mir dieses Zeichen!
MEPHISTOPHELES:
Sehr wohl.
(Er schreibt und gibt's.)
SCHÜLER (liest):
Eritis
sicut Deus, scientes bonum et malum.
(Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt sich.)
MEPHISTOPHELES:
Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange,
Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!