Die Magie ist die geheimste Kunst
und die größte Weisheit der über natürlichen Dinge auf Erden
...
Der Magie ist es gegeben zu erfahren und zu ergründen, was
menschlicher Vernunft unmöglich ist. Denn sie ist eine große, geheime Weisheit,
so wie die Vernunft eine große öffentliche Torheit ist. Darum wäre es notwendig
und gut, dass die "Theologisten" auch etwas von ihr wüssten und erkennen
lernten, was sie im Grunde ist, um sie nicht unbilliger- und unbegründeterweise
als Zauberei zu bezeichnen.
Gott ließ ja die Magie zu, und das ist
ein Zeichen dafür, dass wir imstande sind, sie zu gebrauchen und, auch ein
Zeichen dessen, wer wir sind, nicht aber eine Aufforderung dazu. Treibt einer
nämlich falsche Magie, so versucht er Gott ... Und wird es ihm gestattet, dann
wehe seiner Seele!
Alle Fertigkeiten und Künste kommen von Gott, und nichts erwächst aus einem
anderen Grund ... und so darf niemand die Astronomie, die
Alchemie,
niemand die Medizin,
niemand die Philosophie, die Theologie, die
Schauspielerei,
die Dichtung,
die Musik, niemand die Geomantie ... und alle anderen hohen Künste lästern.
Warum darf er es nicht tun? Was erfindet denn der Mensch aus sich heraus? Nicht
den kleinsten Flecken, um ihn auf eine Hose zu setzen. Was kann der Teufel Neues
erfinden? Nichts auf Erden, überhaupt gar nichts; nicht so viel, dass man damit
eine Laus auf dem Kopf fangen oder töten könnte. Sobald aber etwas in uns durch
das "Licht der Natur" angezündet wird, dann spielt der Teufel den Wegweiser
und untersteht sich, alle Dinge, die uns Gott gegeben hat, zu fälschen, zu verleumden
und trügerisch zu machen, und pfuscht somit allem ins Handwerk ... Der Teufel
untersteht sich, Gottes Werke Lügen zu strafen, um Ihn dadurch zu schmähen;
er verführt die Schwachen im Glauben und führt sie in Irrsal, auf dass sie von
Gott abfallen, und zu Seiner Schmach falschen Künsten huldigen. Sie verbringen
ihre Zeit in Lüge; und obwohl auch sie grübeln, forschen und suchen, müssen
sie doch sterben, ohne die Wahrheit gefunden zu haben.
Es bedarf jeweils einer Erprobung und Bewährung, um das Heilige vom Nicht-Heiligen
zu unterscheiden, und um zu erkennen, aus welchen Kräften die verschiedenen
Wunder hervorgehen. Es bedarf einer genauen Prüfung, bevor man feststellen kann,
ob es der Geist der Natur ist oder der Geist Gottes, der in einem solchen Wunder
an einen herantritt. Diesen Unterschied lerne wohl erkennen! Es ist von tiefer
Notwendigkeit, zu wissen, was von der "divinatio" und was von der "divinitas"
kommt. Die Namen sind sich ähnlich, sie stammen aus der gleichen Wurzel, aber
nicht die Wunder: diese entspringen verschiedenen Quellen.
Die Heilige Schrift nennt Zauberer - ohne Unterschied - alle
diejenigen, die in den übernatürlichen Dingen erfahren und nicht zugleich
Heilige gewesen sind. Dies muss aber noch bedacht werden. Gott will, dass wir in
Einfalt wandeln wie die Apostel, nicht grübeln und nicht nach den verborgenen
Dingen forschen, die sich auf übernatürliche Weise ereignen, auf dass wir nicht
Missbrauch damit treiben, dem Nächsten zum Schaden und also Leib und Seele
mitverdammen. Darum dürfen wir nicht alle als Zauberer ansehen, die von der
Schrift so genannt werden. Denn wäre dem so, dann folgte daraus, dass auch die
drei Weisen aus dem Morgenlande Erzzauberer gewesen sind, weil sie in den
Künsten und in den übernatürlichen Dingen mehr erfahren waren als alle vor ihnen
und alle zu ihrer Zeit. Die Heilige Schrift aber nennt sie nicht Zauberer,
sondern Magier; und was ist darunter wohl zu verstehen? Nichts Anderes, als dass
sie ihre Kunst und ihre große geheime Weisheit nicht missbraucht haben. Magie
ist nämlich eine solche Kunst, die ihre höchste Macht und Stärke durch den
Glauben offenbart. Allerdings mag - sobald sie missbraucht wird - auch Zauberei
aus ihr hervorgehen.
Wie aus Gott die Toten zu neuem Leben erweckt
werden, also wird über Kraft und Vermögen der Natur den "natürlichen Heiligen" -
die Magier heißen - Gewalt gegeben. Denn es gibt Heilige in Gott, die der
Seligkeit dienen; diese werden Sancti genannt. Es gibt aber auch Heilige in
Gott, die den Kräften der Natur dienen, die heißen Magier. Gott erzeigt sich
wunderbar in
Seinen Heiligen, sowohl in denen des Gottesreiches, als in denen
der Natur; was Anderen nicht möglich ist zu tun, das können sie, weil es ihnen
als besondere Gabe verliehen wurde.
(Aus "Paracelsus. Lebendiges Erbe.
Eine Auslese aus seinen
sämtlichen Schriften mit 150 zeitgenössischen
Illustrationen")
Gott, Welt, Mensch - dieser Dreiklang
durchtönt die ganze, gewaltige paracelsische Schau. Der Mensch als Ebenbild
Gottes ist ihr Mittelpunkt; um ihn schlingen sich in unversiegbarem
Melodienreichtum die Wunderwerke der Schöpfung. Der Mensch in seiner Stellung
zum Ewigen und Zeitlichen, seine Würde und sein Weg, seine Gaben und seine
Pflichten, seine Not und seine Seligkeit sind ihre Hauptmotive. In tiefem Ringen
um die wahre Erkenntnis des Menschen und dessen Einbezogensein in die
hierarchischen Ordnungen erscheint Paracelsus am Schnittpunkt zweier Welten.
Mittelalterlich-gläubiger Christ, unerschrockener moderner Forschergeist und
hilfreicher Arzt zugleich, überspannt er in einem kühnen Geistesbogen alle
Gegensätze zu einer schöpferischen Ganzheit.
Der Streiter und Aufrührer
blieben in dieser Textauswahl unberücksichtigt; ebenso auch der Wahrsager und
Magier. Von allem Zeitbedingten befreit, ist sie nur auf das Allgemeingültige
des rätselerfüllten Werkes ausgerichtet.
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